Meer Europa

Schlagwort Archiv: Fluss

Tag 302 (01.07.2019) / Finnland: Sodankylä -> Inari (Teil 2)

Ziemlich genau um Mitternacht fuhr ich an Saariselkä, einem bekannten Wintersportort, vorbei. Checkte per Handy, ob es irgendwo noch eine offene Kneipe geben könnte. Volltreffer. Und landete schließlich in einer riesigen Holzhüttenbar, ganz offensichtlich für den Après-Ski oder den Après-Husky-Lauf konfektioniert. Jedenfalls keine Sommerbar und entsprechend leer: ein paar Jugendliche, die sich betranken oder ihr Geld an den Spielautomaten vernichteten.

Townhall

Ich wärmte mich auf, leerte zwei kalte Biere und machte mich nach dem Rausschmiss aller Gäste um 2 Uhr morgens wieder auf den Weg.

Mein Schatten irritierte mich. Vor 2 Stunden war er noch rechts von mir, jetzt auf einmal links. Bis mir klar wurde, dass die Sonne, obwohl sie eigentlich nicht wirklich untergegangen war, von West auf Ost umgestellt hatte. Aber wie funktionierte das? Wie konnte sie einfach vom Westhorizont zum Osthorizont hüpfen? Innerhalb weniger Minuten? Wieso hatte ich auf meiner Fahrt durch die nordfinnischen Berge nicht besser aufgepasst?

Schönes milchiges Morgenlicht (schon um 3 Uhr in der Früh!!!).

Himmel unten wie oben

Weit vor mir liefen einige Rentiere auf der Straße. Ließen sich aber nicht fotografieren (obwohl sie eigentlich überhaupt nicht scheu sind).

Es dampfte und rauchte in den noch ziemlich klammen Flüssen.

Steine treiben Wasser an

Ich zog dicke Strümpfe an, auch mein Handy signalisierte mir, dass die Außentemperatur bei etwa 5 Grad lag.

Gras beruhigt Wasser

Nur langsam, langsam wärmte sich das Licht (und ich auch).

Gegen 5 Uhr morgens wurde ich kraftlos. Aber ich wollte unbedingt bis zum Inari-See kommen. Es fehlten noch 30, 40 Kilometer.

Kaum ein Mensch unterwegs. Ich hatte die ganze Morgenwelt für mich.

Verdopplung

Und schleppte mich selbst immer weiter, bis ich kurz nach 9 Uhr endlich in Inari einfuhr. Ein kleiner schmuckloser Weiler am für Samen heiligen Inari-See. Die Ortschaft richtig unansehlich. Gleichwohl: Von hier aus starten viele Touren zu den Inseln auf dem riesigen See oder in die viel angepriesenen Waldtrails. Selbst mit Wasserflugzeugen kommen Touristen hierher. Stranden für ein paar Tage.

Fliegendes Hausboot

So vergebens ich heute Nacht (was ist das?) versucht hatte, ein brauchbares Foto von Rentieren zu schießen, so leicht war es in Inari : Ganze Herden wilderten sich durch die Parks und Grünanlagen.

Leicht schimmelig

Kein Mensch, kein Tier fühlte sich belästigt.

Löchriges Fell
Hat das Morgen-Make-Up noch nicht abgenommen

Ich war viel zu früh in Inari angekommen. Das Hotel, das ich gebucht hatte, führte im Internet 14 Uhr für den Check-In an.

Ich hatte aber jedes Empfinden für Zeit verloren. Nach meiner morgendlichen Radtour hatte ich das Gefühl, als sei es schon später Nachmittag. Ich ging in einen Supermarkt, ließ mir sagen, dass es erst früher Morgen sei, kaufte trotzdem ein Dosenbier (Lapin Kulta!) und suchte mir ein schönes Plätzchen. Stellte mein Fahrrad an den Stromschnellen des Ivalokoki ab, trank und wartete, dass die Zeit verrann.

Abgefahren

P.S. Kurz nach 12 Uhr fragte ich im Hotel nach einem frühen Check-In. No Problem. Ich wollte einfach nur schlafen.

Tag 298 (27.06.2019) / Finnland: Kemi -> Rovaniemi

Strecke: 120 km (08:45 – 19:15 Uhr)

 

Karg.

Da kann man sich nicht verfahren

Aber nicht einsam.

Wettergegerbtes Rot

Immer wieder Bauernhöfe und größere Siedlungen. Alle entlang eines Flusses, der oft gestaut wird.

An manchen Stellen seen-haft schön.

Strahlendfrisches Rot

Immer wieder Wasserkraftwerke. Aber bei diesem erschloss sich mir nicht, was diese Rutsche rauf oder runter sollte.

Abgewetztes Rot

Der Wind blies heftig aus Nordwest. Also mir frontal ins Gesicht. Er erschöpfte mich.

Dabei sah der aufgestaute Fluss so still aus.

Algenblau (gibt's das?)

Ich brauchte lange, um in die Hauptstadt Lapplands zu gelangen.

Blütenzart (wie leicht feuchte Schneeflocken)

Rovaniemi : eine moderne Kleinstadt, 6 Kilometer vor dem Polarkreis. Von hier aus starten die Abenteurer. Abenteuer in dieser Provinz-Stadt gibt es kaum.

Tag 267 (18.9.2018)/ Niederlande: Zoutelande -> Den Haag

Strecke: 124 km (11:15 – 20:15 Uhr)

Drei Dinge habe ich heute über mein Gastland gelernt:
1) Beim Fahrradfahren kann ich träumen. Das Velo-Netz ist so irre gut, dass ich mich weder auf die Straße noch auf Autos konzentrieren muss.
2) Im Einwanderungsland Niederlande sehe ich jetzt schon 200 Kilometer lang nur Weiße: am Strand, in den Straßen, in den hochpreisigen Restaurants. Nicht mal als Servicekraft ein Gesicht, aus dem der Migrationshintergrund lächelt. Offenbar sind all die Indonesier, Surinamer, Türken und Curaçaoer in den großen Städten.
3) Es gibt Rückenwind. Zum ersten Mal auf meiner Europa-Tour.

Der Tag begann mit einem Besuch in einem Fahrradladen. Meine Schaltung zickte, ich wollte sie reparieren lassen. Ging aber nicht. Eine Gruppe deutscher Rentner bevölkerte den Shop und ließ sich ausführlich in Sachen E-Bike beraten.

Draußen lärmte der pittoreske Wochenmarkt, rund um die Kirche von Zoutelande.

Marktkirche

Sogar einen großer Stand mit Fahrradartikeln gab es.

Typischer als Holzpantoffeln

Das Wegenetz: großartig. So gut wie immer mit getrennten Rad-Spuren. Mit Autos kam man nur selten in Kontakt. Mit verbissenen und durchgeknallten Radlern ebenso wenig.

Radlerparadies

Ich hatte viel Zeit, abzutauchen … in die Farben … ins strahlende Meer … in mich.

Dreikäsehoch

Die Dörfer herausgeputzt. Adrett. Fast klinisch sauber. Überfüllt von deutschen Rentnern aus dem Rheinland. Ich hörte mehr rheinischen Dialekt als holländisch.

Drei Seelen hoch

Die Strände wild. Rauschhaft. Heute auch stürmisch.

Geerdet

Jugend immer dort in der Überzahl, wo es Sportmöglichkeiten gab.

Gelüftet
Gewässert

Ich durchfuhr das Holländiche Delta. Die großen Flüsse mündeten hier: Rhein, Maas und Schelde. Ich befuhr die größten Sturmflutwehre der Welt. Gigantische Bauwerke, die das Meer bändigen sollen.

Weltwunder

Ich durchradelte Industrielandschaften, die so proper waren, dass sie fast etwas Idyllisches vorspiegelten.

Geputzt

Gewächshäuser wuchsen aus der Erde (statt Gerste, Weizen und Mais). Wie riesige Kunst-Pavillons für eine Dauerausstellung “Virtuelle Landwirtschaft”. Arbeiter, Bauern sah ich nicht. Vielleicht braucht man sie hier auch nicht.

Künstlich, kunstfertig

Ein imposantes Land.

Sehr spät in Den Haag eingefahren. Es dunkelte bereits.

Unterkunft: Hotel Excelsior. Wie alle Hotels in der Hauptstadt extrem überteuert. Für mein kleines (schönes) Zimmer berappte ich 90 Euro (mit Frühstück). Fahrrad auf der Straße gelassen. “Kein Risiko” sagte der Portier.

Tag 261 (13.04.2018) / Rumänien: Tulcea -> Galati

Strecke: 83 km (10:30 – 18:00 Uhr)

Beim Losfahren blockierte wiedermal mein Hinterrad. Das Schutzblech war auf den Reifen abgesunken und bremste ihn. Ich hatte Mühe, das wieder zu richten. Das Blech ließ sich nicht richtig fixieren. Mit Ach und Krach ging’s dann doch.
Die Strecke Richtung moldawischer Grenze unspektakulär. Nur selten kam ich der Donau spucknah.

Gedoppelt

Die Donau-Ortschaften einfach.

Dorfbild mit Esel


Die drei Damen, die an einem Dorfeingang Honig, Selbsteingemachtes und selbstgebraute Getränke verkauften, ließen sich erst fotografieren, nachdem sie sich hübsch gemacht hatten.
“Zieh dein Kopftuch aus dem Gesicht” – hatte die eine zur andern gerufen. Und alle drei haben gelacht und sich nach dem “Fotoshooting” bekreuzigt.

Die drei Damen von der Schankstelle

Kurz bevor ich die Fähre zur Donauhafenstadt Galati erreichte, passierte es.
Ein Schlag – und wieder blockierte mein Hinterrad.
Jetzt war ich gezwungen, genauer hinschauen.
Der Gepäckträger war gebrochen. Die Aufhängung des Schutzbleches hinten ebenfalls. Das Lichtkabel gerissen.
So war kein Weiterkommen.
(Schon vor 2 Tagen hatte ich das Schutzblech über der Kette verloren und noch ein paar andere Wehwehchen am Rad entdeckt. Offensichtlich war es den Belastungen der Tour nicht mehr gewachsen. Ich musste hoffen, die Etappe noch irgendwie zu Ende bringen zu können.)

Ich hatte dennoch Glück im Unglück, dass das Ganze kurz vor der Fähre passiert war. Ich schob das havarierte Gerät bis zum Fluss. Löste das Ticket und setzte über.

So fern, so nah

Auf der anderen Seite der Donau sattelte ich die Gepäcktaschen ab. Lud alles in die Reisetasche um.

Schulterte das gesamte Gepäck, fixierte den Gepäckträger mit 2 Spannseilen, so dass ich wenigstens fahren konnte, und strampelte die letzten 4 Kilometer bis zu meinem Hotel in Galati.

18 Uhr – alle Geschäfte zu – ich musste hoffen, morgen (Samstag) eine offene Werkstatt zu finden.

Der Blick aus meinem Hotelfenster auf das Donauufer gegenüber entschädigte mich ein wenig.

Am andern Ufer
Am andern Ufer 2

Galati interessant, jung, voll. Ich war aber zu müde, um den Trubel zu genießen.

Unterkunft: Hotel Falezza. Toll am Donauufer gelegen. Grandioser Blick auf das Donautal. Modernisierter Plattenbau. Etwas schwierig die Kommunikation mit der Rezeption (kein Englisch). Fahrrad draußen angekettet. 45 Euro (mit Frühstück).

Tag 248 (31.03.2018) / Griechenland: Soufli -> Swilengrad (Bulgarien)

Strecke: 105 km (09:30 – 17:30 Uhr)

Für den langen Weg, der vor mir lag, kam ich ein wenig spät aus der schönen Unterkunft in Soufli weg.

Prächtig

Ich hatte zwischenzeitlich eine Entscheidung getroffen:
Ich werde meine Etappe nicht mit einem Abstecher in die Türkei fortsetzen. Es wäre eigentlich der direkte Weg zur Schwarzmeerküste gewesen.
Zwei Gründe waren ausschlaggebend:
Erstens: Ich hätte bei der Einreise verschweigen müssen, dass ich Journalist bin. Mein Beruf ist aber ein ehrenwerter Beruf. Nur um mir Ärger mit einem totalitären Erdogan-Regime zu ersparen, wollte ich mich nicht verleugnen.
Zweitens: Genau an der Grenze, die ich auf griechischer Seite gerade entlang fahre, gibt es in den letzten Wochen heftige Spannungen zwischen den (NATO!)-Nachbarländern. Zwei griechische Soldaten, die anscheinend irrtümlich auf türkisches Gebiet geraten waren, wurden verhaftet. Ein deutsches TV-Team, das im Grenzgebiet unterwegs war, wurde von griechischen Sicherheitskräften kurzzeitig festgesetzt. Die Nervosität war spürbar, die griechischen Militär- und Grenzschutz-Patrouillen bereits gestern auf der Route deutlich sichtbar.
Letztendlich ist mir das Risiko, beim Grenzübertritt in Schwierigkeiten zu geraten, zu groß.

Ich fuhr also auf griechischer Seite entlang dem Fluss, der mächtig über die Ufer getreten war …

Fluss mit Untiefen

… und der alles in einem Riesensee verschluckte: Hütten, Felder, Straßen, Strommasten.

Fluss-See

Auf der Höhe des Dörfchens Lavara gesellte sich plötzlich ein Radfahrer zu mir.
Es stellte sich heraus, dass er ein deutscher Rentner war, der seit 10 Jahren hier am Evros seinen Ruhestand verbrachte.
Ich fragte ihn eine wenig aus und er antwortete bereitwillig.
Es sei eine Tragödie, was hier passiere – und Europa schaue leider weg. Immer wieder würden Flüchtlinge im Fluss ertrinken. Erst vor ein paar Wochen etwa 10 Menschen – in einer Nacht!
Der Fluss sei unberechenbar, entwickle starke Wirbel. Boote würden kentern. Nicht mal geübte Schwimmer könnten dem Sog entkommen.
Das Problem sei: Sowohl auf türkischer wie auf griechischer Seite würde viel Geld mit Menschenschmuggel verdient.
Auf Nachfrage betonte er: “Ja, auch auf griechischer Seite! Mein halbes Dorf lebt vom Schmuggel.”
Schon seit Jahrzehnten sei der Evros eine Schmugglergegend. Das Preisgefälle zwischen den Nachbarländern sei enorm, da rentiere es sich, illegal Waren aller Art aus der Türkei nach Griechenland zu schmuggeln. Auch Drogen. Und mittlerweile eben auch Menschen.
Der Rentner redete sich in Rage: Hier würden Menschen verrecken und die Deutschen zu Hause führten Gespensterdebatten über “Heimat”. Mit Zornesröte im Gesicht verabschiedete er sich und strampelte Richtung Berge weiter.

Ich begleitete noch eine Weile den Evros, bog dann (kurz vor dem türkischen Edirne) Richtung Bulgarien ab.

Leicht wellige Gegend, immer wieder mir eingesprengten kleinen Baumwollfeldern.

Zart

“Baum-Wolle”. Schönes deutsches Kombi-Wort. 

Zottelig

Nach 1.250 Kilometern (in knapp 3 Wochen) ging nun die Griechenlandreise zu Ende.

Bulgarien lag vor mir. Die Passformalitäten an der Grenze (kein Schengenraum!) waren schnell erledigt, Swilengrad, das erste bulgarische Städtchen, über eine Stein-Brücke aus dem 16.Jahrhundert schnell erreicht.

Historisch

Dutzende Spiel-Casinos und Hotels prägten die kleine Innenstadt, die gesichtlsos, etwas kalt und noch ziemlich gestrig wirkte.

Unterkunft: Hotel George. Stadtzentrum. Hatte viel ex-sozialistischen Charme. Die Verständigung war reichlich schwierig, klappte aber. 29 Euro (mit Frühstück).

Tag 247 (30.03.2018) / Griechenland: Alexandroupolis -> Soufli

Strecke: 66 km (11:00 – 16:30 Uhr)

Wahnsinnsschmerzen: Als ich aufstehen wollte, ging nichts. Hexenschuss, eingeklemmter Ischias-Nerv? Ich hatte Tränen in den Augen.
Ich verdächtigte das extrem weich-labbrige Hotelbett. Aber egal. Eigentlich wollte ich um 8:30 Uhr losfahren. Brauchte aber eineinhalb Stunden, allein um in die Senkrechte zu kommen. Dann nur unter Höllenqualen meine Sachen gepackt.
Ich war kurz davor, einen Arzt zu rufen.

Irgendwie quälte ich mich zur Rezeption, um zu zahlen, danach mein Fahrrad zu satteln und dann den Versuch zu wagen, weiter zu fahren.

Es tat weh, aber je mehr ich (vorsichtig) fuhr, umso mehr entspannte sich irgendein Muskel, und … es ging (nicht gut, aber erträglich).

Wieder ein milchiger Tag. Schon seit Wochen versaute mir das Wetter (fotografisch) die Bildideen – (aber nicht die Laune).
Schwer, gegen null Kontraste, null Schatten, null Tiefe, null Farben anzufotografieren.
Ich tat’s halt doch.

Das Evros-Delta ziemlich geflutet.

Suchbild: Wo ist der Zipp?

Das Mittelmeer schon seit 1 Stunde nicht mehr zu sehen. Ich hatte vergessen, mich zu verabschieden! I’ll come back.

Mehr oder weniger folgte ich dem Grenzfluss zur Türkei – Evros (griechisch). Außengrenze der EU. Der wasserreiche Fluss auch hier – Dank heftiger Regenfälle – weit über die Ufer geflutet. Wie es trotzdem Flüchtlinge schaffen, hier (mit Hilfe von Schleusern) über die Grenze in die EU zu kommen? Wie viele sterben dabei?

Gesumpft

Wellige, mal bergige Landschaft.

Gut gebellt

Schließlich im Kleinstädtchen Soufli angekommen. Null Touristen (wenn man mich ausnimmt). Wenig los. Aber sehr entspannt und sympathisch.

Durchblick

Nach einem Aufwärmbier ging ich in ein Seidenmuseum. Soufli ist bekannt für die Arbeit mit Seidenkokons …

Snack?

… von Seidenraupen auf Maulbeerbäumen … Und das Ganze wird dann halb maschinell verarbeitet …

Maschinenzeitalter

… wie genau das geschieht hab’ ich trotz Erklärvideos nicht wirklich verstanden.

Schöne historische Fotos.

Wie in Legebatterien

Wunderschöne Fäden, aus denen wunderschöne Stoffe entstehen.

Seidig

Das Städtchen ohne gutes Restaurant. (Wahrscheinlich öffnen die besseren erst ab Mai.) Ich ging in einen griechischen Schnellimbiss, dröhnte mich mit Hähnchenspießen, saulauter Schlagermusik und ein paar Bieren schmerzfrei.

Unterkunft: Hotel Koukoli, Dorfmitte. Wunderschöner historischer Steinbau. Sehr sehr geschmackvoll eingerichtet. Herrlich oldfashioned Personal. 35 Euro (mit Frühstück). Fahrrad in Hof angekettet.

Tag 232 (15.03.2018) / Griechenland: Volos -> Platamonas

Strecke: 111 km (09:15 – 18:15 Uhr)

Und über allem thront …

Götterthron

Stundenlang fuhr ich auf den Olymp zu. Wenig Menschen in den Dörfern, kaum Autos auf den Straßen. Fast tibetanisch karg die Landschaft. Am Straßenrand eine Eule (?), die es sich im Müll bequem gemacht hatte. Offenbar kann sie beide Augen getrennt steuern. Ich wusste nicht, ob sie mich anschaute, schielte oder einfach die Ruhe weghatte. Oder war sie – wie es der antike Aberglaube nahelegte – eine Unglücksbotin? Tagsüber soll sie ja selten zu sehen sein und wenn – dann soll sie Seuchen und Unglück ankündigen. Und wenn es gar keine Eule war, sondern ein Kauz?

Bierkastenthron

Ich machte in einem unscheinbaren Dorf einen Zwischenstopp: schnelles Bier. Unterhielt mich mit einigen Rentnern, die gebrochen Deutsch sprachen. Alle kannten Stuttgart, alle hatten Jahre bei Bosch, Daimler und Autozuliefererfirmen gearbeitet. Sie freuten sich, einige deutsche Wortbrocken wieder aus ihrer Erinnerung meißeln zu können.

Schafsweg zum Thron

Endlos die Schlussstunde.

No game of throne

Ich durchquerte einen Gebirgszug, entlang eines spektakulären Flüsschens, das sich tief in den Berg hineingegraben hatte. Die Sonne packte es nicht bis auf den Grund. Es war kalt und dunkel.

Unterkunft: Hotel Dias in Platamonas. Schön strandnah gelegen und modern. Wie häufig auf dieser Tour war ich der einzige Gast. Fahrrad in Abstellkammer untergebracht. (45 Euro. Frühstück kostete 7 Euro extra. War ausgezeichnet. Specially made for me!)

Tag 186 (12.04.2017) / Spanien: Dénia -> Valencia

Strecke: 95 km (10:00 -19:00 Uhr)

Über weite Strecken fuhr ich die alte Landstraße, die, meist ein wenig ins Innere versetzt, die Küstenlinie nachbildete.

Rollweg

Orangenhaine prägten die Gegend. Oft mit Direktverkauf.

Der Horizont war mit scheußlicher Architektur zugekleistert. Die gesamte Strecke. Kilometer für Kilometer.

Betonierter Horizont

Kam ich mal ans Meer, fragte ich mich, wie jemand einen solchen Urlaub überhaupt aushalten kann. Vom Hotelbett an den übervölkerten Strand ins überlaufene Restaurant an die übervolle Strandbar zurück ins ausgebuchte Hotel.

Selbst aus den Autos mit geschlossenen Fensterscheiben drang penetranter Sonnencremegeruch.

Ich hatte das Gefühl, dass mehr Einheimische als Ausländer an der Costa Blanca ihren Oster-Urlaub verbrachten.
Manchmal hörte ich ihren Gesprächen zu.
Spanier reden morgens darüber, was sie mittags essen wollen, und diskutieren am Nachmittag über das Abendmenü.
Deutsche sprechen den ganzen Tag von irgendwelchen Schnäppchen.
Und ich? Ich murmelte unterwegs unablässig mein Reise-Mantra: “Kilometer fressen Kräfte auf”.

Ich war froh, heute ein wenig versetzt zum Trubel radeln zu können.
Ich hatte sogar Zeit, mich in Nichtigkeiten zu vertiefen.
So war ich am Morgen durch eine tiefe Pfütze geradelt und hatte mir die Füße klatschnass gemacht. Meine Strümpfe trockneten nicht. Trotz 20 Grad Frühlingswärme und den ganzen Tag Sonne. Das beschäftigte mich über Stunden.

Selten mal etwas anderes als Felder. Eine fast naturbelassene Flussmündung.

Süßwasserhaus

Sonst waren auch Bach- und Flussufer in Siedlungsnähe meist ausbetoniert.

Süßwasserverbauung
Unverbaut

15 Kilometer weiter schon die drittgrößte Stadt Spaniens: Valencia. Ihr geht der Ruf voraus, ein häßliches Industriemonster zu sein.

Ich sah aber viel Schönes und Interessantes.

Schön gebaut
Youtube-Dance

In der Altstadt wurden, für mich überraschend, früh die Bürgersteige hochgeklappt.

Obwohl hungrig angekommen, sah ich mir in einem irischen Pub erst die beiden Championsleague Spiele (Dortmund/Monaco und B. München/Real Madrid) an. Anschließend suchte ich ein Lokal, um die berühmte valencianische Paella zu genießen. Nichts wurde aus der Idee. Ab 23 Uhr war überall die Küche geschlossen. Sehr ungewöhnlich für Spanien.

Kunstvoll

Ich sättigte mich mit Bellota-Schinken und reichlich Wein.

Unterkunft: Hotel Villacarlos. Im Zentrum. Modern ausgestattet. Zuvorkommender Service. Gut. (45 Euro ohne Frühstück). Fahrrad in Abstellkammer untergebracht.

Kulinarisches Brevier: Portugal 2 (Südküste)

Lissabon

Restaurant “Sea me”, Barrio Alto
Von außen eher unscheinbar. Innen modern und geräumig. Äußerst professionelle Bedienung. Fisch vor offener Küche auf großem Tisch und auf Eis gelagert. Hat fast Marktstand-Charakter. Absolut empfehlenswertes Restaurant.

“Gebratener Kabeljau mit geröstetem Knoblauch auf gekochtem Mangold und Kartoffeln im traditionellen portugiesischem Stil”
18 Euro
Sehr gut! Auf den Punkt gegart. Intensiver Knoblauchgeschmack, verstärkt durch Olivenöl, das mit Knoblauch parfümiert war. Die herrlich gedämpften Kartoffeln waren – so der Pfälzer Ausdruck – “Gequellte”.

Lissabon

Restaurant “Ponto Final”, Cacilhas
Traumhaft am Tejo gelegen, mit phantastischem Blick über den Fluss auf das Zentrum von Lissabon. Terrasse auf einem stillgelegten Kai. Sehr freundliche Bedienung. Empfehlung!

“Queijo de Olveha curado Alentejo”
(Reifer Schafskäse aus dem Alentejo)
5 Euro
“Salada de Febras”
(Salat aus gegrilltem Schweinefleisch)
5,90 Euro
“Salmonetes grelhados”
(Gegrillte Rotbarben)
19 Euro

Leicht salziger, sehr schmackhafter Käse. Klasse Fleischsalat. Äußerst gut gewürzt. Sehr gute Rotbarben. Sie wurden mit Kartoffeln und Salat serviert. Zum Fisch gab es mit gebratenem Knoblauch parfümiertes und mit grobem Meersalz gewürztes Olivenöl. Obwohl Knoblauch und Salz grob, gaben beide dem Fisch eine feine Note. Sehr überzeugend.

Alcácer do Sal

Restaurant “Retiro Sadino”, im Zentrum
Direkt am Fluss. Kleine nette Aussenterrasse. Innen etwas schwülstig eingerichtet. Aufmerksame Bedienung, guter Koch.

“Schafskäse”
Aus lokaler Produktion
2,50 Euro
“Linguiça ‘assada'”
(Gebratene Hausmacherwurst)
3,30 Euro

“Calderado de Enguias”
(Aal mit gebackenen Kartoffeln in Fisch-Eintopf)
12 Euro

“Mousse de chocolat casera”
2,50 Euro

Sowohl der Käse als auch die geratene Wurst ausgesprochen gut. Wurst war eine Art Mini-Chorizo, die im eigenen Fett gebrutzelt wurde. Leicht scharf.
Der Aal Eintopf schlicht exzellent. Überhaupt nicht fett, wie sonst Aale oft serviert werden. Eintopf mit Kartoffeln, Zwiebeln, enthäuteten Tomaten und Lorbeerblatt zubereitet und leicht mit Minze parfümiert. Klasse!
Mousse okay.

Odeceixe

Restaurant “Chaparro”, im Orts-Zentrum
Sehr schönes Lokal mit großer Aussenterrasse. Spezialisiert auf lokale Küche. Sehr empfehlenswert!

“Coelho frito com Almeijoas”
(Gebratenes Kaninchen mit Muscheln)
9 Euro

Herausragender Kaninchen-Geschmack. Superzart. Passte auch mit den Muscheln zusammen. Ergab eine interessante Kombination.

Carrapateira

Restaurant “Petisqueira Refinada”, im Orts-Zentrum
Urig eingerichtet. Es war eh überraschend, dass es in diesem winzigen Ort überhaupt ein Lokal gab.

“Picas em azeite biológico de Oliveira”
(Eingelegte Sardinen)
5,50 Euro
“Porco bravo estufado em Vinho Tinto”
(Wildschwein-Eintopf in Rotwein)
9,50 Euro

Vorspeise und Hauptgericht gut, aber ohne Raffinesse. Sardinen waren leicht pfeffrig gewürzt. Und das Wildschwein schien mir eher ein Hausschwein zu sein. War zudem ein wenig zu trocken geraten. Trotzdem nicht schlecht.

Lagos

Restaurant “Tavinos”, Altstadt
Grandioses Weinlokal
. Riesen Auswahl an spanischen Tropfen. Exzellente Beratung und sehr nette Kerle hinter der Theke.

“Tartaro Atum”
(Thunfisch-Tatar) 
7,90 Euro
Exzellentes Tatar. Mit Mango-Stückchen verfeinert. Mit gutem Olivenöl mariniert. Und schließlich mit Ruccola drapiert. Alles stimmte.

Lagos

Restaurant “O Alberto”
Das Restaurant ist – laut Reiseführer – bei den Einheimischen sehr
beliebt. Zumindest bei denen, die es traditionell lieben. Genauso war auch das servierte Essen. Grundsolide. Nicht verkünstelt. Der Wirt kochte selbst in der einsehbaren Küche. Sehr sympathisch.

Mit Speck gefüllte Pilze
5,10 Euro
“Arroz camarao”
(Reispfanne mit Garnelen)
10,50 Euro

Pilze sehr gut und Füllung aromatisch. Reispfanne war eher rustikal. Für meinen Geschmack fehlte ein wenig der Pfiff.

Lagos

Restaurant “Dos Artistas”, Altstadt
Sehr geschmackvoll eingerichtet. Aufmerksamer Service. Herausragende Küche. Weine etwas überteuert. Muss wohl so sein.

Amuse gueule: Lachsconsommé
mit Couscous, Fetakäse und Salat


Jakobsmuscheln auf 3 Arten

mit Miso-Kruste, karamellisiert mit Guave-Chutney, und geräuchert auf Lauchpüree
15,80 Euro

Corvina-Filet
Seebarsch, kurz angebraten, auf schwarzem Bohnenpüree, gedünsteter Rote Beete. Mit Kräutersauce.
22,50 Euro
Birnen-Mandel-Tarte
mit Joghurt-Zimt-Parfait und Honig-Sauce.
9,50 Euro

Ein Menü zum Dahinschmelzen. Lachsconsommé mit intensivem Geschmack. Die Jakobsmuscheln, egal wie zubereitet, köstlich. Der Fisch super gegart.Kross, krachende Haut. Sowohl Bohnen als auch Rote Beete ergänzten den Fisch großartig. Und irre gut die Nachspeisenkombi.
Das Ganze hatte Sternequalität.

Albufeira

Gebratene Sardinen
7,50 Euro
Musste auch mal wieder sein. Der Klassiker! Kann man nicht viel falsch machen. Vorausgesetzt, der Fisch ist frisch gefangen.

Tavira

Restaurant “Ponto de Encontro”, in Altstadt
Sehr einladendes Lokal ohne Schischi. Scheint beliebt zu sein.

Couvert: Oliven, Sardinen in der Konserve, Kräuterbutter
Gebratene Garnelen
Gebratener Tintenfisch
Zitronenkuchen mit Merengue

Alles sehr gut. Sowohl Garnelen als auch Tintenfisch waren jeweils pikant gewürzt. Zitronenkuchen klasse.

Tag 158 (28.09.2016) / Ukraine: Czernowitz -> Putna (Rumänien)

Strecke: 101 km  (09:00 – 18:15)

Abschied von der Ukraine.
Gerne dagewesen.
Moderne Stadtmenschen.
Land hintendran. Aber nicht so krass wie ich es erwartet hatte.

Herbstgelbstichig

Die letzten Kilometer nochmal das ukrainische Auf und Ab. Ich musste meine Fahrrad-Muldentechnik anwenden. Rasend (sofern nicht zuviele Schlaglöcher) runter – mit Schwung rauf (und die letzten Meter im 1. Gang ächzend).

Silbriggrau

Die Grenze sehr schnell passiert. Habe zwar überhaupt nicht den Formularkampf auf der ukrainische Seite verstanden. Stempel hier und da, Papier in den Pass und wieder raus. Lief aber flott. Höfliche Beamte.
Auf der rumänische Seite (EU Außengrenze!) war es mit meinem Pass ein Kinderspiel. (Welch Privileg einen EU-Pass zu besitzen!)
Siret, Grenzfluss.

Schimmligblau

Das gleichnamige Örtchen empfing mich mit einem Friedhof. (Künstliche) Blumenpracht.

Tödlichblau
Herbstorangestichig

Das ganze Dorf rumänisch-europäisch beflaggt.

Sternenklar

Obwohl ich gerne in der Ukraine gewesen war, überfiel mich hier in der rumänischen Pampa das eigenartige Gefühl Zuhause zu sein.
Ich war im freien Verein EUROPÄISCHE UNION.
Ich sah all die Bauern, Schüler, unaufgeregten Fußgänger im Dörfchen als meine Nachbarn. Bürger der EU wie ich.
(Hoffentlich macht niemand diese EU politisch kaputt.)

Mein Tagesziel war eines der berühmtesten Moldau-Klöster: Putna. Noch etwa 40 Kilometer vom Grenzübergang entfernt.
Ich wählte zunächst die kürzeste Route, geriet aber sehr schnell auf fast unbefahrbares Gelände. Schotterpiste pur. Rumänisches Landleben pur. Pferdegespanne rappelten an mir vorbei.

Wunderbar

Ich fing an, drauflos zu schießen (fotografisch), bis ich mich mit Mühe selbst zügeln konnte.


Ich fragte mich, was mich an solchen Motiven eigentlich interessiert? Was drückten sie aus?
Idylle? Natürlich nicht: Das war harte Arbeit.
Blick in die vorindustrielle Zeit – wie mit einer Zeitmaschine? Vielleicht.
Einheit von Natur und Mensch? Quatsch.
Ich Wohlstandsbürger möchte (und könnte) nie so schuften wie diese Bauernfamilien.
Es gab nur eine Erklärung, die mir für mein Interesse an diesen Motiven einfiel.
Diese Menschen waren unverstellt. Keine Pose, kein Hecheln nach “Likes”. Sie waren die lebendige Tautologie: Sein wie sie sind. Nicht scheinen.
Ob sie glücklicher sind?
Glaube nicht.

Überlänge

Ich verließ die Schotterpiste wieder, wählte die schnelle Landstraße und kämpfte mit rücksichtslosen Lastwagenfahrern.

Gespanne auf der Straße wären mir lieber gewesen: but not allowed!

Kam aber heil in Putna an.

Unterkunft in Putna: “Cabana Putna Dorina”. Im Dorfzentrum. 10 Minuten Fußweg vom berühmten Kloster Putna entfernt. Auf viele Busgäste eingestellt. Großes Restaurant. Ich aber war allein an diesem Abend. Schön geräumige Zimmer. Für rumänische Verhältnisse ziemlich überteuert. (50 Euro ohne Frühstück). Fahrrad in leerem Gastraum untergebracht.