Meer Europa

Schlagwort Archiv: Fjord

Tag 318 (17.07.2019) / Norwegen: Vevelstad -> Bogen

Strecke: 102 km mit dem Fahrrad. 

Dazu 2 Fähren. (09:30- 18:45 Uhr)

Manchmal wurde es richtig flach. Die Berge zogen sich ins Hinterland zurück. Weiße Schneehauben waren seit ein paar Tagen (seit wann eigentlich genau?) verschwunden.

Sommerfarben

Jetzt dominierten die Bauernhäuser. Fischerkaten wurden seltener.

Aber der Sommer gleicht hier eher dem mitteleuropäischen Frühling

Nicht mehr jedes Haus war rotbraun oder gelb. Manche im aristokratischen Weiß.

Unbefleckt

Mit schöner Schreinerkunst.

Keusch

Aber die Berge kamen zurück. Forderten mich wieder heraus.

Runter macht es mehr Spaß

Ich machte häufiger Rast.

Warmer Rastplatz. Die Sonne wärmte mich und den Stein

Der Wald wuchs in das Meer hinein. Von oben wirkten die Fjorde jetzt wie aufgeraute Waldseen.

Ich warte immer noch auf den ersten Indianer

Nach etwa 100 Kilometern hatte ich Glück. Ich spechtete in einem Dreiseelendorf ein “Feriehus”, das sogar noch ein Zimmer frei hatte. Das teuerste natürlich. Ein riesiges Apartment mit Einbauküche. Ich hatte vorgesorgt. Ich hatte genügend Wein, Brot, Käse und Dosentunfisch (in Öl und peperoni-scharf) dabei. Ich wurde satt. Und durstig blieb ich auch nicht.

Tag 317 (16.07.2019) / Norwegen: Nesna -> Vevelstad

Strecke: 73 km mit dem Fahrrad. 

Dazu 2 Fähren mit ca. 24 Kilometern. (10:15- 19:45 Uhr)

Nach dem gestrigen Tag, der mich fast völlig ausgelaugt hatte, ging ich es heute etwas gemütlicher an. Spät erst brach ich auf. Der Tag lud eh zum Bummeln ein. Die Sicht war grau, diesig. Es war kalt. Meine Unterkunft war eine Katzensprung vom Fährhafen in Nesna entfernt. Die Überfahrt nach Levang ging schnell. Der dortige Anlegestelle – wie so häufig – im Niemandsland. Ein Verladesteg. Eine Schlange von wartenden Autos und Caravans. Ein, zwei Häuser. Sonst nichts.

Frösteliger Empfang

Unterwegs: immer wieder ein paar Siedlungen an den Fjordufern. Ich weiß nicht, ob man bei der Ansammlung einiger Häuser von einem Dorf sprechen kann. Es gab keine Mitte, kein Marktplatz, keine Kirche mit Kirchplatz. Die Häuser standen eher neben einander. Anwohner waren so gut wie nie auf der Straße. Auf dem Wasser manchmal ein paar Fischer oder Angler. Aber ansonsten: Landschaft und Meer ohne Menschen.

Freundlicher Anblick

Die Küste: ein Gewirr aus Inselchen und Inseln.

Sanfte Stein-Inselchen

Über Land fahren hieß oft: über Brücken fahren. Manche waren spektakulär konstruiert. Eine – die Helgelandbrücke – führte scheinbar aufs Meer, nutzte eine Landzunge im seichten Ozean, um sanft auszulaufen.

Auf Grund gelaufen

Auf der zweiten Fähre sah ich zufällig einen Prospekt, der die Ferien-Unterkünfte der Gegend aufreihte. Ein Gästehaus in der Nähe der schönen Kirche in Vevelstad hatte noch ein Zimmer frei.

Ernst und heiter zugleich

Das Haus entpuppte sich als Wunderkiste. Liebevoll im alten Stil eingerichtet. Eine Herberge mit 5 Zimmern.

Gute Alte Zeiten - hier stimmt's mal

Die Wirtin kochte selbst – aber nur auf Vorbestellung. Da ich spontan geklingelt hatte, bekam ich nicht das Menü ab. Die Wirtin kramte aus dem Gefrierschrank dafür einen exzellenten Bacalao-Eintopf hervor, kochte ihn vorsichtig auf, würzte und schärfte ihn noch etwas.

Selten einen so schmackhaften (getrockneten und gesalzenen) Kabeljau gegessen. Mit Kartoffeln und Zwiebeln. Portugiesische Klippfischküche im hohen Norden.

Überhaupt die Wirtin: Sie schaute einen listig an, war schlagfertig, juxte viel und war stolz auf ihre Unterkunft. Erklärte gerne die vielen Details der sorgfältig ausgewählten Einrichtung. Fast alles Erinnerungsstücke. Aber nichts, rein gar nichts war muffig. Alles strahlte heiter. So wie die Wirtin. Es schmeichelte ihr, wenn man ihre Kochkünste lobte. Dann seufzte sie tief und zufrieden.

Im kleinen Speisesaal nur Deutsche: ein Männerpaar aus München und ein Blogger (hab vergessen woher), der neue Wanderwege suchte.

Wir zogen uns nach dem Essen gemeinsam ins “Entrée” genannte Herrenzimmer zurück. Berauschten uns an dem, was wir alles schon in Norwegen gesehen hatten.

Tag 312 (11.07.2019) / Norwegen: Gratangen -> Tysfjord

Strecke: 126 km  (09:30 – 21:45 Uhr)

Kurzer Aufwachblick aus dem Fenster: Der Fjord war noch da.

Schönes Aufwachen

Nach dem Frühstück ging ich zur Küche. Ich wollte mich vom Koch verabschieden, mit dem ich mich gestern bis spät in die Nacht verquasselt hatte, und mich für seine Gastfreundschaft bedanken. Er kam mir zuvor, drückte mir lange die Hand und sagte, ich hätte ihm gestern viel positive Energie gegeben. Es sei an ihm zu danken.

Ich war perplex und fuhr demütig in den neuen Tag hinein.

Er begann mit Zauberbildern.

Verweile!

Ich jagte die noch fast autofreie Straße runter zum Fjord.

Zieh weiter!

Querte danach Täler, Brücken …

Hüpf rüber!

… übte den Vogelblick,

Bleib doch!

… erreichte gegen Mittag die (unansehnliche) Stadt Narvik. Orientierte mich.

Stärkte mich mit einem Beef-Wrap und einem kühlen Blonden.

Und hoppte bald per Brückenhub auf die nächste Halb-Insel.

Auch hier zeigte mir die Vogelperspektive, welch irrsinnig schöne, zerklüftete Welten die Eiszeitgletscher auf ihrem Rückzug nach Norden hinterlassen hatten. Wahre Erdkünstler.

Wie oft hab' ich schon 'Traumland' geschrieben?

Plötzlich tauchten am Wegrand drei junge Wanderinnen auf.

Darauf muss man erstmal kommen

Ich hatte auf meiner Skandinavien-Umrundung schon ziemlich viel gesehen:

  • Einen Italiener mit roten Rastalocken, der mit dem Rennrad von Rom ans Nordkapp unterwegs war. (Er behauptete, jeden Tag 200 Kilometer zu fahren. Er hatte fast kein Gepäck dabei und schlief meist im Wald. Mir war rätselhaft, von was er sich ernährte, woher er das Trinkwasser besorgte.)
  • Ein Paar, das auf Tretrollern über die Straßen huschte, das schwere Gepäck auf den Rücken geschnallt.
  • Eine Ehepaar, das mit überdachten Fahrrad-Anhängern ihre beiden laut jammernden Bälge durch die Landschaft nach Norden zog.

Aber drei junge Frauen mit Lastenhund?

Wir grüßten uns fröhlich. Hallo, woher kommst Du, wohin geht Ihr? Der aufrichtig freundliche und froh stimmende Wanderer-Small Talk. Und tschüss. Ich wünsch Dir viel Glück. Passt auf Euch auf.

Ich musste wenig später Berge überwinden, um an mein Ziel zu kommen.

Ist das norwegisches Biedermeier?

Kurz vor 9 erreichte ich schließlich den Fährhafen Skarberget. Dort endete die Hauptstraße (E6) Richtung Süden. Autos mussten über das Meer geschafft werden (so spät waren nur noch wenige unterwegs). Fußgänger und Fahrradfahrer (ich war der einzige) durften umsonst die halbstündige Überfahrt genießen.

Am Horizont glitzerte, wie eine mattkühl angestrahlte Wand, die Traumlandschaft der Lofoten. Auf dieser Reise würde ich sie nicht näher sehen.

Kurz vor 22 Uhr kam ich an dem mittags bereits vorgebuchten Hotel an. Das Restaurant war schon lange geschlossen, die Bar aber noch offen.

Tag 311 (10.07.2019) / Norwegen: Finnsnes -> Gratangen

Strecke: 113 km  (09:00 – 20:00 Uhr)

Fast den ganzen Tag über hatte ich das Gefühl, die Alpen zu queren und nicht an der Fjord-Küste des Nordmeeres entlang zu fahren.

Stell Dir vor, es wär' die Schweiz

Auch wenn ich mich jetzt schon einige Hundert Kilometer südlich des Nordkaps befand, trugen die Berge immer noch weiße Kappen. Der Schnee schmolz in der Juli-Sonne aber spektakulär ab. Wasser schoss an fast allen Berghängen mit ohrenbetäubendem Rauschen in die Tiefe.

Aber das Licht ist anders
Intensiver, transparenter, durchsichtiger

Die vielen Aufstiege hatten mich müde gemacht und (Radfahrergesetz!) der schweißtreibendste kam zum Schluss. Von 0 auf 450 Meter. Es war bereits 18 Uhr und es lagen noch gut 20 Kilometer vor mir.

Schmelzwasser in Schmelzlicht

Die einzige Unterkunft, die ich über mein Reiseportal auf der Strecke gefunden hatte, war kurz nach dem Passgipfel. Schloss aber schon um 19 Uhr. Das war unmöglich zu schaffen.

Ich rief an und man versicherte mir, bis 20 Uhr auf mich zu warten. 

Schlag 20 Uhr stand ich ausgepowert vor dem Hotel und staunte über den überwältigenden Blick runter auf den silbrig-schlummernden Gratangen-Fjord.

Norwegisches Licht ist anders, definitiv

Ein freundlicher Herr empfing mich. Offensichtlich der Koch, der auch gleich die Rezeption des ziemlich leeren Hotels mit versorgte. Ich fragte ihn, ob denn das Restaurant noch geöffnet habe. Er zeigte mir das Schild über dem Speisesaal:  “Ab 20 Uhr geschlossen“. Er lachte und sagte, dass er mir gerne noch ein kleines Menü zubereiten werde, speziell nur für mich.

Das war – wie sich später (nach dem Schnellduschen) herausstellte – ein wenig geflunkert. Denn nach mir kam noch ein (taubstummes) Paar, das ebenfalls das Spezialmenü serviert bekam. 

Vorspeise: Pulled Rentier auf Brot. Hauptspeise: Gebratener heimischer Lachs. Nachspeise: Mascarpone-Creme. Köstlich.

Zwischen den Gängen hatte der Koch Zeit, ein wenig zu plaudern. Erzählte, dass das Hotel eigentlich ein Winterhotel sei und jetzt probeweise zum ersten Mal im Sommer geöffnet habe.

Der Koch stammte aus Indien und war vor 3 Jahren nach Norwegen gekommen. Ich fragte ihn, ob er sich hier oben nicht langweile? Es sei doch ziemlich einsam hier?

Er verneinte, sagte, dass er sowieso die Städte meiden würde – zu gefährlich! Ich hakte nach – wieso gefährlich? Doch nicht in Norwegen?

Der Koch deutete mit dem Zeigefinger der rechten Hand auf seinen linken Oberarm: Schau, ich hab’ braune Haut. Deswegen ist es gefährlich. Ich wollte wissen, ob er denn Rassismus spüre, das könne ich mir hier in Norwegen nicht recht vorstellen. Wieder verneinte er – nein, darum gehe es nicht. Und er erzählte eine für mich merkwürdig klingende Geschichte. Einmal hatte er in Schweden (nicht weit weg!) auf winterglatter Straße einen kleinen, nicht schweren Unfall. Konnte aber nicht weiterfahren. Die einzige Unterkunft weit und breit war mit einer Gruppe von Asylbewerbern belegt, die ihn die Nacht über beherbergten. Irgendwann bemerkte er, dass die Männer sich gemeinsam begeistert Dschihad-Filme anschauten. Ein Pakistani sprach ihn an, ob er sich denn nicht auch für den Dschihad interessiere? Er bekam Angst und machte sich am nächsten Tag schnell davon. Er meinte, dass er offensichtlich aufgrund seiner Hautfarbe als „Gleichgesinnter“ vereinnahmt worden war und untermauerte seine These mit einer zweiten Geschichte: Auf der Rückreise von einem Heimaturlaub in Indien war er auf dem Osloer Flughafen gelandet. Bei der Einreise nahm ihn ein Offizieller (der offensichtlich arabischstämmig war) zur Seite und machte Andeutungen, ob er, der Koch, sich nicht für den Dschihad begeistere? Er könnte ihm helfen, eine gute Arbeit zu bekommen. Der Koch meinte, er wisse nicht, ob er getestet worden sei oder vielleicht doch angeworben werden sollte. Jedenfalls, je weiter weg von solchen Leuten, um so besser. Er fühle sich in den Bergen sehr wohl.

Auf mich wirkte er ein wenig traumatisiert. 

Wir quasselten noch weiter, auch als das taubstumme Paar schon längst in sein Zimmer gegangen war und ich der einzige Gast in dem großen Restaurantsaal war.

Ich fragte den Koch, welches Ziel er denn jetzt für sein Leben hier in Norwegen habe?

Er sagte: Ich will mich nach oben kochen.

Tag 310 (09.07.2019) / Norwegen: Tromsø -> Finnsnes

Strecke: 100 km  (09:15 – 20:00 Uhr)

Straßen enden am Meer. Banal. Ohne Brücken und

Fähren kommt man aber auch als Fahrradfahrer nicht voran. Mir war nicht bewusst gewesen, dass Norwegen ein Inselreich ist.

Eine Küstenstraße, die von Nord nach Süd führt, existierte praktisch nicht. Ständig hoppt man von einem Eiland zum nächsten und wieder aufs Festland zurück.

Am Ende wusste ich überhaupt nicht mehr, wo genau ich mich gerade befand. Grundrichtung jedenfalls “southbound”!

Und im Norden gab jetzt der Sommer sein Gastspiel. Zweiter strahlender Sonnentage in Folge!

Weiß ist doch eine Farbe

Um jede Ecke das norwegische Foto-Grundmotiv: rote Fischerhütte vor blauem Meer.

Sogar kleine Sandstrände. Sie malten mit Hilfe der (schwachen) Sonne das Motiv karibisch aus.

Beruhigend

Nur selten verliefen die Straßen gerade, ebenerdig. Meist war es ein wüstes Gekurve, samt Auf- und Abgestrampel.

I like it

Die Berge im Hintergrund lassen es ahnen.

Die Dörfer, die ich auf Fjordhöhe passierte: natürlich Fischerdörfer. Es schien, als habe jedes Haus seinen eigenen kleinen Hafen.

Zugleich Straßen- und Meerdorf

Gegen 15 Uhr legte ich zur zweitgrößten Insel Norwegens ab – Senja.

Wer bringt hier eigentlich den Rum vorbei?

Sie hat wohl die schönsten und coolsten Sandstrände der Gegend. Davon sah ich aber wenig. Sie befanden sich auf der Westseite, am offenen Meer. Ich aber fuhr die Ostseite ab. Diese war schön, aber nicht aufregend. Ich hatte gut zu arbeiten, um die Tagesstrecke zu packen.

Ziemlich genau um 20 Uhr erreichte ich wieder (diesmal über eine Brücke) bei Finnsnes das Festland. Ich hatte einige Stunden zuvor über ein Buchungsportal ein Hotelzimmer reserviert. Wie so häufig ein Gasthaus ohne Rezeption, ohne Personal. Über einen Code, der einem per sms zugeschickt wird, bekommt man Zugang.

Ein Sesam-Öffne-Dich-Code schließt dir auch deine Zimmertür auf. Du bist für Dich – aber will ich das?

Tag 287 (16.06.2019) / Finnland: Helsinki -> Tammisaari

Strecke: 117 km (08:15 – 20:00 Uhr)

 

Der Tag begann sonnig (wie lange schon strahlte der Erdstern vom Himmel?).

Es ging auf Mittsommer zu und um 8 Uhr morgens hatte ich das Gefühl, die Sonne stand schon hoch und verausgabte sich bereits seit Stunden. Doch warf sie lange Schatten. Wie geht das?

(Ich gebe zu, ich bin ein Skandinavien-Milchbart – also mit dem europäischen Norden gänzlich unerfahren.)

Wie lange hält sich hier das suppige Morgenlicht? Was überhaupt ist schon der Morgen? Wann beginnt er? In der Nacht?

Eingeblaut

Sag keiner: “Die Finnen reden nichts”. Kaum war ich aus Helsinki raus und hatte Kurs auf die Südwestküste genommen, schon gesellte sich ein älterer Radfahrer zu mir. Fragte, wohin ich wolle und bot sich an, mir aus dem verwirrenden Labyrinth sich kreuzender Radstrecken den Ausweg zu zeigen. Wir unterhielten uns gut. Und als ich ihm meine Strecke zum Nordkap beschrieb (erstmal Westküste, entlang der Ostsee!) sagte er bitterernst: “langweilig!” Er habe das selbst mal gemacht, sei aber wieder umgedreht. Schön sei Finnland nur im Landesinneren. Da sei es ruhig, leer, einsam. Kurz darauf verließ er mich und radelte nach Hause.

Ich war ihm blind gefolgt und ganz woanders gelandet als ich wollte. Umständlich fand ich zu meiner Ursprungsroute zurück. (Ich sollte mich noch ein zweites Mal ziemlich heftig verfahren.)

Unterwegs gab es tatsächlich nicht viel zu sehen: mal ein paar selbst gestrickte Wollsachen in/an einem netten Biocafé.

Bestrumpft

Mal wildbuntes Gewucher am Straßenrand. Mein erster Fahr-Eindruck: Anstrengender als ich gedacht hatte. Sehr wellig. Nie geht es wirklich hoch, aber doch immer rauf und runter. Häufig fuhr ich in den unteren 3 Gängen. Es ging auf die Knochen.

Geleert

Spät abends schließlich mein Ziel erreicht: Tammisaari. Mittelgroßer Ort an einem Ostseefjord.

Um 22 Uhr krachte die Sonne noch so richtig ins Wasser.

Stairways to the horizon

Aber ganz langsam kühlte dann das Licht ins Blau ab.

Nightfall 1

Gegen 23 Uhr sank die Sonne schließlich (ohne rot zu werden) unter den Horizont. Schminkte kurz vorher die Küste noch ein wenig ab.

Nightfall 2

Trug den Holzhäusern im Zentrum die pastellene Abendmaske auf.

Nightfall 3
Nightfall 4

Und ließ sich schließlich – direkt vor meinem Hotel – von einer Stehlampe einfangen. Schlafnest für die Nacht.

Nightfall 5

Tag 278 (29.9.2018)/ Dänemark: Skagen -> Aalborg

Strecke: 107 km (09:30 – 19:30 Uhr)

Wieder so ein Gegen-den-Wind-Radeln-Tag. Damit eigentlich wie geschaffen für frühe schlechte Laune. Hatte ich aber nicht. Ich fuhr gen Süden. Und das änderte vieles, eigentlich alles.
Ich wunderte mich selbst darüber, wie dieser kleine Umstand, Licht wieder von vorne zu haben und nicht ständig im Nacken, die Stimmung beeinflusst. Ich war lebensfroh. Summte vor mich hin. Auch als die Sonne längst schon wieder hinter Wolkenbergen verschwunden war. Ich bin Südländler!
Es fällt mir schwer zu verstehen, warum die Dänen als eines der glücklichsten Völker der Welt gelten (laut World Happines Index).
Ich weiß nicht, wo Dänen sich aufhalten, in ihrem Land jedenfalls nicht. Ich traf in den Straßen keinen, ich saß oft allein in Restaurants und nach Bars zum Abhängen suchte ich meist vergeblich. In der Woche, die ich jetzt durchs Land reiste, habe ich kaum ein Wort gesprochen. Mit wem denn auch? Aber vielleicht gab es doch Dänen in Dänemark, und sie saßen alle hinter ihren schönen Legofassaden und freuten sich des Lebens? Hygge als eingemauertes Glück?

Mein Tagesglück währte nur kurz. Der Wind wurde zum Sturm und zerbeulte mir das Gesicht.
Nach 40 Kilometern hatte ich Lust, vom Fahrrad abzusteigen, in Frederikshavn die große Fähre zu nehmen und nach Schweden überzusetzen.

Shark

Ich hatte Mühe, mich selbst von der Idee abzubringen, meinen Reiseweg abzukürzen.
Ich wollte ja noch Kopenhagen sehen. Also hielt ich durch.

Kurz wurde ich mit ein wenig Sonne belohnt.
Mit schmucken menschenleeren Dörfern.

Provinz 1
Provinz 2

Mit Butzenscheiben-Romantik.

Putzig

Dann wieder Tagesgrau und böiger Südwestwind.
Ich mühte mich, mein Zwischenziel Aalborg zu erreichen.
Entkräftet, mit brennenden Knien und heißer Stirn, kam ich in der Stadt am Limfjord an. Die Nacht war bereits in die Straßen gekrochen. Und ich erlebte eine Überraschung: Dänen! Überall Dänen. Junge Dänen.
Welch herrliche Stadt. Die Straßen voll, eine Kneipe nach der andern. Grandiose Weinbars. In einer konnte ich sogar ein wenig plaudern. Die Bartenderin erzählte mir, wie sie gestern vom Sturm vom Rad geweht worden war. Zack war sie auf der Straße gelegen. Nur ein paar Kratzer am Knie. Glimpflich. Wir redeten viel über Wind und noch mehr über Wein.

Unterkunft: Hotel Phönix, Stadtmitte. Traditionshaus im alten Backsteingebäude. Innen sehr nostalgisch und liebevoll ausgestattet. Sehr zuvorkommendes Personal. Absolut eine Empfehlung. (90 Euro (mit Frühstück).)

Tag 274 (25.9.2018)/ Dänemark: Ribe -> Ringkøbing

Strecke: 139 km (09:15 – 19:30 Uhr)

Ribe am Morgen – genau so entleert wie gestern bei Regen. Trotz Frühsonne.
Merkwürdiges Dänemark. Wo trifft man eigentlich Dänen, wenn nicht auf der Straße?
Vorm Dom eine Statue des Missionar Ansgar, der so etwa um 850 die Wikinger zum christlichen Glauben überredete.

Wikingerflüsterer

Ich nahm Richtung aufs Meer. Unterwegs kleine Seen, Teiche, Tümpel. Mir fehlt der exakte Wortschatz für das, was ich im Norden antreffe.
Haff, Fjord, Sund… Deich, Damm …was stimmt?
(Ich bin Südländer – ich merk es immer mehr.)

Jedenfalls … attraktiv war das Flache durch das Nasse.

Against the sun

Wo kommt eigentlich hier das ganze (Süß)Wasser her?
Ausm Boden?
(Oh Mann, ich weiß gar nichts.)

MitderSonne

Nach der x-ten mäandernden Dorfstraße die Küste erreicht.

Hinführend

Deich hoch – und runter geguckt.
Wattenmeer: seicht.
(Füllte sich das Meer oder wich es? Sack Zement! – wer hilft mir bei diesen existientiellen Wissenslücken (Google bestimmt nicht.)

Zielführend

Saftig die Herbstwiesen.

Ins Gebüsch

Und mittendrin ein weiteres Rätsel:

Bürstenrätsel 1

Was sollten diese überriesigen Bürsten im Gras?

Bürstenrätsel 2

Vielleicht könnte mir ein Däne die Antwort geben – aber es war ja keiner da.
Und wenn, nur als stummer steinerner Gast.

Weißes Rätsel 1

Bam, Bam, Bam (frei nach Mozart).

Aber diese steinernen Monumente  gucken mich nicht an, sie gucken zu den Osterinseln, wo sie offenbar Verwandte haben.

Weißes Rätsel 2

Und weiter, immer weiter.
Schöne Küstenfahrradwege. Und so wunderbar angelegt, gepflegt und nebenbei das Meer gebändigt.
Ich schaute mich mehrmals um, ob ich hier überhaupt fahren durfte, ohne das Landschaftsdesign kaputt zu machen.

Zielpunkt 1

Eine akkuratere Küste habe ich noch nicht gesehen.

Zielpunkt 2

Aber wo sind die Dänen?

No point

Die Einheimischen?

Hier übrigens endet das Wattenmeer. In Ho Bugt. Warum – hat mir mein Reiseführer nicht erklärt.

Gestreiftes Rätsel

Nach Ho Bugt motte ich meinen Fotoapparat ein. Es stürmt mir ins Gesicht (unverschämt!), es trübte sich ein (Frechheit), es versaute und versuppte mir fast den Tag, bis – kurz vor Sonnenuntergang – sich ein Durchgang, ein Blick ins Paradies öffnete. Und prompt packte ich meine Spiegelreflex wieder aus.

Yeah!

Oh Mann! Und es gab null- ich wiederhole – nicht eine einzige freie Unterkunft hier. Ich wär so gern geblieben.

Sandiger als das Paradies

In dieser fantastischen Dünenwelt.

Zwei Augen Prinzip

Aber ich musste weiter, immer weiter – gegen Sturm, Wind und Böe (wer erklärt mir die Abstufungen?), …

Tschüss

… bis ich mein Unterkunftsziel erreichte: am Stadtrand von Ringkøbing.

Unterkunft: Ein Apartment, dessen Verwalter mir telefonisch beschrieb, wie ich hinfinden würde. Der Schlüssel steckte außen in der Tür. Es war bereits dunkel, als ich aufschloss.

Tag 123 (13.04.2016) / Italien: Lecce -> Marina di Leuca

Strecke: 97 km. (09:30 – 18:30)

Schon am frühen Morgen durch Blütenmeere geradelt.

Rot grundiert
Impressionistisch unscharf

Die Straße gehörte nur mir, kaum Verkehr.

Straße nur für mich

Nach etwas mehr als 2 Stunden, hinter Otranto die Küste wieder erreicht.
Die schönste, die ich bisher in Italien befahren habe.

Grün gesäumt
Green green green

Selten mal ein Gehöft.

Muss schön sein hier zu wohnen

Wenige Ortschaften – und dann meist winzig in noch winzigeren Buchten. Wie Porto Badisco.
Ein kleiner Fjord. Eine Handvoll Häuser. Zwei drei Trattorien.

Wo all die Einheimischen herkamen?

In diesem Gartenrestaurant gab es nur einen einzigen Menü-Punkt:
Seeigel.

Köstlichkeiten

Eimerweise präparierten die Fischer ihre Tagesernte.

Frisch auf den Tisch

Mit riesigen Zangen knackten sie die Seeigelgehäuse.

Der Seeigel-Meister

Paradies-Küste!

Fast schon irisch, aber tief im europäischen Süden!
Irlandgrün
Irlandrosa
Wehrhaft

Nach der Hälfte der Strecke wuchsen die Orte zu kleinen Städtchen.

Palmenhafen

Unverkennbar der orientalische Einfluß in Castro Marina.

Orient

Manche Straßen waren bunter als eine Wasserfarbenpalette.

Bello

Ich konnte mich zwischen den beiden Fotos nicht entscheiden. Also lass ich sie beide posieren.

Auch bello

Zum Schluss wurde es nochmal steil. Als ich schon keine Lust hatte weiter zu strampeln.

Blick zurück

Aber das salentinische Ende der Welt war nah. Ich hatte bald mit “Santa Marina di Leuca” den Absatz Italiens erreicht. Mit anderen Worten: Ich war am äußersten Punkt der Halbinsel Salento angekommen.

Ende der Welt

Traumhafter Tag!

Unterkunft in Leuca: “Hotel Terminal”. Am Meer. Obwohl ein Touristenblock, sehr nett. Empfang äußerst freundlich. Gab mir, warum auch immer, ein Upgrade. Großes Zimmer mit Meerblick. (41 Euro mit Frühstück.) Fahrrad in Hinterhof untergebracht.

Tag 44 (30.03.2015) / Kroatien: Neum -> Dubrovnik

Strecke: 54 km (08:30- 15:45)

Grau, wolkenverhangen und windig der Tag. Der März ist in Kroatien das, was der April in Deutschland ist. Ein launischer Monat.

Schnell Bosnien verlassen. Pass vorgezeigt, durchgewunken und wieder in Kroatien. Ob Bosnien und Kroatien viel oder wenig verbindet, ob Kriegswunden überwunden sind: Ich habe es in dieser kurzen Zeit nicht erfragt. Die Grenze jedenfalls nichts wirklich Trennendes.

Die Strecke jetzt weitgehend Menschen- und Dörfer-leer. Und wenn Bergnester, dann waren sie verlassen, die wenigen Häuser verfallen.

In einem kleinen Fjord sah ich Boote, die einen ähnlichen Höllen-Lärm machten wie illegale Goldschürfer-Boote im Amazonas-Gebiet. Diesel-Generatoren pumpten laut ratternd Schlammwasser an Deck. Aber hier wurden keine Nuggets ausgewaschen, sondern Muscheln.
Drecksarbeit!

Wie Goldgräber
Muschelgold
Drecksarbeit

Je mehr ich mich Dubrovnik näherte, umso schöner die Küste. Das Einzige, was nervte: Der Verkehr schwoll an. Und kroatische Bus- und Lastwagenfahrer nehmen kaum Rücksicht auf Fahrradfahrer.

Goldküste

Über Internet hatte ich mir bereits eine Privat-Unterkunft besorgt. Was ich nicht wusste: Dubrovnik ist eine Treppen-Stadt. Ich konnte gar nicht bis zur Haustür vorfahren. Musste weit vorher absatteln, dann Gepäck und Fahrrad Treppen rauf Treppen runter bis vor die Wohnung wuchten. War anstrengender als einen Berg hoch zu strampeln.

Unterkunft: “Apartments Minerva” in Dubrovnik. Sehr schön in der Altstadt gelegen. Großzügiges Zimmer mit Wohnbereich, extra Schlafzimmer und schönem Bad. (44 Euro ohne Frühstück.) Außerordentlich sympathische Besitzerin. Fahrrad im Eingangsbereich untergebracht.