Meer Europa

Schlagwort Archiv: Burg

Tag 219 (07.10.2017) / Italien: Pisciotta -> Maratea

Strecke: 77 km (09:30 – 17:00 Uhr)

Unendlich liebevolle Wirtsfrau, die Burghotelbesitzerin. Zimmer bis ins letzte Detail geschmackvoll komponiert. Man spürte die (gewaltige) Investition und die Besessenheit, eine ästhetische Welt zu bauen. Gelungen! Frühstück auf der Burgsommerterrasse auch detailversessen.
Schöner Abschied von Pisciotta.

Sweet one-day-home

Schuss runter ins Tal. 10, 15 Minuten. Serpentinengeschlängel.
Dann ein wenig eben und schließlich ab ins Küstengebirge.
Junge, Junge, mir wurde bang.
Brutaler Abwind – will sagen: Gegenwind.
Musste mehrmals anhalten, um nicht vom Sattel geweht zu werden.
Dann bauten sich Bergungeheuer vor mir auf.

Wände türmen sich

Nach ein wenig mehr als 2 Wochen Dauerfahrt ließ die Kraft merklich nach. Kaum ein Blick übrig für die wilde Bergwelt.

Aus D kenn ich solche Bergdörfer nicht

Bergpass nach 3 Stunden überwunden und schließlich ellenlange Abfahrt zum Meeresufer.

Danach – natürlich – wieder rauf. Kruzifix wie anders ist die Riviera. Kein Vergleich zur italienischen Flach-Adria. Und “Allergrößten Respekt!” für die italienische Berg-Straßen-Bau-Kunst. Haben die das im vorletzten Jahrhundert mit Hammer, Meißel und Dynamit gelöst?
Chapeau!

Blauexperten sind gefragt: korallenblau? Côte d’Azur Blau?
Oder Blaue Bucht Blau?

Ich hatte die Basilikata erreicht. Maratea war mein Ziel. Mein digitaler Reiseführer schwärmte vom Flair des Berg-Dörfchens.
In Wahrheit aber war es ein gottverlassenes Nest, das sich in seinen Rändern selbst zum Verkauf anbot. Leere, halbzerfallene Häuser, die per großer Tafel einen (finanzstarken) Besitzerwechsel erbaten.

Allerdings: Das kleine Zentrum war fein herausgeputzt. Und heute war Dorffest.
Die Bewohner spielten Mittelalter. Überwiegend für sich selbst. Sympathisch.

Der singende Schäfer-Intellektuelle.

Nicht mundfaul

Der handtrommelnde Innen-Architekt

Nicht handfaul

Der ungewöhnliche Quetschkommoden-Abiturient.

Blickfaul

Die authentische Hausfrau.

Niemals faul

Der gespielte Schäfer.

Oder echt?

Heile Dorfwelt.

Fauler Sonntag

Auf dass es außerhalb der Saison nicht ausstirbt.

Leergefegt

Tag 218 (06.10.2017) / Italien: Paestum -> Pisciotta

Strecke: 71 km (11:00 – 18:00 Uhr)

Früh gefrühstückt und gleich um’s Eck in den Archäologischen Park marschiert.
War an diesem Morgen tatsächlich der Erste, der das Heiligtum betrat.
Ich war, ähnlich wie ich in eine Kirche eintrete, voller “Andacht”.

(Weiß nicht, wie oft ich das schon niedergeschrieben habe: Aber der Unterschied zwischen der Begrüßung in einer katholischen Kirche (“Tue Buße”) und einem griechischen Tempel (“Du bist willkommen”) ist mehr als eine enorme kulturelle Differenz. Schade dass sich die westliche Welt am Katholischen/Christlichen statt am Hellenischen orientiert .

Athena gewidmet

Ich fühlte mich willkommen!

Sogar Johann Wolfgang hat sich in der Halle schon rumgetrieben

Riesige Anlage. Mit 3 gut erhaltenen fast monumentalen Tempeln. Weltkulturerbe.
Langsam trudelten auch weitere Götter- und Göttinnenanbeter ein.

Was hätte sich Johann Wolfgang zu dieser fotografierenden Göttin notiert?

Wie können Steine, die (architektonisch gesehen) mehr als 2 1/2 Jahrtausende sich nicht mehr verrückt haben, eine solch “heilige” Wirkung entfalten?
Wie können sie erzählen?
Wie können sie mein Herz erreichen?

Neptun gewidmet

Da ich wieder einmal zu wenig wusste, nahm ich mir vor, Zuhause meine griechischen Geschichtsbücher zu wälzen.

Kraftstrotzend

Wikipedia nutzte hier gar nichts.

Wohl konstruiert

Langsam trudelte ich zu meinem Hotel zurück, checkte aus …

Italienisches Idyll (oder doch griechisches?)

… sattelte mein Stahlpferd und ritt weiter gen Süden.

Sand-Riviera

Die Riviera … immer weiter …
Verdammt, war das anstrengend.

Fels-Riviera

Die Straßen wurden enger, steiler.

Asphalt-Riviera

Ich hatte im Internet von einem schönen Bergdorf gelesen, mit einem Hotel, dessen Zimmer fantastische Ausblicke auf die Steilküste und das Meer eröffnen sollten. Ich wollte dort hin, buchte gegen Mittag über eine App das letzte frei verfügbare Zimmer. Und bekam gleich eine email: Die Straße zum Dorf sei von Norden aus gesperrt und offiziell nicht befahrbar. Also genau dort, wo ich mich gerade fluchend bewegte.
Aber, fügte der Absender hinzu, das mache nichts: Man können sie trotzdem auf eigene Gefahr befahren. Die Polizei kontrolliere im Übrigen auch nicht wirklich.
Ich musste herzhaft lachen: Aufforderung zum Rechtsbruch auf Italienisch.
Und es funktionierte.
Brutal der Aufstieg.
Dann das Schild: “Jeder Durchgangs-Verkehr total untersagt”.
Schließlich eine weitere Warnung: “Bitte mit Vorsicht fahren.”
Keine Polizei weit und breit.
Ich sowieso der Einzige unterwegs.
Mit leicht mulmigen Gefühlen.

No traffic allowed (Oder doch?)

Es ging steil hoch.
Es war einsam.

Steil-Küste

Und nach der nächsten Biegung war auch der Ort zu sehen: Pisciotta. In der beginnenden Dämmerung wirkte das Bergkaff fast abweisend.

Grimmig?

Das höchste Gebäude – (ehemalige Burg?) – mein vorbestelltes Hotel.

For me
Auch der Blick: For me

Ich wurde superfreundlich empfangen. Bekam ein wunderschönes Zimmer. Und draußen braute sich etwas zusammen.

My (current) home

Hatte eine überwältigende Aussicht. Der Himmel verdunkelte sich binnen Minuten, ein rotes Unwetter zog auf.

My (current) view
Satte Farben

Und ich habe zum wiederholten Mal gelernt: Italien kann ich eigentlich nur lieben.

My (current) terrace

Yeah!

Tag 217 (05.10.2017) / Italien: Sorrento -> Paestum

Strecke: 96 km (09:00 – 17:30 Uhr)

Amalfi-Küste.
Wie das im Ohr nachhallt: A m a l f i
Wie das riecht: zitronig, orangig, olivig.
Wie sich das anfühlt: steil, azurblau, weißestes Weiß.

Und dann liegt da ’ne Leich aufm Pflaster.

Schöne Leich

Kaum hatte ich die supersteile Kleinstraße (mehr schiebend als fahrend) von Sorrento endlich gepackt – und schnaufte (besser japste) auf der Passhöhe tief durch, fand ich die tote Leich.
Vor der Eingangstür eines Modegeschäftes, das gerade aufmachte. Ich weiß nicht, ob das ein Werbegag war oder einfach eine noch nicht weggeschaffte Schaufenster-Requisite. Jugendfrei war es sicher nicht.

Dann wieder rasend nach unten:
Die Aussichten spektakulär.

Wie kann man so eine Küste besiedeln?

Häuserkaskaden in den Felsen.

Als es noch keinen Tourismus gab … von was lebten die Menschen dort?

Ein Dorf, ein Blick – schöner als … schön ist gar nicht mehr steigerungsfähig.

Was ist bewundernswerter: Die Terrassen- oder die Baukunst?

Atemberaubende Menschen-Nester mit Pool – in die Felsen hineingetrimmt.

Was sind die Matala-Höhlen dagegen?

Nur unten – in den Dörfern, den Plätzen, den engen Straßen -Überfüllungsalarm.
Spektakulär, wer und was sich sogar in der Nebensaison dort alles tummelte.

Wohl behütete Gruppen

Ursprünglich hatte ich versucht, mir in einem der attraktiven Orte der Amalfiküste ein Zimmer zu reservieren. Bei Preisen ab 200 Euro (pro Nacht) nahm ich schnell Abschied von der Idee. Und jetzt freute ich mich sogar über meine Entscheidung. Ich hätte das nicht ausgehalten.

Ich fuhr weiter – langsam.
Ich wollte alles sehen.

Jedes Eck …

Ist er nun auch schief? Ein bisschen?

jeden Winkel …

selbst Burgen, die als Restaurantkulissen dienten.

Ritterglück

Good bye Amalfiküste.
Ich radelte einfach weiter bis es dunkel wurde.
Und fand ein wunderschönes (bezahlbares) Hotel in der Ebene.
Direkt gegenüber einem Weltkulturerbe: einem der besterhaltenen griechischen Tempel – und das auf römischem Territorium.

Abendglück

Tag 212 (30.09.2017) / Italien: Grosseto -> Civitavecchia

Strecke: 123 km (09:15 – 18:15 Uhr)

Mühsam war der Beginn. Den direkten Weg zur Küste konnte ich nicht nehmen, der war nur Autos vorbehalten. Also musste ich mir kleine Provinzstraßen suchen. Die führten durch sehr welliges Hinterland. Ich war in der nicht sehr klassischen Toskana.

On the top

Maremma hieß die Gegend. Ich kannte sie von einem klingenden Weinnamen: Morellino di Scansano.
Scansano war nicht wirklich weit weg. 30 bis 35 Kilometer.
Aber was hätte ich dort getan?
Weinkeller leertrinken?
Am frühen Morgen?

Also kurvte ich weiter durch die italienische Agrarwelt.
Mal türmten sich Burgdörfer auf.

Unser Dorf soll schöner werden

Mal duckten sich kleine unscheinbare Weingüter hinter Herbstreben weg.

Hoffentlich ein guter Jahrgang

Und dann kam eine meiner Lieblings-Viertelstunden: Vollen Schuss runter ins Tal. (Hätte ich lange Haare – sie wehten immer noch hinter mir.)
Bis ans Meer.

On the rocks
On the sands

Aber kaum unten, kletterte ich schon wieder rauf. Ansedonia hieß das Küstenkaff. Und schlängelte sich steil den Berg hoch. Das Meer bekam ich praktisch nich mehr zu sehen. Alles Villen – Millionärsverstecke. Fotografieren lohnte sich nicht. Mauern oder Buschmauern waren ihnen sicherer Sichtschutz.

Exklusive Aussicht

Wieder unten im Tal führten autoleere Straßen durch ein herrliches Naturschutzgebiet.

Beschattet

Bald war auch Civitavecchia zu spüren. Ölig – der Geruch. Breit wurden die Straßen. Schmutzig die Einfahrt. Eine heruntergekommene Hafenstadt. Durchgangsstation, wie ich sie schon so oft durchfahren habe. Kaum ein Tourist bleibt hier länger als die paar Stunden, die er auf seine Fähre zu warten hat.

Und doch war die Stadt total liebenswert.
Pralles Altstadtleben.
Auf der Straßenterrasse der Weinbar, die ich mir ausgesucht hatte, waren alle Tische belegt. Also servierte mir der Wirt seine Empfehlungen auf eine freie Parkbank. Exzellenter Morellino. Exzellente Antipasti. Geld wollte er zum Schluss auch kaum. Nicht einmal den halben Preis akzeptierte er als Bezahlung. Es blieb sein Geheimnis, womit ich seine Großzügigkeit verdient hatte.

Ideale Kombi

Ich jedenfalls schrieb mir zum zweiten Mal auf der Reise in mein Notizbuch: Ich liebe Italien!
Und kleinen italienischen Dramen durfte ich auch noch zuschauen. (Waren es überhaupt welche?)

Auch eine Kombi?

Unterkunft: Hotel Porto Di Roma. Altstadt. Klein aber sehr fein. Grandioser Portier. Überschlug sich fast mit seiner Hilfsbereitschaft. Fahrrad in Abstellkammer untergebracht. (60 Euro mit Frühstück.)

Tag 207 (25.09.2017) / Italien: Santa Margherita Ligure -> Portofino und zurück

Strecke: 10 km (09:00 – 12:00 Uhr)

Ruhetag.
Ausgiebig gefrühstückt und mit Hilfe deutscher Zeitungen (die es frisch gab!) die Bundestagswahl analysiert.
Schönes Santa Margherita. Still, ruhig, mondän.

Frühmorgenflau

Dann 5 Kilometer zur Berühmtheit Portofino geradelt. Grandiose Meersichten unterwegs.

Stoned

Portofino um 10 Uhr morgens fast noch unberührt.

Frührot

Meist war ich allein auf meiner Treppentour zur hochgelegenen Burg.

Yachtweiß

Protzyachten vor der schönsten Kulisse Liguriens.

Kesselblau

Haben vor hunderten von Jahren die Dorfgründer hier gebaut, weil sie um die Schönheit des Ortes wussten? Oder ging es ihnen nur um die geschützte Bucht?

Ligurische Farbenpracht 1
Ligurische Farbenpracht 2

Der Friedhof mit bester Aussicht. Was zahlen die Toten dafür? Eine große Schwelle schützt das Unterdorf vor den Geistern von oben. (Wieso können die sich nicht selbst über die Schwelle heben?)

Todschick

Beim Abstieg sah ich schon die ersten Touristenboote kommen (von woher eigentlich?). Bis auf den letzten Stehplatz gefüllt.

Thronend
Mittelaltergrün

Eigentlich hatte ich vor, an Portofinos Hafen noch einen Kaffee zu trinken.

Ich verlor aber die Lust. Hunderte Menschen wuselten plötzlich auf dem Platz. Die Terrassen-Bars und Restaurants um 11 Uhr schon komplett besetzt. 5 Euro der Kaffee. 3 Euro die Kugel Eis im Laden.
Strange world: Portofino ist extrem hochpreisig und wird überschwemmt vom Massentourismus. Santa Margherita Ligure – eigentlich die mondänere Schwester – ist dafür deutlich preiswerter und wird doch von den Neckermännern übersehen.

Ich setzte mich dort in einer netten Straßenkneipe fest und trank ligurischen Weißwein. Pigato. Klasse Entdeckung: trocken, würzig.

Je länger ich saß, um so mehr wuchs Welt aus meinem Glas.

Halbvoll

Tag 127 (17.04.2016) / Italien: Cirò Marina -> Le Castella

Strecke: 65 km (10:00 – 15:30)

Nach den Gewalttouren der letzten beiden Tage waren meine Beine weich wie Pudding.
Schon beim Losfahren spürte ich, dass das heute nicht lange gehen konnte.

Zum Glück war es am Anfang wieder platt. Mal ein paar Schafherden auf den Wiesen.

Schafebene
Der Schafskopf ist der Hirte

Sonst nicht viel.

Ab und zu großformatige patriotische Plakate.

Nationalstolz

Immer wieder übergroße Jesus und Maria- Bilder.

Glauben, Essen, Hoffen

Am frühen Nachmittag dann noch mal eine kurze aber heftige Anstrengung.
Kampf gegen einen Berg und frontalen Wind (der in satten Böen daherkam).
Gräser, Sträucher und Bäume beugten sich – und auch ich machte den Buckel krumm.

Dann bergab in einer langen Abfahrt an die Küste – zu einem kleinen Ort: Le Castella.

Er hat – wie er schon heißt – eine vorgelagertes kleines Kastell …

Schwimmende Burg

… und sonst eigentlich das Übliche: Betonhäuser. Nichts Schönes. Gleichwohl war der Ort ziemlich rummelig. Ich konnte es mir nicht erklären. Kastelle, Burgen und alte Steine gab es an der Küste zuhauf. Nirgends war aber derart viel los wie hier.
Es freute mich, mal nicht allein zu sein.
Abends sensationell gut gegessen – in einer etwas versteckt gelegenen Fisch-Trattoria.

Unterkunft in Le Castella : “La Calabrese”. Nettes kleines Hotel. Zuvorkommender Service. Räume stilvoll eingerichtet. (40 Euro mit Frühstück.)  Fahrrad in Hof untergebracht

Tag 121 (11.04.2016) / Italien: Bari -> Brindisi

Strecke: 143 km. (09:3 – 20:00)

Wenn es etwas wie eine Fahrradsucht gibt, dann bin daran erkrankt.
Nach den gestrigen anstrengenden 139 Kilometern hatte ich mir für heute fest vorgenommen, es ein wenig entspannter angehen zu lassen.

Doch dann kam es anders. Es wurden 143 km.

Den Küstenweg musste ich schon bald verlassen, da es beinahe unmöglich war, einen Fahrradweg gen Süden zu finden. Die Hauptstraße war für Fahrräder gesperrt.

Also radelte ich ins Landesinnere.
An einem Stauferstädtchen (Conversano) mit Burg vorbei …

Felsenfest

… Richtung der berühmten apulischen Trulli, die sich auch bald schon zeigten.

Da schaust raus

Trulli sind ohne Mörtel gemauerte Steinhäuser, die sich meist an- und ineinanderschmiegen. Ein Trullo dient als Schlafraum, der andere als Küche, der nächste als Wohnraum usw..
Manche der Dächer sind mit magischen Schutzzeichen aus Kalkfarbe bemalt.

Kapuzenhäuser

Valle d’Itria heißt diese apulische Gegend.
Zentrum (und Weltkulturerbe) ist Alberobello.

Stadtleben

Mit über 1.400 Trulli auf engstem Raum.
(Und jeden Tag der zehnfachen Menge an Touristen.)

Die Ecken sind rund
Zipfelhäuser
Steinhoodies
Auf die Köpfe geschaut

Ich fuhr und fuhr durch das Hügelland – und vergass die Zeit.

Liebe zum Wein

Als die Zeit wiederkam, bemerkte ich, dass ich das Trulli-Tal bereits verlassen hatte und mich Richtung Brindisi bewegte.

Also machte ich weiter, warum sollte ich stoppen? Und kam nach 143 Kilometern mit dem letzten Sonnenstrahl an.

Ich nahm mir vor, bald in Fahrradtherapie zu gehen.
Als erste Präventionsmaßnahme beschloß ich einen fahrradfreien-Nachmittag.
Fester Vorsatz für morgen!

Unterkunft in Brindisi: “Hotel Colonna”. Zentrum. Nett geführt. Enges Zimmer. (53 Euro mit Frühstück.) Fahrrad in Hotelflur abgestellt.

Tag 95 (2.11.2015) / Frankreich: Dinard -> Mont Saint Michel

Strecke: 80 km (09:15 – 18:15)

Ich freute mich richtig auf diesen Tag. Das Wetter App hatte Sommer angezeigt (ein bisschen), ich war auf dem Weg nach der mythischen Kirchenburg Mont Saint Michel und ich fühlte mich sehr wohl im Städtchen Dinard.

Ersteinmal in einem Café gekräftigt.

Frühstück a la française.

Bittersweet

Dann mich ein wenig umgeschaut.

Aristokratisch

Und in der rosa-dunstigen Ferne schon mal mein nächstes Ziel ausgemacht: Saint Malo. Hafen.

Plebejisch

Keine Ahnung warum ich schon als Jugendlicher Saint Malo mit Abenteuer in Verbindung gebracht hatte.

Eingemauert

Ich kenne keine Piratengeschichten, keine d’Artagnon-Fechtereien von hier. Aber im Wort “Saint Malo” hatte von jeher Große Welt mitgeschwungen.

Drinnen und oben

Wie auch immer. Jetzt ist die Stadt nur noch für den großen Geldbeutel.

Ich hielt mich nur kurz auf und umfuhr anschließend das nördliche Cap.

Viel Landwirtschaft.

Feld, Bäume, Meer

Und nach der letzten Cap-Biegung: Zum ersten Mal in der Ferne den “Mont Saint Michel” erspäht.
Wie Dutzende wilde Camper auch.
(Langsam wird mir klar, warum z. Zt. kaum Hotels geöffnet sind. Franzosen reisen vor allem in ihren Wohnmobilen. Es gibt definitiv mehr Campingplätze als Hotels.)

Einheitslook

Cancale! Austernstadt. Wagemutige Fischerstadt.

Ebenfalls starke Mauer

Von halsbrecherischer Austernzucht (Reiseführer!) war nichts zu sehen. Dafür selbst an einem Montag das Hafenstädtchen total überlaufen. Tagesfranzosen noch und nöcher.

Austerntourismus

Wem das Restaurant zu teuer war, der besorgte sich dutzendweise das Glibberzeug direkt am Hafen.

Ich setzte mich heute lieber in eine kleine verdreckte Bar und schlürfte das halbe Dutzend mit Zitrone und Meersalz. Nicht besonders gut und nicht besonders teuer.

Meeresperlen

(Hab’ bei der Gelegenheit festgestellt, dass ein Muscadet wesentlich besser zu diesem Meerestier passt als ein Sauvignon.)

Ein wenig schummrig weitergeradelt und plötzlich metallene Ungeheur gesehen.

AusternErnteWasserMaschineaufvierRädern

Austern-Ernte-Maschinen. Zu Wasser und zu Land.

AusternErnteWasserMaschineaufsechsRädern

Wie aus der futuristischen Vergangenheit.

AusternErnteWasserMachinekurzvorderAbfahrt

Es hörte gar nicht mehr auf.

AusternErnteWasserMachineaufdreiRädernbeiderArbeit

Wie zu groß geratene James-Bond-Spielzeuge. Fehlte nur noch, dass Ursula Andress im Bikini und mit einem Austernmesser bewaffnet von einer Pilotenkabine heruntersprang.

Ich radelte diesen Monstern nach …

Ein Fest für die Möwen

… sah erneut den “Mont Saint Michel” in der Ferne …

Er kommt näher

und traute mich nicht richtig weiter. Meine Fahrradreifen sanken schon bedenklich im Schlick ein.

RuhendesWasserRad

Also drehte ich um und fuhr weiter der Straße nach: Richtung “Mont Saint Michel”. Luftlinie ca. 20 Kilometer. Straßenlinie ca. 32 bis 34. Ich hatte also noch zu tun und strampelte wie ein Idiot um rechtzeitig vor Sonnenuntergang anzukommen.

... immer näher

Gerade noch geschafft.

Welch ein Fels!

Gestern war der französische Staatspräsident hier…

Wow!

heute ich ….

… um ein restauriertes Wunder zu bestaunen. Die Franzosen wollen Mont Saint Michel wieder dem Meer zurückgeben und haben Schleusen, Kanäle, Wasserwerk und ich weiß nicht was noch gebaut, um die Verlandung und Versandung des berühmten Kirchenberges zu verhindern.

Maschine und Natur sind eins

Ich blieb andächtig und in respektvoller Entfernung, bis die Nacht fiel.

Ruhe sanft!

Unterkunft in Mont Saint Michel: Hotel Vert. Großer Kasten wie alle Hotels auf der Landseite.  Fairer Preis (58 Euro ohne Frühstück.) Fahrrad draußen angekettet.

Tag 58 (13.04.2015) / Griechenland: Preveza > Astakos

Strecke: 87 km. (09:15 – 17:45)

Eine Tour, die wieder mal richtig in die Knochen ging. Gerade am Schluss lange steile Anstiege. Auch der Anfang hatte es in sich. Preveza wird mit dem gegenüberliegenden Meeresufer nicht mittels einer Fähre verbunden, sondern seit über 10 Jahren mit einem Unterwassertunnel. Für Fußgänger und Fahrradfahrer strikt verboten. Kein Vorbeikommen an der Mautstelle.

Selfie im Fahrradtransport

Ich hätte also zurückgemusst und einen Umweg über Land von ca. 100 km in Kauf nehmen müssen.
Stattdessen trampte ich, hielt einen freundlichen Pickup-Fahrer an und hievte das Fahrrad samt Gepäck auf die Ladefläche. Und ließ mich durch den eineinhalb Kilometer-Tunnel unter dem Meer kutschieren.

Danach die Strecke bis Vonitsa flach. Der kleine Hafenort liegt zu Fuß einer großen Burg.

Meerburg

Sehr beschaulich das Leben.

Das lange Warten

Noch 10 Kilometer durchs Landesinnere und wieder der Küste entlang, die immer schöner und schroffer wurde. Dort, wo es nicht ganz so steil war: Olivenanbau und unzählige Schaf- und Ziegenherden.

Wachsen Berge aus dem Meer?

Vor der Küste ein halbes Dutzend großer und kleiner Eiländer.

Werden Inseln ins Meer geworfen?

Dieser Teil Nordgriechenlands (oder ist das schon Mitte?) scheint ziemlich strukturschwach zu sein. Die Touristenströme laufen hier vorbei. Die Orte nur von weitem attraktiv. So wie Mitikas.

Optische Täuschung

In der Nahsicht vieles ziemlich vernachlässigt und heruntergekommen.

In den engen Gassen immer wieder Schwarze Witwen gesehen. Ich hätte sie eher in Albanien vermutet, dort hatten sie sich aber rar gemacht.

Der Frühling hatte endgültig Einzug gehalten. Die Wiesen blühten. Die Schafe fraßen sattes Grün und Hellgelb.

Idylle mit Schaf

Es begannen die längeren Steigungen.

Ins Meer gefingert

Bedrohlich hoch die Bergketten vor mir.

Musste ich da rüber?

Die Straße wenig befahren. Sogar eine Rotte Wildschweine benutzte den asphaltierten Weg.

Wildschweinweg?

Kurz vor dem Ziel (nach einem erschöpfenden und ellenlangen Aufstieg) wieder eine Weltenbummlerin getroffen. Sie war im September letzten Jahres von England über die Türkei bis nach Palästina geradelt. Hatte dort drei Monate einen Freiwilligen Dienst erledigt und war nur auf dem Rückweg. Ich wünschte ihr Glück.

Und war froh, endlich im Hafenort Astakos angekommen zu sein.
Die meerzugewandte Seite attraktiv

Hafen mit Goldrand

Dahinter aber wieder ein eher vergessenes Städtchen mit teilweise schmuddeligen Gassen und Häusern.
Ab Astakos legt eine Fähre ab und zu zu den vorgelagerten Inseln ab. Dann füllt sich die herausgeputzte Promenade mit Touristen, um wenige Stunden später wieder in Tiefschlaf zu verfallen.

Unterkunft in Astakos: Hotel Stratos. (Älterer Bau, ein wenig heruntergekommen. Aber Zimmer gehen zum Meer, haben alle Bequemlichkeiten und vor allem einen großen Balkon.) Pförtner weitgehend unsichtbar. 30 Euro ohne Frühstück. Fahrrad in Nebenraum untergebracht.

Tag 49 (04.04.2015) / Albanien: Ulcinj -> Shkodra

Strecke: 47 km (09:30- 13:30)

Morgendlicher Blick von meiner Zimmer-Terasse in Ulcinj.

So könnt’ jeder Morgen beginnen!

Die Tische im Restaurant waren bereits eingedeckt für das am Mittag stattfindende Gipfeltreffen des albanischen Regierungschefs mit dem montenegrinischen Präsidenten. Der Präsidentenplatz wurde kurz für mich freigemacht. Dinner (Frühstück) for one.

Breakfast with the president

Gegen halb Zehn aufgebrochen. In den Vororten Ulcinjs boten Albaner frischen Fisch auf der Straße an. In den offenen Kofferräumen ihrer klapprigen Autos.

Erneut sah ich eine Roma-Familie, die Müllcontainer durchsuchte. Äußerst verwahrloste Kinder mit Rotznasen. Es tut weh, zu sehen, wie die Kleinen darauf trainiert sind, alles nach Eß- und Verwertbarem zu durchstöbern. Verhärmte und ungebildete Gesichter. Welch ein europäischer Skandal, dass es in keinem Land gelingt, den Roma ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.

Nach Ulcinj ging es leicht aufwärts, ab in die Hügellandschaft Südmontenegros. Kaum noch Siedlungen.

Fahrradschluchten

Schon bald kamen mir Motorräder mit Polizeisirenen und eine Autokolonne entgegen. Montenegros Präsident im Eiltempo nach Ulcinj.

Schwarze Politikbonzen

Fast alles BRD-Limousinen. Bonzenlieferantenfirmen.

Wieso eigentlich fahren beinahe sämtliche Regierungschefs, Präsidenten, Diktatoren und Minister “Mercedese”?
Wäre doch ein gutes Thema für Verschwörungsliebhaber. Wie Mercedes sich die Weltherrschaft sichert durch heimliche Abhöranlagen in den Limousinen. Oder besser: Das ganze Auto ist ein einzige Wanze. Alle Gespräche, die in ihm geführt werden, die heimlichen und unheimlichen, laufen in der Abhörzentrale in Untertürkheim auf. So lenkt der Konzern das Weltgeschehen! Die “Heiligen Ritter mit dem Stern”.

Am Wegrand legten Bauern und Bäuerinnen Selbstgebranntes, Selbsteingemachtes und Selbstgestricktes aus.

Truckstop

Nach drei Stunden den Grenzübergang zu Albanien erreicht. Problemloser Grenzübertritt. Und schon war ich im Land der Skipetaren.

Hoffentlich musste ich nicht über die Schneeberge am Horizont.

Trasmontana

Zunächst aber die Buna entlang.

Merkwürdige Burgen bauen die Albaner.

Flussburg

Kurz vor Shkodra den Fluss überquert.

Broken Bridges

Dann in die Hauptstadt des albanischen Nordens hineingefahren. Klar war der erste Eindruck ein chaotischer, düsterer, grauer: breite Alleen aus der stalinistischen Zeit mit tristen und heruntergewohnten Wohnblöcken.

Welch eine Überraschung aber im Zentrum. Zwei drei fein herausgeputzte Straßen.

Cool

Klar, das sah noch leer aus – gerade an einem Samstag. Wer hier kann sich das Terrassensitzen mit Kaffee, Latte, Bier und Wein leisten? Die Touristen würden erst noch kommen und dann (hoffentlich) die leeren Tische füllen.

Die EU jedenfalls ist schon da.
Albanien will ja schließlich auch hinein.

Join the Union

Ich fühlte mich sehr wohl.

Markt und Moschee

Das Hotel, in dem ich mich einquartiert hatte, wurde von einem sehr geschäftstüchtigen albanischen Paar betrieben. Es hatte ein altes Haus wieder im traditionellen Stil aufgemöbelt. Die Unterkunft glich mehr einem Museum, denn einem Gasthaus. Mit einem klasse Restaurant.

Die Besitzerin eine Muslima, die Ostereier bemalte. Ihr Mann ist Katholik.

Das ganze Restaurant beim Eiermalen

Am Abend: Zum ersten Mal auf dieser Reise ein volles Lokal gesehen. Nur Einheimische. Auffallend schöne Frauen.
Lokale Prominenz versammelte sich. Ob Ostern der Anlass war?

Schnell einiges gelernt über das Sozialverhalten. Lokale Autoritäten in feinen Kleidern, die von den Kellnern mit Unterwürfigkeitsgesten begrüßt wurden und für die Tische rasch freigeräumt wurden. Und dann gab es junge Kerle in Trainingsanzügen, die spät und unangemeldet kamen und für die extra Tische hereingeschafft wurden. Die Jungprotze benahmen sich nicht rüpelhaft, aber deutlich ohne die geschliffenen Manieren der offiziellen Autoritäten. Sie konnten sich einiges erlauben. Offizielle und inoffizielle Autoritäten, die sich gegenseitig misstrauisch beäugten.

Ich hatte das seltene Vergnügen, der lokalen Mittelschicht beim Feiern zuzuschauen.
Ein ZweiMann-Orchester sorgte mit Albano-Pop für Stimmung bis in den Morgen hinein.

Habe mich mit mittelmäßigem albanischen Rotwein in die Nacht geschossen.

Welch schönes Land.

Unterkunft: Hotel Tradita in Shkodra. Verdammt schön. Eine Oase. (38 Euro mit Frühstück). Fahrrad draußen am Fahrradständer gelassen.