Die Tage häuften sich, an denen ich jeweils deutlich über 100 Kilometer zurücklegte. Das lag sicher an den eher leichten Routen: Boden-Wellen kaum höher als 20, 30 Meter. Oft Gegenwind, aber selten stark.
Und es lag daran, dass nicht wirklich viel zu sehen war. Ich folgte (zwangsläufig) der Bundesstraße E8. Sie verlief küstennah, berührte das Wasser aber selten. Die Ostsee bekam ich tatsächlich nur wenig in den Blick. Und wenn ich mal eine Stichstraße zu ihr nahm: Sie glich sich an vielen Stellen. Kein offenes Meer – die See war eher ein Netz miteinander verbundener Teiche und täuschte so fast ein wenig Harmlosigkeit vor. Überall in den kleinen Buchten lugten (Fertig-)Holzhäuser mit ihren kleinen Holzanlegern ins Wasser.
Aber immerhin: ab und zu ein schöner Bauernhof.
Ob sich Vögel da wirklich erschrecken?
Und ab und zu sogar mit einem noch schöneren Café im Innenhof. In einem trocknete ich meine nass geschwitzten T-Shirts und machte kurz Rast.
Anlage schien dennoch Vogel und Katzen frei. Merkwürdig.
Und dann doch die Überraschung. Nahe Kalajoki: ein, zwei Kilometer lang offene See! Mit vorgelagerten Dünen. Herrlich.
Das Licht leider superhart. Mittagszeit.
Seicht bis zum Horizont?
Ich stolperte ein wenig durch den Sand.
Ich hinterließ keine Fußabrücke
Braun-Blaues-Farbenspiel.
Gibt es für dieses Blau eine Bezeichnung?
Noch brummte die Saison nicht.
Downgrade
Die modern-futuristischen Strandhotels fast völlig leer.
Vielleicht hatte ich hier übernachten sollen?
Danach war die einzige optische Auflockerung auf der Fahrt ein Fluss, der, obschon kurz vor der Mündung, noch ein Mal Stromschnellen spielte.
Lederstrumpf-Land
Schließlich (nach einigen weiteren Stunden auf dem Sattel) in Raahe angekommen. Ein kleines Städtchen, das man nicht gesehen haben muss.
Ich hatte nach der Ankunft enorme Schwierigkeiten, etwas Essbares zu finden. Landete schließlich in einem Pub. Die Hauptbeschäftigung dort war wie so oft: Saufen oder an einarmigen Banditen Geld verlieren.
Die Menükarte war nicht zu übersehen. Das Angebot äußerst überschaubar: Alles, was sich aus dem Gefrierfach direkt in die Mikrowelle schieben ließ. Ich aß Muikkukori – gebratene Sardellen. (Hab übrigens nach dem finnischen Wort gegoogelt. Das schafft der Internetriese nicht, eine angemessene Übersetzung zu liefern. Es lebe Finnisch!)
Jede Etappe hat ihren “Drama-Tag”. Dieses Mal kam er ziemlich früh. Es war Mittsommer, die Finnen feierten im ganzen Land die Sonnenwende und machten einfach alles zu: Geschäfte, Restaurants und Hotels. Auf meinem Internet-Portal, auf dem ich täglich meine Unterkunft buchte, wurde mir im Umkreis von über 200 Kilometern kein einziges freies Bett angezeigt. Ganz ernst nahm ich das nicht, dachte, irgendetwas würde sich unterwegs schon finden.
Gut gelaunt steuerte ich zunächst den Strand von Yyteri an, mit einer – für die Ostsee – überaus beeindruckenden Dünenkulisse.
Es war aber kaum etwas los. Schon gar keine Sonnenwendfeier. Dafür kam ein strammer Herr mit stolzem Bauch auf mich zu und redete wild gestikulierend und ohne Unterlass auf mich ein. Ihn störte auch nicht, dass ich signalisierte, kein Wort zu verstehen. Er forderte mich mit Hände, Gesten und verständlichen Worten auf, ihn zu fotografieren und erzählte mir eine finnische Geschichte, von der ich nie erfahren werde, ob sie interessant war. Irgendwann wurde es mir zu viel und ich verabschiedete mich freundlich. Und hörte beim Weggehen wie er seine Erzählung immer weiter ausspann.
Es blies ein kalter Wind.
Kann Gras Gänsehaut haben?
Trotz Dauersonnenenschein war es eher kalt und sehr diesig. Der lang gezogene Strand ziemlich leer.
Sogar der Sand fröstelte
Auch in den Dünen hielt sich kaum jemand auf.
Sand in the wind
Ich sattelte mein Fahrrad, fuhr – jetzt schon Mittag – weiter Richtung Norden.
Dynamo
Die Straße brückte sich zu Inseln, die der Küste vorgelagert waren. Manchmal wirkte die Ostsee wie eine Gruppe miteinander verbundener Teiche.
Meiner Mutter hätt's gefallen
Ich hatte schon fast 100 Kilometer in der Beinen (es war später Nachmittag) und immer noch nirgends eine offene Unterkunft entdeckt.
Unterwegs: ein alter hölzerner Glockenturm …
Wärmende Farbe
… mit einer beindruckenden Almosenfigur neben der Tür. Sie zeigte mir den Weg zum Heimatmuseum von Siippy.
Mit Fischerhütte, Bauernhof, Windmühle …
Signalisiert sofort: Vergangenheit
und alter Gaststätte, die (natürlich) zu hatte.
Am kleinen (fast schon mondänen) Dorfhafen traf ich ein frustriertes junges finnisches Paar, das hierher geradelt war, weil es glaubte, dass es an diesem Ort eine große Sonnenwend-Party geben sollte. Jetzt war es ziemlich enttäuscht.
Die beiden suchten auf dem Handy nach Informationen, fanden aber keine Erklärung. Sie hatten aber immerhin Proviant, Schlafsack und Isomatte dabei und brauchten sich um eine Unterkunft (die es nicht gab), keine Sorgen zu machen.
Entlang der Küste in jeder noch so kleinen Bucht ein schönes Ferienhaus mit akkurat gepflegtem finnischen Rasen und Holzstühlen am Ufer, auf denen es sich bald die Hobbyangler bequem machen würden (die finnische Sommer-Ferien-Saison beginnt.
Ich hatte beschlossen, das Städtchen Kristinestad anzusteuern, in der Hoffnung, dort – nach gut 135 Kilometern Strampeln – eine Bleibe zu finden. Immerhin fand ich unterwegs eine offene Tankstelle, in der ich mich mit Wasser und etwas Essbarem eindecken konnte. Ein Herr (Rentner?) mit Cowboy-Hut und Cowboystiefeln näherte sich mir interessiert. Er sprach recht gut Deutsch und erklärte mir, dass er lange in Australien gelebt und beruflich die ganze Welt bereist habe. Zeitweise auch in Deutschland gearbeitet habe. Ich fragte ihn ein wenig aus über die Sommersonnenwende und er erzählte mir, dass er am Morgen in Siippy gewesen sei und dort ein “riesiger” Event stattgefunden habe. Mit Feuer, Tanz, traditionellen Liedern. Sogar eine Gruppe Asylsuchender sei von den Organisatoren eingeladen worden. Ich mussten an das frustrierte Pärchen denken, dass sich also ganz offensichtlich in der Tageszeit getäuscht hatte.
Die letzten 10 Kilometer nach Kristinestad taten mir weh. Es war hügelig, ich war müde und als ich über eine langgezogene Brücke in das Städtchen einfuhr, war es bereits 9 Uhr abends. 3 Hotels gab es in der schönen Altstadt. Alle 3 hatten Schilder an den Toren: Rund um Mittsommer geschlossen. Ich klapperte mit Hilfe meines Handy-Navis Restaurants ab – ich hatte Hunger und Durst – alle geschlossen. Die Straßen wie leergefegt.
Der finnische Sommergott hatte aber Erbarmen mit mir und führte mich zu einem Pub, das tatsächlich auf hatte und aus dem laute Musik dröhnte.
Ich ließ mich in einen Sessel fallen und überlegte, was zu tun. Hier die Nacht verbringen (das Türschild zeigte immerhin an, dass bis 4 Uhr morgens offen sein würde) und dann am Morgen an irgendeinem Strand schlafen?
Ich saß kaum richtig, schon gesellte sich ein sympathischer Koloss zu mir. Er kippte seine zahlreichen Biere schneller als ich eines schlucken konnte, erkannte sofort, dass ich ein Deutscher war und wollte in meiner Sprache mit mir reden. Er hatte viele Jahre auf der Kölner Messe gearbeitet, war jetzt pensioniert und vermisste ganz offensichtlich seine zweite Heimat. Immer wieder suchte er nach (deutschen) Worten, wurde mit jedem weiteren Bier sentimentaler, öffnete mir sein Herz. Er erklärte mir Finnland, das eingeklemmt zwischen Schweden (“arrogant”) und Russen (“grobschlächtig”) seinen unabhängigen Weg suche.
Geschichtenerzähler
Er hatte Tränen in den Augen und irgendwann bemerkte ich, dass sie sich zu einem Rinnsal verdichteten, das stetig in sein Bier tropfte und es versalzte. Dann stand er urplötzlich auf (beeindruckende Größe!) umarmte mich warmherzig und machte sich auf den Weg nach Hause.
Kaum war der Platz neben mir leer, war er schon wieder besetzt. Eine ebenfalls beeindruckende Gestalt in Jägerklamotten hatte sich zu mir gesellt.
(Sollte mich irgendein göttliches Wesen ein zweites Mal in dieses Leben lassen, so sollte es mir dann unbedingt die Gabe verleihen, mir Namen merken zu können. In diesem ersten Leben gelingt es mir einfach nicht.)
Auch er sprach einige Brocken Deutsch. Er hatte vor vielen Jahren in Travemünde gearbeitet. Jetzt war er in Rente, war seit 5 Jahren clean – hatte früher “einfach zu viel getrunken”. Schluss damit.
Auch ein Geschichtenerzähler
Und er war gerührt, wieder mit jemandem Deutsch sprechen zu können. Er fragte mich aus, gab mir Tipps für die Weiterfahrt und stand gegen 23 Uhr auf. Er war melancholisch, umarmte mich und verabschiedete sich in die (taghelle) Nacht.
Die Stimmung in der Kneipe mittlerweile aufgeheizt. Eine Dorfband befeuerte das Publikum, von dem die eine Hälfte schon im Vollrausch war.
Die andere würde sicher bald folgen.
Der bullige Thekenwirt packte im Minutentakt gehunfähige Gefährten am Kragen und beförderte sie auf die Straße.
Auch das über ihrem (letzten) Bier eingeschlafene Mädchen musste den Pub verlassen.
Macht keine Geschichten mehr
Ich ging ebenfalls. Draußen zeigte eine Uhr an, dass gleich ein neuer Tag beginnen würde. Die Sonne war gerade untergegangen. Die Dämmerung hatte eingesetzt.
Tag/Nachtverschmelzung
Eine Dämmerung, die aber in keine Nacht leitete, die nur zwei helle Tage miteinander verband. Ich beschloss, noch eine Weilte weiter zu radeln. Aber das ist ja schon die Geschichte vom nächsten Tag.
Der Morgen legte eine Regenpause ein. Ließ mich den Melbystrand genießen. Im Sommer müssen hier Rimini-Zustände herrschen.
Ziemlich bedünt
Jetzt war ich allein.
Ziemlich bespült
Alle 100 Meter druckte sich ein Fertighäuschen hinter den Dünen weg. Ich weiß nicht, ob die alle bewohnt oder nur Ferienwohnungen waren. Menschen sah ich nicht.
Eingebettet
Es ging kilometerweit so weiter. Grundstück an Grundstück. Ohne dass die Häuser sich mal zu einem Dorf klumpten.
Häusersaum
Aber dann doch: eine winzige Ansiedlung, die den Namen Ortschaft verdiente. Sogar mit einem Kurhotel. Das jedoch schon in Herbst-Winter-Frühlingsschlaf gefallen war.
Eingemottet
Der Fahrradweg eh schon einsam und dann führte er auch noch durch einen stummen Wald.
Beschattet
Nur manchmal Zeichen, dass in dieser Gegend tatsächlich jemand lebte.
Farbklecks
Aber selbst die Bauern waren heute nicht auf ihren Feldern.
Gegen Mittag erreichte ich ein Naturschutzreservat.
Gebeugt, nicht gefällt
Einsamkeit lässt sich nicht steigern. Einsam, einsamer? Nee, geht nicht
Gestrandet
Ich konnte gar nicht so viel atmen, wie der Sauerstoff sich mir aufdrängte. Reinste Luft. Aber feucht-schwer und eigenartig dunkel.
Gekurvt
Immerhin regnete es mal eine Weile nicht. Der Herbst hatte Schweden bereits fest im Griff. Manchmal raschelte das rote Laub (raschelt es anders als grünes?).
Gewässert
In einer Bucht ein Fischereibetrieb ohne Fischer.
Verlassen
Aufgespult
Alles verrammelt und verriegelt.
Rot macht froh
Natur nur für mich.
Begrünt
Verweilen? Nee, ging auch nicht. Regen kündete sich an. In der nächst größeren Stadt machte ich eine kurze Rast. Kaufte mir auf dem Marktplatz von Halmstad an einem Stand einen Hotdog. 20 Kronen. Ich hatte aber nur einen 100er Schein und der Verkäufer konnte nicht herausgeben. Er wollte mir die Wurst schenken. Ich wehrte mich. Ich fragte ihn, woher er stamme. Es war klar, dass er kein gebürtiger Schwede war. Er antwortete (in gebrochenem Englisch): aus Syrien. Mit der ersten Flüchtlingswelle zu Beginn des Bürgerkrieges war er hierher gekommen. Offensichtlich hielt er mich für bedürftig (sah ich schon nach 3 Wochen Rundreise so heruntergekommen aus?) und zeigte Solidarität mit einem Schicksalsverwandten (sah ich wirklich so abgemagert und hungrig aus?). Ich drückte ihm 2 Euro in die Hand und hoffte, er konnte sie irgendwo tauschen. Er winkte mir nach.
Spät in Varberg eingetrudelt. Pitschenass. Das einzige Hotel mit noch freien Betten war das ehrwürdige alte Stadthotel. Very british. Die Hautevolee war hier versammelt bei Klaviergeklimper und Whisky-Tasting. Frauen (vor allem junge) in Abendgarderobe, Männer in Anzug und mit Hipsterbart. Ich kam mir fehl am Platz vor. (Sah ich wirklich so zerzaust aus?)
Die eigentlich Strecke war rund 71 Kilometer lang. Ich machte aber sowohl am Anfang einen Ausflug (zur Rubjerg Knude) mit ca. 4 Kilometern Radelstrecke (hin und zurück) als auch am Ende der Tour (zur Landspitze Grenen) mit ca 7 Kilometern (Ida y Vuelta). Ergibt mithin eine Gesamtstrecke von 82. (Ich liebe Statistiken.)
Wow! Was für ein Tagesanfang. Freie Sonnensicht auf die Wanderdüne Rubjerg Knude bei Lønstrup. Fast 2 Kilometer lang und 400 Meter breit. Und on top: ein Leuchtturm. Wandert der mit?
Laut Reiseführer versinkt er immer tiefer im Sand. Der Betrieb ist längst eingestellt.
Ist das noch pastellig?
Wüsteneindruck.
Gelbrosalich?
Mit Minioase.
Grüngelbbräunlich?
Von der Leuchtturmspitze …
Spitz ist da gar nichts
… ein toller Ausblick auf die wilde Steilküste.
Weißbläulich?
Auf dem Plateau kleine Ortschaften (Blick nach Lønstrup).
Grünrotbläulich?
Ich war nur noch einen Tagesritt von der Nordspitze Dänemarks entfernt. Der Weg dorthin hügelig. Nach tagelang brettlflachem Fahren war das jetzt richtig ungewohnt.
Sattgrünlich?
Liebliche Landschaft. Viele Einzelhöfe, wenige Dörfer. Alles sauber. Selbst die Natur aufgeräumt.
Strohbräunlich?
Schöne Heidelandschaften entlang der Nordküste. Beschaulich.
Herbstgrünbräunlich
?
Im Küstenwald immer wieder Weltkriegsbunker.
Schattengelblich?
Schließlich Skagen erreicht. Und vor Sonnenuntergang noch einen Ausflug an die Nordspitze Mitteleuropas gemacht. Dort, wo sich Skagerrak und Kattegat begegnen.
Untergangsrötlich?
Dort wo Nordsee und Ostsee aufeinandertreffen. Wo sich 2 Meere tobend vereinen. (Heute gingen sie friedlich miteinander um.)
Dunkelrosamilchig?
Unterkunft: Hotel Petit, Zentrum von Skagen. Gut ausgestattete Unterkunft. (99 Euro mit Frühstück).
Hätte ich mich auf meine Wetter-App verlassen, wäre ich im Bett liegen geblieben und hätte mich endlich mal von den Strapazen der letzten Tage erholt. Sturm und Regen waren angesagt.
Aber schon bei Aufbruch in Klitmøller war es zumindest trocken. Wenngleich das kleine Dörfchen – in der Surfercommunity “Cold Hawai” genannt – reichlich verschlafen wirkte. Ich fand kein offenes Café. Fuhr mit knurrendem Magen los.
Leuchttürmchen
Am Morgen blieb es grau. Der Fahrradweg führte durch bezaubernde Dünenlandschaften. Die Farbe Grüngrau dominierte den Morgen.
Wallend
In einer Tanke fand ich schließlich meinen Morgenkaffe.
Je weiter ich mich nach Norden vorarbeitete, um so schöner die Streckenführung. An kleinen Seen vorbei, auf Pfaden, die durch riesige Schilffelder führten. Vorsichtig schimmerte Sonnenlicht aus den Wolken.
Wogend
Ich machte einen Abstecher zum Thorup-Strand und auf einmal lugte die Sonne zaghaft durch Wolkenritze. Nur der Wind peitschte, als wolle er die Fischerboote noch weiter aus dem Meer treiben.
Gestrandet
Endlich mal wieder Farbe vor Linse.
Im Kiesbett
Einheitsfarbe
Beflaggt
Weiter ging’s. Wieder durch Dünen und Dünenwiesen. Der Weg teilweise mit Golfrasen begrünt. Strange.
Von der Schnur gezogen
Heute fast keinen Asphalt befahren – fast ausschließlich herrliche Wander- und Fahrradwege durch einsame Küstenwälder. Flach war es selten. Eher was für Crossbiker.
Erneut steuerte ich einen Strand an und wurde fast weggeweht – so heftig der Sturm.
Die Sonne zeigte sich jetzt kraftvoll und malte die auf Sand gesetzten Schiffe bunt aus.
Schiffschwarm
Die Szenerie hatte einen Hauch von “mediterran”.
Einzeller
Nur nicht die Dörfer – sie wirkten leer, verlassen, aus der Saison gefallen.
Sanddorf
Ich picknickte kurz (1 Banane, 2 Scheiben Brot mit Käse, 1 Flasche Schweppes).
Farbenfroh
Abgelegt
Bedünt
Und fuhr wieder durchs Hinterland. Jedesmal, wenn der Weg durch einen Wald führte, freute ich mich. Dort windete es nicht so stark.
Durchgehend
Königliches Jagdgebiet. Was bedeutete das Schild? Schieß den König? oder Schießen für den König reserviert?
Angeln verboten
Es war schon Abend, als die Sonne sich endgültig verabschiedete, der Sturm beinahe orkanartig wurde und ich die Klippen von Norre-Lyngby erreichte. Das Dörfchen auf der Klippenkante verliert mit den Jahren immer mehr Häuser. Sie stürzen einfach ab.
Ausgeklippt
Vom Meer geholt. Hier bekam ich eine Ahnung, mit welcher Kraft die Nordsee die Küste bearbeitet.
Gischtende See
Gischtende See 2
Kurz vor der Dunkelheit in Lønstrup reingeradelt. Zufrieden und kaputt.
Unterkunft: Hotel Kirkedal. Zweckmäßig eingerichtet. Empfangen wurde ich – wie so häufig – mit einem Zettel an der Tür: Rezeption geschlossen. Schlüssel befindet sich dort. Bei Fragen bitte folgende Nummer anrufen. (80 Euro mit Frühstück.)
Schnell erzählter Tag: Schon als ich losfuhr, stürmte es. Erst gegen mich, dann von der Seite. Bald regnete es auch noch. Und es war klar: Der Tag hatte einen dauerhaften Grauschleier
Unterwegs ein paar Vergangenheits-Reminiszensen
Wikinger zu Holzsäulen erstarrt
Ein wenig Neuzeitliches.
Windmonumente
Dann eine wacklige 10 Minuten-Überfahrt über den Thyborøn-Kanal.
Funktional
Entlang einem (bei schönem Wetter sicher) interessanten Naturschutzgebiet geradelt. Wiederholt gegen den Wind geflucht.
Salzwiesenkühe
Auf einer leichten Anhöhe erahnt, wie aufregend die Dünenlandschaft an der Küste war. (Hab aber kaum etwas davon gesehen. Zu regnerisch und grau.)
Und schließlich meinem Gefährten gedankt, dass er mich sicher durch all diese Unbill gelotst hat. Entkräftet kurz vor Sonnenuntergang angekommen.
I like you
Klitmøller, eine Surfer-Hochburg, wie ausgestorben. Gottseidank hatte wenigstens eine Pizzeria auf.
Unterkunft: Guesthouse Klitmøller. Neuer Komplex. Zimmer mit Gemeinschaftsbad und -klo. War aber kein Problem, ich schien alleine zu sein. Die Rezeption war schon längst nicht mehr besetzt. Ein dicker Zettel an der Eingangstür leitete mich zu meinem Zimmer. 80 Euro (ohne Frühstück).
Ribe am Morgen – genau so entleert wie gestern bei Regen. Trotz Frühsonne. Merkwürdiges Dänemark. Wo trifft man eigentlich Dänen, wenn nicht auf der Straße? Vorm Dom eine Statue des Missionar Ansgar, der so etwa um 850 die Wikinger zum christlichen Glauben überredete.
Wikingerflüsterer
Ich nahm Richtung aufs Meer. Unterwegs kleine Seen, Teiche, Tümpel. Mir fehlt der exakte Wortschatz für das, was ich im Norden antreffe. Haff, Fjord, Sund… Deich, Damm …was stimmt? (Ich bin Südländer – ich merk es immer mehr.)
Jedenfalls … attraktiv war das Flache durch das Nasse.
Against the sun
Wo kommt eigentlich hier das ganze (Süß)Wasser her? Ausm Boden? (Oh Mann, ich weiß gar nichts.)
MitderSonne
Nach der x-ten mäandernden Dorfstraße die Küste erreicht.
Hinführend
Deich hoch – und runter geguckt. Wattenmeer: seicht. (Füllte sich das Meer oder wich es? Sack Zement! – wer hilft mir bei diesen existientiellen Wissenslücken (Google bestimmt nicht.)
Zielführend
Saftig die Herbstwiesen.
Ins Gebüsch
Und mittendrin ein weiteres Rätsel:
Bürstenrätsel 1
Was sollten diese überriesigen Bürsten im Gras?
Bürstenrätsel 2
Vielleicht könnte mir ein Däne die Antwort geben – aber es war ja keiner da. Und wenn, nur als stummer steinerner Gast.
Weißes Rätsel 1
Bam, Bam, Bam (frei nach Mozart).
Aber diese steinernen Monumente gucken mich nicht an, sie gucken zu den Osterinseln, wo sie offenbar Verwandte haben.
Weißes Rätsel 2
Und weiter, immer weiter. Schöne Küstenfahrradwege. Und so wunderbar angelegt, gepflegt und nebenbei das Meer gebändigt. Ich schaute mich mehrmals um, ob ich hier überhaupt fahren durfte, ohne das Landschaftsdesign kaputt zu machen.
Zielpunkt 1
Eine akkuratere Küste habe ich noch nicht gesehen.
Zielpunkt 2
Aber wo sind die Dänen?
No point
Die Einheimischen?
Hier übrigens endet das Wattenmeer. In Ho Bugt. Warum – hat mir mein Reiseführer nicht erklärt.
Gestreiftes Rätsel
Nach Ho Bugt motte ich meinen Fotoapparat ein. Es stürmt mir ins Gesicht (unverschämt!), es trübte sich ein (Frechheit), es versaute und versuppte mir fast den Tag, bis – kurz vor Sonnenuntergang – sich ein Durchgang, ein Blick ins Paradies öffnete. Und prompt packte ich meine Spiegelreflex wieder aus.
Yeah!
Oh Mann! Und es gab null- ich wiederhole – nicht eine einzige freie Unterkunft hier. Ich wär so gern geblieben.
Sandiger als das Paradies
In dieser fantastischen Dünenwelt.
Zwei Augen Prinzip
Aber ich musste weiter, immer weiter – gegen Sturm, Wind und Böe (wer erklärt mir die Abstufungen?), …
Tschüss
… bis ich mein Unterkunftsziel erreichte: am Stadtrand von Ringkøbing.
Unterkunft: Ein Apartment, dessen Verwalter mir telefonisch beschrieb, wie ich hinfinden würde. Der Schlüssel steckte außen in der Tür. Es war bereits dunkel, als ich aufschloss.
Welche Wohltat, in den Niederlanden Fahrrad überland zu fahren. Mir scheint, die Radwege werden noch besser gepflegt als die Straßen. Heute sogar lange Stücke durch einen friesischen Dünenwald geradelt. Außer mir war dort niemand unterwegs.
Waldeinsamkeit
Von den Dünenspitzen: Aussicht mit Sturm.
Gerichteter Blick
An den Stränden: Einiges los, trotz schlechter Sicht.
Dunstig ist überhaupt keine Beschreibung
Das Wetter in Nordholland wechselte im Minutentakt.
Verschleiert, geschliert
Mal verhalten strahlend.
Spätsommersonnig
Mal überraschend nicht völlig suppig.
Herbstsonnig
Für morgen war ein Temperatursturz angesagt, samt Regen und heftigen Windböen.
Spätsommerherbstsonnig
Ich nutzte die letzten warmen Stunden und setzte mit der Fähre von Den Helder auf die westfriesische Insel Texel über.
Doppelgriffig
Die Insel bestand im Prinzip nur aus Vieh- und Schafsweiden. Mit ein paar eingesprengten Dörfern. Überraschend groß allerdings die Fischfangflotte, die in Oudeschild im Hafen liegt.
Ausladend
Eingerastet
Die Dörfer schmuck, die Häuser frisch getüncht, die Vorgärten akkurat. Ich fühlte mich wie in einer Lego-Welt für Erwachsene. Ich hatte das “S”-Wort eigentlich vermeiden wollen. Aber ich entkam ihm nicht. Trotz überhaupt nicht aufgesetzter Gastfreundschaft, trotz guter Laune, die Kellner und Ladenbesitzer warmherzig verströmten: Es war spießig hier in Nordholland. Wo waren die bärbeißigen Walfänger und Seefahrer, die tätowierten Rocker und amsterdamschen Rumhänger, wo die Flippigen und jungen Straßenkiffer oder Tunixe?
“Gepflegt” war hier alles, von der Straße über den Radweg bis zu den Häusern, den Stränden und sogar das Verhalten der Menschen.
Die größte Extravaganz, die sich Einheimische, Urlauber und zugereiste Rentner erlaubten, war der eigene Hund: gestriegelt, gekämmt, “gepflegt” und immer an der Leine. Jeder hier führte einen Köter mit sich.
Meine Kamera weigerte sich, dieses Elend zu fotografieren. Also begnügte ich mich mit Fassaden …
Windkreuz
…und Straßenansichten.
Leergefegt
Irgendwann würde sich auch wieder die Lust einstellen,
Gereiht
Menschen zu fotografieren.
Begrünt
Vielleicht morgen.
Unterkunft: Hotel De Smulpot. Feines und sehr schönes Boutique-Hotel im Zentrum von Den Burg. Wie alle Unterkünfte sehr hochpreisig. 100 Euro (mit Frühstück). Fahrrad draußen angekettet.
Wie freute ich mich auf mein Glas Mittagswein. Ich wollte schnell in meinen Rhythmus finden und tat alles dafür.
Treibmittel
Der erste Tag der neunten Etappe: spätsommerlich heiß. Meine Richtung: Von Oostende nach Norden. Das Ziel: Kopenhagen. Vielleicht sogar Schweden. Vier Nordsee-Wochen habe ich diesmal Zeit.
Belgien war schnell durchflogen.
Können Bojen fliegen?
Die Küste zugebaut, entweder mit gesichtslosen Appartment-Hochhäusern …
Atlantikwall
oder mit Strand-Umkleidekabinen.
Atlantikwall 2
Die Strände breit und feinsandig und wenn ein wenig belebt – dann von Selfie-Prinzesinnen.
Schon nach 40 Kilometern führte ein holpriger Fahrradweg über die Grenze …
Schleichweg
… ins Königreich der Niederlande.
Windflüsterer
Die Dörfer sympathisch aufgeräumt. Fast puppenstubenmäßig.
Provinzidyll
Der Atlantik schläfrig. Nur ein bisschen aufgewühlt durch ein rasendes Lotsen-Boot, das an unserer Fähre angeberisch vorbeirauschte. Auf der Fähre nach Vlissingen fast ausschließlich einheimische Radler.
Mit Wucht
Vlisssingen: im Kern schön altertümlich, in Meernähe mondän.
Herbststrand
Wohnturm
Hinter 30 bis 40 Meter hohen Dünen kuschelten sich Dörfer.
Geschützt
Auf der meerzugewandten Seite der Dünen: horizontlange Strände.
Bestrahlt
Für die Nebensaison noch erstaunlich belebt.
Besonnt
Kilometerlang reihten sich Strandkabine an Strandkabine.
Gereiht
Bebohlt
Bei Sonnenuntergang muss man sich entscheiden: unten im Rot oder oben im Gelbgrau.
Bevölkert
Unterkunft in Zoutelande: Hotel Het Verschil. Ortsmitte. Hotel hat auch ein sehr gutes Restaurant. Nettes, zuvorkommendes Personal. Kleines Zimmer. 65 Euro (mit Frühstück). Fahrrad in Hinterhof angekettet.
Langlang der Morgen. Lang entlang der See. Außerordentlich schöne Dünenstrände.
Aufgereiht
Zum ersten Mal Wasserkontakt. Kann’s selbst kaum glauben. (Fahre das Mittelmeer entlang, ohne reinzuspringen.)
Ungeschönt
Blaublau die Radwege.
Alongside
Dann stoppte ich. Sah eine merkwürdiges Trauerarrangement.
Ich verstand nichts (will sagen kein Italienisch). Es handelte sich offenbar um Trauerschmuck für im Einsatz umgekommene italienische Soldaten. Wo? Afrika? Syrien? Wer schmückte? Staat? Militär? Bevölkerung? Waren die Toten (wenn es sich darum handelte) von hier? Haben also Freunde das arrangiert? Mannomann – warum bleib ich so (sprach)dumm!
Was?
Mein Fahrrad bockte plötzlich. Quietschte. Ich sah nach. Die Befestigung des vorderen Schutzbleches hatte sich gelöst und schwingte (schwang?) frei. Mir fehlten Schrauben und Muttern, also schnürte ich das Gestänge mit einem groben Seil (das ich Gott sei Dank mit mir führte) zusammen. Es hielt fürs Erste.
Getackert
Abseits der Küste – Landwirtschaft. Der Boden sah fruchtbar aus (sag ich Bauer!).
Gefurcht
Irgendwann abgekämpft nach Sperlonga reingeradelt. Reizvoll und herbstleer. Luft war raus dem Ort.
Gebräunt
Hoch in die Altstadt gestiefelt und doch immer nach unten geblickt.
Geordnet
Extrem enge Gassen. Extrem schöner Ort.
Gegoldet
Aber die Schönheit der verstohlenen Plätzchen, Winkel, Ecken – sie ließen sich mit meinen fotografischen Mitteln nicht abbilden.
Nicht mal die kleinen offenen wunderschön verkitschten und doch innigen Kapellen.
Gerosat
Kurz vor Sonnenuntergang wieder runter zum Strand gestiefelt. Der Horizont blühte rot. Und obwohl ich extremer Sonnenuntergangs-Allergiker bin, konnte ich nicht anders – ich musste den Auslöser lösen.