Manchmal wurde es richtig flach. Die Berge zogen sich ins Hinterland zurück. Weiße Schneehauben waren seit ein paar Tagen (seit wann eigentlich genau?) verschwunden.
Sommerfarben
Jetzt dominierten die Bauernhäuser. Fischerkaten wurden seltener.
Aber der Sommer gleicht hier eher dem mitteleuropäischen Frühling
Nicht mehr jedes Haus war rotbraun oder gelb. Manche im aristokratischen Weiß.
Unbefleckt
Mit schöner Schreinerkunst.
Keusch
Aber die Berge kamen zurück. Forderten mich wieder heraus.
Runter macht es mehr Spaß
Ich machte häufiger Rast.
Warmer Rastplatz. Die Sonne wärmte mich und den Stein
Der Wald wuchs in das Meer hinein. Von oben wirkten die Fjorde jetzt wie aufgeraute Waldseen.
Ich warte immer noch auf den ersten Indianer
Nach etwa 100 Kilometern hatte ich Glück. Ich spechtete in einem Dreiseelendorf ein “Feriehus”, das sogar noch ein Zimmer frei hatte. Das teuerste natürlich. Ein riesiges Apartment mit Einbauküche. Ich hatte vorgesorgt. Ich hatte genügend Wein, Brot, Käse und Dosentunfisch (in Öl und peperoni-scharf) dabei. Ich wurde satt. Und durstig blieb ich auch nicht.
Dazu 2 Fähren mit ca. 24 Kilometern. (10:15- 19:45 Uhr)
Nach dem gestrigen Tag, der mich fast völlig ausgelaugt hatte, ging ich es heute etwas gemütlicher an. Spät erst brach ich auf. Der Tag lud eh zum Bummeln ein. Die Sicht war grau, diesig. Es war kalt. Meine Unterkunft war eine Katzensprung vom Fährhafen in Nesna entfernt. Die Überfahrt nach Levang ging schnell. Der dortige Anlegestelle – wie so häufig – im Niemandsland. Ein Verladesteg. Eine Schlange von wartenden Autos und Caravans. Ein, zwei Häuser. Sonst nichts.
Frösteliger Empfang
Unterwegs: immer wieder ein paar Siedlungen an den Fjordufern. Ich weiß nicht, ob man bei der Ansammlung einiger Häuser von einem Dorf sprechen kann. Es gab keine Mitte, kein Marktplatz, keine Kirche mit Kirchplatz. Die Häuser standen eher neben einander. Anwohner waren so gut wie nie auf der Straße. Auf dem Wasser manchmal ein paar Fischer oder Angler. Aber ansonsten: Landschaft und Meer ohne Menschen.
Freundlicher Anblick
Die Küste: ein Gewirr aus Inselchen und Inseln.
Sanfte Stein-Inselchen
Über Land fahren hieß oft: über Brücken fahren. Manche waren spektakulär konstruiert. Eine – die Helgelandbrücke – führte scheinbar aufs Meer, nutzte eine Landzunge im seichten Ozean, um sanft auszulaufen.
Auf Grund gelaufen
Auf der zweiten Fähre sah ich zufällig einen Prospekt, der die Ferien-Unterkünfte der Gegend aufreihte. Ein Gästehaus in der Nähe der schönen Kirche in Vevelstad hatte noch ein Zimmer frei.
Ernst und heiter zugleich
Das Haus entpuppte sich als Wunderkiste. Liebevoll im alten Stil eingerichtet. Eine Herberge mit 5 Zimmern.
Gute Alte Zeiten - hier stimmt's mal
Die Wirtin kochte selbst – aber nur auf Vorbestellung. Da ich spontan geklingelt hatte, bekam ich nicht das Menü ab. Die Wirtin kramte aus dem Gefrierschrank dafür einen exzellenten Bacalao-Eintopf hervor, kochte ihn vorsichtig auf, würzte und schärfte ihn noch etwas.
Selten einen so schmackhaften (getrockneten und gesalzenen) Kabeljau gegessen. Mit Kartoffeln und Zwiebeln. Portugiesische Klippfischküche im hohen Norden.
Überhaupt die Wirtin: Sie schaute einen listig an, war schlagfertig, juxte viel und war stolz auf ihre Unterkunft. Erklärte gerne die vielen Details der sorgfältig ausgewählten Einrichtung. Fast alles Erinnerungsstücke. Aber nichts, rein gar nichts war muffig. Alles strahlte heiter. So wie die Wirtin. Es schmeichelte ihr, wenn man ihre Kochkünste lobte. Dann seufzte sie tief und zufrieden.
Im kleinen Speisesaal nur Deutsche: ein Männerpaar aus München und ein Blogger (hab vergessen woher), der neue Wanderwege suchte.
Wir zogen uns nach dem Essen gemeinsam ins “Entrée” genannte Herrenzimmer zurück. Berauschten uns an dem, was wir alles schon in Norwegen gesehen hatten.
Dazu 3 Fähren mit ca. 44 Kilometern. (07:15- 00:30 Uhr)
Fährentag. Kurz nach 7 Uhr in Ornes auf das Schiff, das mich (und zahlreiche Autos) nach Vassdalsvik brachte.
Ein Schiff wird kommen
An Bord wollte ich schnell einen Kaffee trinken. Aber der Automat akzeptierte keine Visa-Karte. Nur Münzen. Zum ersten Mal überhaupt, seit ich in Norwegen unterwegs war, wurde Cash verlangt. Hatte natürlich kein Kleingeld. Also kein Aufwachkaffee.
32 Kilometer geradelt, schon wartete die nächste Auto-Fähre. Ein Haifisch-Monstrum. Irrsinnig – wie viel Geld Norwegen in die Brücken- und Fähren-Infrastruktur steckt. Aber anders ist dieses Insel-, Halbinsel-, Berg-Land nicht zu erschließen.
Wo hat der Haifisch seine Zähne?
Die Sonne kämpfte über der Wolkenschicht, um mich Norwegenfahrer zu grüßen und auch ein bisschen aufzuwärmen. Bekam aber kein Licht-Strählchen durch die grauweiße Totalblockade. Ich fror.
Erst heute fiel mir auf, dass das Meer in Norwegen nicht rauschte. Die Fjorde seenhaft ruhig.
Kann man Stille hören?
Alles, was ich hörte, war das summende Rollen meiner inzwischen völlig abgefahrenen Fahrradreifen.
Gibt es für jede Farbe einen Code? Wie unromantisch
Bizarre Spiegelungen an den Fjordenden. Ich hatte das Gefühl jeden einzelnen Fjord Norwegens auszufahren.
Gibt es für jede Stimmung ein Wort?
Schon bald wartete die dritte Fähre. Von Jektvik nach Kilboghamn. Sie fuhr lang.
Wieso wird Dampf zum lauten Ton?
Und kreuzte genau hier, an diesem grau-grünen Berglein den nördlichen Polarkreis.
Eine Weltkugel am fernen Ufer zeigte den genauen Punkt an.
Das halbe Schiff stapfte auf Deck, um sie (den weit weit entfernten “Punkt” auf der gegenüberliegenden Küstenwiese) zu fotografieren.
Dann noch mal 90 Kilometer bis nach Nesna. Ich hatte auf dem dortigen Campingplatz angerufen und gefragt, ob es noch ein Zimmer oder eine Hütte gäbe. Treffer. Das Problem: Die Rezeption schloss bereits um 19 Uhr, ich aber war noch 60 Kilometer entfernt und es war bereits 18:30 Uhr. Der Rezeptionist war supernett. Sagte, er würde die Tür zu dem Zimmer offen lassen und den Schlüssel aufs Bett legen. Ich solle mir keine Sorgen machen. Machte ich mir nicht.
Und (ich wiederhole mich) wieder hatte der Tag die höchste Schwierigkeit bis zum Schluss aufgehoben. Es ging steil auf rund 350 Meter hoch. Die meiste Zeit (1 Stunde) schob ich. Hatte keine Kraft mehr.
Auf dem Pass Stille Stille Stille. Kein Zikadenlärm (gibt’s hier gar nicht), kein Fledermausgefiepe (gibt’s hier gar nicht?), kein Eulenflügelschlag. Nichts. Stille. Die Sonne war untergegangen. Endlich wieder so etwas wie Nacht, auch wenn der Horizont feurig glühte.
Wieso ist die Welt so schön?
Unter mir lag Nesna
Ich musste nur noch rollen lassen.
Keine Fragen mehr
Und kam nach 150 Kilometer Strampeln eine habe Stunde nach Mitternacht an. Grandios erschöpft.
Kurzer Aufwachblick aus dem Fenster: Der Fjord war noch da.
Schönes Aufwachen
Nach dem Frühstück ging ich zur Küche. Ich wollte mich vom Koch verabschieden, mit dem ich mich gestern bis spät in die Nacht verquasselt hatte, und mich für seine Gastfreundschaft bedanken. Er kam mir zuvor, drückte mir lange die Hand und sagte, ich hätte ihm gestern viel positive Energie gegeben. Es sei an ihm zu danken.
Ich war perplex und fuhr demütig in den neuen Tag hinein.
Er begann mit Zauberbildern.
Verweile!
Ich jagte die noch fast autofreie Straße runter zum Fjord.
Zieh weiter!
Querte danach Täler, Brücken …
Hüpf rüber!
… übte den Vogelblick,
Bleib doch!
… erreichte gegen Mittag die (unansehnliche) Stadt Narvik. Orientierte mich.
Stärkte mich mit einem Beef-Wrap und einem kühlen Blonden.
Und hoppte bald per Brückenhub auf die nächste Halb-Insel.
Auch hier zeigte mir die Vogelperspektive, welch irrsinnig schöne, zerklüftete Welten die Eiszeitgletscher auf ihrem Rückzug nach Norden hinterlassen hatten. Wahre Erdkünstler.
Wie oft hab' ich schon 'Traumland' geschrieben?
Plötzlich tauchten am Wegrand drei junge Wanderinnen auf.
Darauf muss man erstmal kommen
Ich hatte auf meiner Skandinavien-Umrundung schon ziemlich viel gesehen:
Einen Italiener mit roten Rastalocken, der mit dem Rennrad von Rom ans Nordkapp unterwegs war. (Er behauptete, jeden Tag 200 Kilometer zu fahren. Er hatte fast kein Gepäck dabei und schlief meist im Wald. Mir war rätselhaft, von was er sich ernährte, woher er das Trinkwasser besorgte.)
Ein Paar, das auf Tretrollern über die Straßen huschte, das schwere Gepäck auf den Rücken geschnallt.
Eine Ehepaar, das mit überdachten Fahrrad-Anhängern ihre beiden laut jammernden Bälge durch die Landschaft nach Norden zog.
Aber drei junge Frauen mit Lastenhund?
Wir grüßten uns fröhlich. Hallo, woher kommst Du, wohin geht Ihr? Der aufrichtig freundliche und froh stimmende Wanderer-Small Talk. Und tschüss. Ich wünsch Dir viel Glück. Passt auf Euch auf.
Ich musste wenig später Berge überwinden, um an mein Ziel zu kommen.
Ist das norwegisches Biedermeier?
Kurz vor 9 erreichte ich schließlich den Fährhafen Skarberget. Dort endete die Hauptstraße (E6) Richtung Süden. Autos mussten über das Meer geschafft werden (so spät waren nur noch wenige unterwegs). Fußgänger und Fahrradfahrer (ich war der einzige) durften umsonst die halbstündige Überfahrt genießen.
Am Horizont glitzerte, wie eine mattkühl angestrahlte Wand, die Traumlandschaft der Lofoten. Auf dieser Reise würde ich sie nicht näher sehen.
Kurz vor 22 Uhr kam ich an dem mittags bereits vorgebuchten Hotel an. Das Restaurant war schon lange geschlossen, die Bar aber noch offen.
Fähren kommt man aber auch als Fahrradfahrer nicht voran. Mir war nicht bewusst gewesen, dass Norwegen ein Inselreich ist.
Eine Küstenstraße, die von Nord nach Süd führt, existierte praktisch nicht. Ständig hoppt man von einem Eiland zum nächsten und wieder aufs Festland zurück.
Am Ende wusste ich überhaupt nicht mehr, wo genau ich mich gerade befand. Grundrichtung jedenfalls “southbound”!
Und im Norden gab jetzt der Sommer sein Gastspiel. Zweiter strahlender Sonnentage in Folge!
Weiß ist doch eine Farbe
Um jede Ecke das norwegische Foto-Grundmotiv: rote Fischerhütte vor blauem Meer.
Sogar kleine Sandstrände. Sie malten mit Hilfe der (schwachen) Sonne das Motiv karibisch aus.
Beruhigend
Nur selten verliefen die Straßen gerade, ebenerdig. Meist war es ein wüstes Gekurve, samt Auf- und Abgestrampel.
I like it
Die Berge im Hintergrund lassen es ahnen.
Die Dörfer, die ich auf Fjordhöhe passierte: natürlich Fischerdörfer. Es schien, als habe jedes Haus seinen eigenen kleinen Hafen.
Zugleich Straßen- und Meerdorf
Gegen 15 Uhr legte ich zur zweitgrößten Insel Norwegens ab – Senja.
Wer bringt hier eigentlich den Rum vorbei?
Sie hat wohl die schönsten und coolsten Sandstrände der Gegend. Davon sah ich aber wenig. Sie befanden sich auf der Westseite, am offenen Meer. Ich aber fuhr die Ostseite ab. Diese war schön, aber nicht aufregend. Ich hatte gut zu arbeiten, um die Tagesstrecke zu packen.
Ziemlich genau um 20 Uhr erreichte ich wieder (diesmal über eine Brücke) bei Finnsnes das Festland. Ich hatte einige Stunden zuvor über ein Buchungsportal ein Hotelzimmer reserviert. Wie so häufig ein Gasthaus ohne Rezeption, ohne Personal. Über einen Code, der einem per sms zugeschickt wird, bekommt man Zugang.
Ein Sesam-Öffne-Dich-Code schließt dir auch deine Zimmertür auf. Du bist für Dich – aber will ich das?
Strecke: 8 km vom Campingplatz Nordkap nach Honningsvag (04:45 – 05:15 Uhr)
Dann: Hurtigruten-Schiff nach Tromsø (05:45 – 23:00 Uhr)
Es war klar, dass es mit meinem Fahrrad so nicht mehr weiterging. Im nahe gelegenen Küstenort Honningsvag gab es keine Fahrrad-Werkstatt. Auf Nachfrage versicherten mir Einheimische, dass man eine komplizierte Reparatur nur in einer der Großstädte Norwegens machen lassen könne. Also entschloss ich mich, mit der Fähre (Hurtigruten) nach Tromsø zu fahren.
Morgens um halb 6 stand ich am kleinen Hafen, staunte über den ersten Sonnentag seit langem, sah wie das Schiff elegant am langgezogenen Kai anlegte. Ich schob meinen Drahtesel aufs (kaum belegte) Autodeck, ging zur Rezeption, kaufte mir ein Ticket, zahlte (wie schon die ganze Reise) bargeldlos, bekam einen Bordausweis und los ging’s. Völlig problemlos.
Welche Pracht, welcher Stolz!
Die Fahrkarte kostete (inklusive Fahrradtransport) rund 105 Euro. Für eine 18stündige Fahrt durch die Inselwelt im äußersten Norden Norwegens eklatant preisgünstig.
Steinerne Gäste
Und was für eine Inselwelt. Alpines Meer! Hat all diese steilen Gipfel schon mal jemand bestiegen? Mir raubte es den Atem, so weltursprünglich schön.
Bergherde
Und ich hatte den Beginn der Welt fast nur für mich. Zwei drei Gesellen waren noch auf dem vorderen Deck. Sie störten nicht.
Freiluft-Sonnebank
Natürlich war ich tags zuvor enttäuscht, dass ich die Fahrt nach Tromsø (etwa 400 Kilometer übers Land) nicht mit meinem Fahrrad antreten konnte. Aber es war zu riskant – ohne zuverlässig funktionierende Bremsen, mit kaputtem Schaltgetriebe und und und.
Ich hakte rasch den Ärger ab, betrachtete das Privileg der Schiffsreise jetzt als Geschenk für das “Erklimmen” des Nordkaps und genoss die Reise.
4, 5 Häfen steuerte das Hurtigrutenschiff unterwegs an. Die meisten klein, wie Havoysund auf der Insel Havoya. Kaum mehr als 1.000 Bewohner.
Leuchten die Fassadenfarben auch nachts?
Unterwegs kreuzte mein Kahn ein ehemaliges Postschiff und heutige Touristenattraktion. Ziemlich alt, denkmalgeschützt, und immer noch schnell unterwegs.
Mit nem Postschifffahrtskapitän
Nächste Anlegestelle: Hammerfest auf der Insel Kvaloy. Eine – um es nett auszudrücken – moderne Stadt. Heimelig jedenfalls ist sie nicht. Wie auch: Im Zeiten Weltkrieg wurde sie von den Deutschen vollständig zerstört (Prinzip “Verbrannte Erde”).
Aufgebaut
Blick- und Anziehungspunkt ist der Hafen. Mein Schiff legte eine “Mittagspause” ein – 2 Stunden Freigang.
Platz für alle
Und erst jetzt sah ich, dass ich keineswegs allein unterwegs war. Geschätzt zweihundert Reisende drängelten aus dem Bauch des Schiffs, schlängelten sich zu einem Kai und sahen einer für sie vorbereiteten “Zirkusvorstellung” zu: Die Fütterung eines weißen Wals. Der wollte zwar nicht so richtig. Und trotzdem schwoll das Entzücken, das Ahhh, Ohhhh und Handy-Klickkkk , mit jeder Minute an. War das der weiße Wal, der angeblich aus einer russischen Spionage-Zucht-Werkstatt entkommen war? (So eine Nachricht haben jedenfalls vor etwa einem Monat Zeitungen verbreitet.)
Showbizz
Kaum war mein Schiff erneut auf dem Nordmeer unterwegs, wirkte es wieder wie leergefegt. Eigentlich war es ein Linienschiff, das täglich die norwegische Küste Richtung Süden abfuhr, Menschen und Waren transportierte, Inseln mit dem Nötigsten versorgte. Uneigentlich war es längst eine Touristen-Attraktion, ein Kreuzfahrtschiff (das nur nicht so hieß) mit allen Bequemlichkeiten und einer Hundertschaft an Kabinen. Dorthin waren offensichtlich all die Passagiere wieder verschwunden. Oder sie klumpten sich in den Clubs, Restaurants und Cafés. All die Orte, die ich nicht aufsuchte.
Laufsteg
Ich blieb auf meinem Vorderdeck (räkelte mich in einem bequemen Sommerstuhl, ging höchstens mal zu einer Bar, um mir ein Bier zu holen) und staunte über das, was ich sah.
Schillernde Küstenorte.
Reifen-Installation von einem unbekannten Künstler
Weites kaltes Glitzermeer. Insel nach Insel. Alle eigentlich unbehausbar.
Landschaftsgemälde von einem bekannten Künstler
Und doch immer wieder von ein paar Hütten gesäumt.
Da fehlen mir die Worte
Und ich fragte mich zum x-ten Mal: Wer ist das, der so die Einsamkeit sucht? Oder wird man da einfach hingeboren und bleibt (für immer?).
Das Leben ist schön
Was machen die dort?
Besonders hier?
Hier hätte nicht einmal Robinson Crusoe überlebt. Wie schaffen die das?
Ay!
Was machen sie, wenn die Sonne nicht mehr täglich aufgeht?
Wenn Finsternis aus den Bergen kriecht und dich eben keine tausend Augen mehr ansehen, weil es nichts zu sehen gibt?
Wieso gibt es hier noch kleine Städte? Ich bin doch am Rand der Welt.
World's End
Eigentlich hat die Welt hier schon längst aufgehört.
(Zwischendurch eine Fährstrecke von Dänemark nach Schweden (ca. 20 Minuten).)
Vorm Verlassen Kopenhagens radelte ich noch ein paar Sehenswürdigkeiten ab. Auch den Nyhavn (Neuen Hafen), der eigentlich der alte ist.
Standard
Die letzten paar dänischen Kilometer angenehm. Der Kattegat glatt wie ein See. Die Ortschaften wie kleine Kurstädtchen.
Offen - nicht geschlossen
Rentner-Vierer
Badebetrieb im Meer noch möglich. (Ich sah tatsächlich einen älteren Herrn, der sich ins kalte Wasser warf.)
Nicht abgeschlossen - nicht verlassen
In Helsingor transportieren große Autofähren im 15-Minuten Takt vor allem Lastwagen nach Helsingborg (Schweden) und umgekehrt.
Goodbye
Die Überfahrt kurios: Laut einer Lautsprecheransage durfte auf dem Schiff Alkohol nur in dänischem Gewässer gekauft, dafür Tabak nur in schwedischem Hoheitsgebiet erworben werden.
Welcome
Gegen 14:00 Uhr legten wir an und ich rollte in Schweden ein. Die ersten skandinavischen Stunden: grau und regnerisch.
Schwedischgrau
Erst am Abend besserte sich die Sicht ein wenig. Ich hatte noch eine zermürbende Bergkette zu überwinden, bevor ich schließlich an die Küste kam, die ich mir als Tagesziel ausgesucht hatte.
When night falls
Hotels gab es nicht, nur Privatunterkünfte. Meine Tages-Vermieterin hatte mir am Nachmittag eine SMS geschrieben, dass in Melbystrand im Umkreis von 10 Kilometern kein Restaurant geöffnet hätte. Ich versorgte mich unterwegs also mit dem Nötigsten, um ohne Hunger- und Durstanfälle die Nacht zu überstehen.
Wieder so ein Gegen-den-Wind-Radeln-Tag. Damit eigentlich wie geschaffen für frühe schlechte Laune. Hatte ich aber nicht. Ich fuhr gen Süden. Und das änderte vieles, eigentlich alles. Ich wunderte mich selbst darüber, wie dieser kleine Umstand, Licht wieder von vorne zu haben und nicht ständig im Nacken, die Stimmung beeinflusst. Ich war lebensfroh. Summte vor mich hin. Auch als die Sonne längst schon wieder hinter Wolkenbergen verschwunden war. Ich bin Südländler! Es fällt mir schwer zu verstehen, warum die Dänen als eines der glücklichsten Völker der Welt gelten (laut World Happines Index). Ich weiß nicht, wo Dänen sich aufhalten, in ihrem Land jedenfalls nicht. Ich traf in den Straßen keinen, ich saß oft allein in Restaurants und nach Bars zum Abhängen suchte ich meist vergeblich. In der Woche, die ich jetzt durchs Land reiste, habe ich kaum ein Wort gesprochen. Mit wem denn auch? Aber vielleicht gab es doch Dänen in Dänemark, und sie saßen alle hinter ihren schönen Legofassaden und freuten sich des Lebens? Hygge als eingemauertes Glück?
Mein Tagesglück währte nur kurz. Der Wind wurde zum Sturm und zerbeulte mir das Gesicht. Nach 40 Kilometern hatte ich Lust, vom Fahrrad abzusteigen, in Frederikshavn die große Fähre zu nehmen und nach Schweden überzusetzen.
Shark
Ich hatte Mühe, mich selbst von der Idee abzubringen, meinen Reiseweg abzukürzen. Ich wollte ja noch Kopenhagen sehen. Also hielt ich durch.
Kurz wurde ich mit ein wenig Sonne belohnt. Mit schmucken menschenleeren Dörfern.
Provinz 1
Provinz 2
Mit Butzenscheiben-Romantik.
Putzig
Dann wieder Tagesgrau und böiger Südwestwind. Ich mühte mich, mein Zwischenziel Aalborg zu erreichen. Entkräftet, mit brennenden Knien und heißer Stirn, kam ich in der Stadt am Limfjord an. Die Nacht war bereits in die Straßen gekrochen. Und ich erlebte eine Überraschung: Dänen! Überall Dänen. Junge Dänen. Welch herrliche Stadt. Die Straßen voll, eine Kneipe nach der andern. Grandiose Weinbars. In einer konnte ich sogar ein wenig plaudern. Die Bartenderin erzählte mir, wie sie gestern vom Sturm vom Rad geweht worden war. Zack war sie auf der Straße gelegen. Nur ein paar Kratzer am Knie. Glimpflich. Wir redeten viel über Wind und noch mehr über Wein.
Unterkunft: Hotel Phönix, Stadtmitte. Traditionshaus im alten Backsteingebäude. Innen sehr nostalgisch und liebevoll ausgestattet. Sehr zuvorkommendes Personal. Absolut eine Empfehlung. (90 Euro (mit Frühstück).)
Schnell erzählter Tag: Schon als ich losfuhr, stürmte es. Erst gegen mich, dann von der Seite. Bald regnete es auch noch. Und es war klar: Der Tag hatte einen dauerhaften Grauschleier
Unterwegs ein paar Vergangenheits-Reminiszensen
Wikinger zu Holzsäulen erstarrt
Ein wenig Neuzeitliches.
Windmonumente
Dann eine wacklige 10 Minuten-Überfahrt über den Thyborøn-Kanal.
Funktional
Entlang einem (bei schönem Wetter sicher) interessanten Naturschutzgebiet geradelt. Wiederholt gegen den Wind geflucht.
Salzwiesenkühe
Auf einer leichten Anhöhe erahnt, wie aufregend die Dünenlandschaft an der Küste war. (Hab aber kaum etwas davon gesehen. Zu regnerisch und grau.)
Und schließlich meinem Gefährten gedankt, dass er mich sicher durch all diese Unbill gelotst hat. Entkräftet kurz vor Sonnenuntergang angekommen.
I like you
Klitmøller, eine Surfer-Hochburg, wie ausgestorben. Gottseidank hatte wenigstens eine Pizzeria auf.
Unterkunft: Guesthouse Klitmøller. Neuer Komplex. Zimmer mit Gemeinschaftsbad und -klo. War aber kein Problem, ich schien alleine zu sein. Die Rezeption war schon längst nicht mehr besetzt. Ein dicker Zettel an der Eingangstür leitete mich zu meinem Zimmer. 80 Euro (ohne Frühstück).
Hammerharter Tag. Ich fuhr auf Texel gegen den ersten heftigen Herbststurm, pflügte mit der Fähre durchs aufgewühlte Meer zurück aufs Festland, ließ den Wind drehen und wehte mit Rückenwind durch Sonne, Schatten und Regen soweit die Reifen trugen: Sie trugen mich 170 Kilometer weit bis nach Groningen.