Meer Europa

Allgemein

Tag 329 (05.08.2021) / Norwegen: Oppdal -> Trondheim (EUROPA-UMRUNDUNG GESCHAFFT)

Strecke: 119 km.  (08:45 – 19:15 Uhr)

Letzter Tag. Und witzigerweise kam ich erst heute in diesen Fahrrad-Stoizismus: Strampeln ohne zu denken, ohne die Mühe zu spüren. Die Zeit verrann einfach. Die Landschaft wellig, sanft, religiös. Aber meine Augen sahen nichts mehr. Ich guckte eher nach innen.

Viertel nach 7 rollte ich in das Zentrum von Trondheim, das letzte Teilstück, die letzte Etappe war geschafft. 916 Kilometer in 8 Tagen …

… Und meine Europa-Umrundung war damit vorbei. Aus!

Rund 25.000 Kilometer (exakt: 24.946) Kilometer in 329 Tagen zurückgelegt.

Das Projekt “Meer Europa” hatte ich am 13.9.2014 in Bilbao/Spanien begonnen.

Geendet hat es heute, am 5. August 2021 in Trondheim/Norwegen.

Fast 7 Jahre jeweils ein bis 2 Etappen (mit Ausnahme des “Corona-Jahres 2020”). Mal hier ein Mosaikstück, mal da eines. Es hat sich zusammengefügt.

Nun bin ich gedanklich wieder frei, ein neues Projekt zu beginnen.

Was bleibt? – Eine Liebeserklärung an mein Fahrrad!

Was hat es alles ausgehalten. In die Knie gegangen ist es schon manchmal, aber nie zusammengebrochen. Nicht im albanischen Straßenmatsch, nicht in den moldawischen Schlaglöchern, nicht auf portugiesischen Schotterpisten oder in kroatischen Sturmböen, nicht bei einer 36 Stunden-Fahrt in Finnland. Außer dem Rahmen ist zwar kaum ein Teil mehr original geblieben. Inzwischen hat mein Drahtesel ein Schaltseil aus Spanien, einen Gepäckträger aus Rumänien, ein Schaltwerk aus Norwegen, Bremsen, Vorderrad aus ich weiß nicht mehr wo und noch vieles mehr. Mein Fahrrad ist eben europäisch geworden.

Und letztes Wort: Was für ein großartiger Kontinent, dieses Europa!

Tag 328 (04.08.2021) / Norwegen: Høvringen -> Oppdal

Strecke: 116 km.  (09:15 – 22:15 Uhr)

Der Weg rauf zum Hotel war die Hölle gestern. Der Weg runter, diesen Morgen, die reine Freude. Schuss – 8 Kilometer lang. Und nur zwei Mal kurz angehalten, um jeweils ein Foto zu schießen.

Überwältigende Aussichten.

500 Meter runter auf ca. 400 Meter Höhe. 30 oder 40 Kilometer auf diesem Niveau gehalten.

Irgendwo ein Bier getrunken. Und dann ging es wieder rauf bis auf 1050 Meter. Und vor mir ein grandioses Hochplateau: das Dovrefjell.

Nur wenige Siedlungen.

Dafür weite Landschaften.

Und zum Schluss eine zweistündige langgestrickte Abfahrt zu meinem Etappenziel. Schöner Tag.

Tag 327 (03.08.2021) / Norwegen: Lillehammer -> Høvringen

Strecke: 142 km.  (09:15 – 22:15 Uhr)

Verrückter Tag, harter Tag.

Als ich losfuhr, klapperte mein Vorderrad. Platten. Witzigerweise geschah es direkt vor einer öffentlichen Aufpumpstation im Zentrum Lillehammers.

Ich sah schnell, dass das Ventil das Problem machte, offenbar war es defekt. Es pustete nach dem Aufpumpen die Luft wieder raus. Gottseidank hatte ich ein Ersatzventil dabei. Problem gelöst.

Dann ab vom Mjøsa-See weiter Richtung Norden.

Schöne Stimmungen.

Ich durchfuhr nun das Gudbrandsdal. Wohl der älteste norwegische Weg nach Norden.

Nicht nur schöne, wilde Natur. Auch ( vor allem) religiöse Kulturlandschaft. Zahlreiche Stabkirchen.

Die bekannteste: die von Ringebu. Anfang des 13. Jahrhunderts gebaut.

Schön, draußen und drinnen.

Prächtige Schnitzereien.

Prächtige Orgel.

Fantastischer Blick über den Friedhof ins Gudbrandsdal.

Auch säkular konnten sich viele Höfe sehen lassen.

Aber die religiöse Bau-Kunst dominierte doch.

Es machte Spaß, das Tal zu durchradeln.

Nette Dörfer, schöne Cafés.

Es machte Spaß, das Tal zu durchradeln, bis … bis dass ich keine Unterkunft finden konnte. Spärliches Angebot – oder alles (Sommer!) ausgebucht. Ich strampelte immer weiter, suchte in Verschnaufpausen per Handy im Internet und fand ein freies Zimmer hoch über dem Gudbrandsdal in Høvringen. 930 Meter gen Himmel. Eigentlich ein Wintersportort. Ich hatte nicht erwartet, dass die Steigung dermaßen furchteinflößend war – an Fahren war nicht zu denken. Um 20 Uhr begann ich den Aufstieg, es fehlten noch ca. 8 Kilometer. Und ich schob, schob schob.

Dabei: spektakuläre Runtersichten auf das Gudbrandsdal.

Die Spätsonne färbte die Landschaft lieblich gold – wo sie doch eigentlich rau war.

Die Sonne spielte mit meinem Schatten und warf ihn an das Gebirgsgestein. Sah aus wie eine steinzeitliche Felsmalerei.

Nach 2 Stunden Aufstieg kam ich an mein Ziel. Völlig entkräftet. Und alle Bars und Restaurants geschlossen.

Tag 326 (02.08.2021) / Norwegen: Minnesund -> Lillehammer

Strecke: 114 km.  (07:30 – 17:45 Uhr)

Ich hab wieder mal (wie so oft in Norwegen) in einem dieser Express-Hotels übernachtet. Kein Mensch zu sehen, Du bekommst per SMS einen Code um die Hoteltür zu öffnen, einen weiteren Code für die Zimmertür. Spooky. Ich war gestern spät angekommen, und nirgends gab es etwas, um meinen Hunger und Durst zu stillen. Minnesund sehr klein und nicht auf Touristen eingestellt. (Das Hotel war nur eine Art Nothilfe für Fluggäste des Osloer Airports, der nicht weit weg war – und die es nicht mehr bis nach Oslo packten.) Anyway. Ich stand früh auf, machte mich “Abflug” bereit, fand nach 3 Kilometer Fahrt eine Tankstelle, füllte mich mit Kaffee auf, besorgte mir Proviant für die Fahrt und legte los. Gleich mit Sonne.

Ich fuhr das Ostufer des Mjøsa-Sees hoch und genoss die fast absolute Stille. Kein Auto – nirgends. Kein Mensch – nirgends.

Größter Binnensee Schwedens. Sagt mein Reiseführer. Aber wieso “Binnen”? Gibt es auch außer Land Seen? Wo?

Dörfer waren eher zersplitterte Siedlungen. Schöne Holz-Villen. Arm ist dieses Land nicht.

Nur selten gefiel mir das Ufer des Sees.

Ich liebte eher die Totalen.

(Auch wenn ich es mit dem Ultra-Weitwinkel ziemlich übertrieb / zu viel verzerrte Linien – Aber heute auch egal).

Ich hatte wiedermal mit der Streckenführung zu kämpfen. Ab Gjovik war plötzlich Hölle Verkehr. Und ständig war die Straße für Fahrradfahrer gesperrt. Googlemap schickte mich auf irre Umwege – eigentlich auf unbefahrbare Wege. Ich musste heftig schieben. Ich fluchte.

Mehr als einmal ignorierte ich die Straßenverkehrsordnung …

Die Gegend wurde wilder.

Und ich kam gerade noch mit letzter Kraft in Lillehammer an.

Im Hotelzimmer ein eigenartiger Abfalleimer. Eigentlich löblich: Mülltrennung. Aber in welches Fach sollte ich später meine leere Weinflasche werfen?

Tag 325 (01.08.2021) / Norwegen: Oslo -> Minnesund

Strecke: 82 km.  (08:45 – 18:15 Uhr)

Der Wetterbericht kündigte es an: Regen. Mein prüfender Blick zum Himmel sah das Unausweichliche.

Man in black

Schon eine Stunde nach Abfahrt aus Oslo begann es zu nieseln, dann zu regnen und hörte für Stunden nicht mehr auf. Ich kam nicht richtig voran, das Nass hatte zur Unterstützung auch noch Wind mitgebracht – von vorne natürlich. Also reduzierte ich mein Pensum und gab nach 82 Kilometern einigermaßen erschöpft auf. Norwegischer Sommer eben.

Tag 324 (31.07.2021) / Schweden: Nordy -> Norwegen: Oslo

Strecke: 133 km.  (08:15 – 20:15 Uhr)

10 Minuten fahren und Norwegen lag vor mir. Wie zwei Kontinente sind Schweden und Norwegen durch eine Meerenge getrennt.

Wie modelliert

Zwei Wege führen bei Svinesund über die Grenze. Die Europastraße E6 – eine Autobahn – mit prächtiger Brücke. Natürlich für Fahrräder nicht erlaubt. Und ein paar Kilometer östlich ein altes Brücklein (auf der ich dieses Foto schoss). Der Grenzübergang aber war – GESPERRT!

Mich hatte schon gewundert, dass ich allein auf der Zubringer-Straße unterwegs gewesen war. Am Grenzposten standen norwegische Soldaten mit medizinischen Masken und guckten mich groß an. Einer erklärte mir, dass die Grenze hier wegen Covid geschlossen sei und der Fahrradübergang nach Norwegen rund 100 Kilometer südlicher sei. Hier dürften nur lokale Arbeitspendler durch. Ich schüttelte ungläubig den Kopf und fing an zu argumentieren, dass es darüber im Netz nirgendwo Informationen gegeben habe und ich es halt auch nicht wissen konnte. Die Soldaten hatten schließlich Erbarmen mit mir und ließen mich (nach gründlicher Kontrolle meines Covid-Impf-Zertifikats) dann doch ins Land rein. Ich dankte herzlich.

Der Rest des Tages war Strampeln. Es nieselte, manchmal regnete es.

Zwei Etagen System

Auf den Straßen kaum etwas los. Ich folgte im Prinzip dem norwegischen Autoput – der E6 – der in den Norden des Landes führt. Manchmal waren die mächtigen Autobahn-Brücken mit einer unteren Etage versehen, auf denen Radler quasi huckepack auch über Flüsse und Lagunen gehievt wurden.

Die Küste bekam ich fast nie zu sehen – ich bewegte mich überwiegend im Landesinneren. Wenn die Sonne mal rauslugte, leuchteten die Felder sommerlich.

Gelb oder schon Gold?

Einmal machte ich einen Abstecher zur Küste, zum Städtchen Moss. Langweiliges Wirtschaftszentrum. Wenngleich zu sehen war, dass das kleine Hafenviertel, in der Nacht aufleben würde. Viele Pubs, Bars und Restaurants.

Ich beschloss, bis nach Oslo durchzuradeln.

Kam nach vielen Stunden an. Die Hauptstadt begann ländlich schön.

Großstadtidyll

Und wurde dann großstädtisch, total überfüllt, lärmend. Ich hatte fast eine Art Schock, so rummelig ging es zu. Die Kneipen am Abend laut, überfüllt. Ein irres Gewusel auf den Straßen der Innenstadt. Nach eineinhalb Jahren der “Covid”-Abstinenz überforderte mich das Geschehen. Ich trank zwei Bier in einem Pub und beschloss, am nächsten Tag (entgegen meiner Ursprungsabsicht) gleich weiter zu fahren.

Tag 323 (30.07.2021) / Schweden: Henån -> Nordby

Strecke: 125 km.  (08:15 – 19:45 Uhr)

Aufbruch aus Henån bei Regen.

Symmetrisch

Aber schon nach 2 Stunden fügte sich das Wetter dem Sommer und wärmte mich auf.

Der Charakter der Landschaft eigentlich während der ganzen Strecke gleich: wellig, landwirtschaftlich geprägt, einigermaßen zersiedelt.

Himmelwärts

Spannend wurde es nur, wenn die Küste und das Meer aufblitzte. Schön!

Eingebettet

Am späten Nachmittag Strömstad passiert. Pittoreske Hafenstadt.

Strahlend

Und mondäner Badeort, in dem vor allem junge Männer gerne ihre nackten und trainierten Oberkörper zeigen. Natürlich auf ihren neuesten blitzeblank funkelnden Yachten.

Ahnsehnlich

Müde und abgekämpft schließlich in Nordby gelandet, einen Katzensprung von der norwegischen Grenze entfernt. Der Ort eigentlich nicht mehr als eine riesige Shopping-Mall.