Meer Europa

Schlagwort Archiv: Glück

Tag 301 (30.06.2019) / Finnland: Sodankylä -> Inari

Strecke: 235 km (09:30 – 09:15 Uhr)

Reisewetterbericht: Eine Regenfront ist im Anmarsch. Letzter schöner=sonniger (schön kann er ja auch sonst sein) Tag soll heute sein. Dann mindestens 5 Tage Grauzeit mit Kälte, Wind und ziemlich was von oben.

Also was tun? Nichts – beschloss ich. Nichts organisieren, kein Bett vorbestellen. Losfahren! Und wenn nötig: durch die Nacht (die es grad nicht gibt). Ich wollte Licht genießen.

Es wurde eine 24-stündige Reise durch den Norden Finnlands. 235 Kilometer am Stück bis zur völligen Entkräftung.

Der Anfang: easy. Ebenerdig, eigener Radweg, auf dem ich der alleinige Herr war. Niemand überholte mich, niemand ließ sich überholen. Ich war allein. Diese Route – hoch zum Nordkap – war offensichtlich nicht die Biker-Autobahn.

Ich bewegte mich nun im Innern Finnlands. Seenplatte. Unüberschaubar die Zahl der Gewässer. In vielen machten sich Angler die Füße nass. (Sicher nicht! Sie waren bestens ausgerüstet – ALLE!- mit Gummistiefeln, Spezialkleidung, modernstem Sportgerät.)

Ausdauersport

Ob Mann, ob Frau – sie hatten ihre Ruhe – und ihren stillen Spaß (Sind das die Faktoren für Glück? Finnisches Glück?).

Ein See, ein Teich, ein Tümpel: Keiner war unbehaust.

Weites Seeland

Ich fotografierte mich ein wenig durch diese Unübersichtlichkeit, bis ein Einheimischer vorbeikam, mich auf Finnisch aufforderte, ihm zu helfen, sein Boot zu entwässern (einfach umstülpen und aufgefangenes Regenwasser abfließen lassen), sich bedankte (ich versteh kein Finnisch, aber die Gesten waren sehr freundlich eindeutig) und sich wieder davonmachte.

Stabile Freundlichkeit

Der Mittag war schon vorbei, ich verließ immer wieder die Hauptstraße (E75), schaute, ob es etwas Interessantes jenseits gab.

Immer eine Straße da

Aber Finnlands Provinz glich sich – egal, wo ich fuhr. Schöne (Fertig-) Holzhäuser mit akkurat geschnittenem englischen Rasen (wieso lieben Finnen eigentlich Wildnis?).

So sauber, man könnte vom Rasen essen

Briefkästen nicht an der Hauswand, sondern en bloc am Straßenbeginn.

Auf der Stange

Und Winz-Dörfer, in denen ich manchmal zweifelte, ob sie überhaupt dauerhaft bewohnt sind.

Aller Platz für alle Individualisten

Ab und zu merkwürdiges Schamanenzeugs.

Enthäutetes Tipi

Und immer, immer, immer: die eigene Hütte am Teichufer.

Von Angesicht zu Angesicht

Und immer, immer, immer mit Sauna (hier rechts im Bild).

Ausgeklügelt

Ist das finnische Mittel für Glück einfach nur die Entschleunigung?

Jeder See wirkt wie ein abgesteckter Claim

Mein fotografisches Trödeln brachte mich langsam in Zeitschwiergkeiten.

Aber ein Motiv reihte sich an das nächste.

Als lebte hier Chingachgook.

Paradies für freie Fantasie

Als kämpfte er immer noch gegen die weißen Eindringlinge.

Wie gerne hätte ich jetzt James Fenimore Cooper zur Hand

Und als seien die Mohikaner gar nicht brutal gekillt worden, sondern rechtzeitig nach Finnland ausgewandert.

Ich hab alle Bände von ihm Zuhause

Die Tour wurde nun anstrengender, zeitweise führte die Straße auf 350 Meter hoch. Schon lange war ich durchgeschwitzt. Ich sehnte mich nach einem Bier.

Es war ziemlich spät (21 Uhr) – als ich schließlich die “Gold-Village” erreichte.

Jetzt auch noch "Wilder Westen" hier

Früher eine Banditen-Goldgräberstadt, heute eine stille Touristen-Illusion…

Perfekt inszeniert

… aber mit einem fantastischen Restaurant.

Ich stärkte mich nach 125 Kilometern querfeldein durchs Land mit einer Rentiersuppe (stilecht serviert auf einer Goldwash-Pan) für die Nacht (die es ja nicht gab) und für die nächsten Hundert Kilometer die noch vor mir lagen.

Perfekt zelebriert

Tag 297 (26.06.2019) / Finnland: Oulo -> Kemi

Unter gut gelaunten Menschen

Glück?

Am frühen Morgen aufm Markt in Oulu ein gutes Frühstück (Filterkaffee, Croissant, Krapfen und ein mit geräuchertem Lachs belegtes Brot).

Aus dem Hintergrund melancholiert dazu ein Straßenmusiker finnischen Tango auf seiner Quetschkommode.

Ich bat ihn um ein Lied für mich!

Dazu viel Sonne und eine völlig unaufgeregte Stimmung. Das ist Glück. Morgenglück!

Die Finnen beeindrucken mich mit jedem Tag mehr. Das manchmal Kolosshafte ihrer Statur ist grobe Tarnung für eine feine Seele. Sentimentale Charaktere. Aber nicht selbstbezogen – sehr empathisch.

Ich schlenderte noch ein wenig über den Markt…

Sonnengeschützt

… der von einem aufmerksamen Polizisten freundlich bewacht wurde.

Konzentrierter Argusblick

In den Ständen: Was die Wälder und Felder der Umgebung eben so hergaben.

Das deftige und rustikale Mittagessen wurde ebenfalls schon vorbereitet.

Da muss man nicht viel zaubern

Der Weg dann nach Kemi – dort wo der Bottnische Busen endet: langweilig.

Strecke: 109 km (09:30 – 18:45 Uhr)

Immer der Bundesstraße E8 folgend. Alle 40, 50 Kilometer gab es (wie meist unterwegs) eine Grillbude, in der ich mir diesmal mein Mittagsbier besorgen konnte.

Finnische Farbenfreude

Rast legte ich häufig auch an Bushaltestellen ein – mit ihren einladenden Holzhäuschen.

Ein Schild zeigte an, dass ich ab jetzt in Lappland war.

Und schon bald landete ich in meinem ersten lappländischen Städtchen: Kemi.

Musen-Zeit

So leer, so langweilig. Aber zum letzten Mal sah ich die Ostsee. Ab morgen würde ich ab ins Landesinnere kurven. Ich nahm Abschied.

Tag 286 (15.06.2019) / Finnland: Helsinki – Start mit Pausentag

Um Mitternacht angekommen (es dämmerte grad). Musste dem Taxifahrer, der mich vom Flughafen zum Hotel in Helsinkis Innenstadt fuhr, zeigen, wie man  den Innenraum seines Wagens zerlegt, damit mein verpacktes Fahrrad in sein Vehikel passte. Er ließ es mit meinem Versprechen geschehen, die Karre nach Ankunft wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen. 

Vor 30 Jahren war der freundliche und redefreudige Mann aus Bangladesch nach Finnland ausgewandert. Etwa 2.000 ehemalige Landsleute leben – so erzählte er – mittlerweile im Großraum Helsinki. Er selbst fühle sich als Finne. Überhaupt gäbe es nur wenige Migranten im Land. Um so wichtiger sei es, der EU nicht zu folgen – behauptete er – und nicht noch mehr Ausländer hereinzulassen. Das würde die politische Stimmung in Finnland nur weiter nach rechts treiben – meinte er. Und ich wunderte mich, wie oft ich schon diese Geschichte vom Boot, das voll sei, auch von Migranten erzählt bekommen habe.

Ich richtete dem guten Herrn seinen Taxi-Innenraum wieder picobello her.

Am nächsten Tag Helsinki erkundet (war die Sonne eigentlich in der Nacht untergegangen?). Um aufrichtig zu sein: Ich hab – mal Kaffee, mal Bier trinkend – eigentlich nur auf dem Markt, in der Markthalle, an den Schiffsanlegestellen, am alten Hafen und auf der Esplanade herumgelungert.

Hochzeitstag

Vor den Ausflugsbootanlegestegen (schönes Wort!) drängelten sich die unterschiedlichsten Hochzeitsgesellschaften.

Mal hipp finnisch-asiatisch, mal gestylt unternehmerberaterisch – alle Hochzeitsgäste bestens sonnengelaunt.

Schöne Menschen.

Fotografiert sie oder kontrolliert sie die Schminke?

Glücklichste Finnen (sagt zumindest der Weltglücksreport der bescheidwissenden United Nations (UN)).

Kuss am Pier
Der letzte (Möwen)Schrei

Die Stadt nicht voll – aber mit (Tages?)Besuchern gut gefüllt.

Über (fast) allem thront der Dom

Und die Hälfte der Touristen (immerodernurheute?) Asiaten. Fast nur in Gruppen. Nur einige wenige Solisten.

Fernweh?

Direkt am Hafen der zentrale Markt.

Finnisches Gewusel

Ebenfalls die traditionsreiche Markthalle.

Mit einem professionellen Trinkgeldeintreiber.

Immer freundlich und todernst

Und natürlich mit allem, was die finnische Wildnis hergibt. (Im Ergebnis: gemeuchelte und verwurstete, eingedoste Rentiere.)

Konservenkunst

Tag 261 (13.04.2018) / Rumänien: Tulcea -> Galati

Strecke: 83 km (10:30 – 18:00 Uhr)

Beim Losfahren blockierte wiedermal mein Hinterrad. Das Schutzblech war auf den Reifen abgesunken und bremste ihn. Ich hatte Mühe, das wieder zu richten. Das Blech ließ sich nicht richtig fixieren. Mit Ach und Krach ging’s dann doch.
Die Strecke Richtung moldawischer Grenze unspektakulär. Nur selten kam ich der Donau spucknah.

Gedoppelt

Die Donau-Ortschaften einfach.

Dorfbild mit Esel


Die drei Damen, die an einem Dorfeingang Honig, Selbsteingemachtes und selbstgebraute Getränke verkauften, ließen sich erst fotografieren, nachdem sie sich hübsch gemacht hatten.
“Zieh dein Kopftuch aus dem Gesicht” – hatte die eine zur andern gerufen. Und alle drei haben gelacht und sich nach dem “Fotoshooting” bekreuzigt.

Die drei Damen von der Schankstelle

Kurz bevor ich die Fähre zur Donauhafenstadt Galati erreichte, passierte es.
Ein Schlag – und wieder blockierte mein Hinterrad.
Jetzt war ich gezwungen, genauer hinschauen.
Der Gepäckträger war gebrochen. Die Aufhängung des Schutzbleches hinten ebenfalls. Das Lichtkabel gerissen.
So war kein Weiterkommen.
(Schon vor 2 Tagen hatte ich das Schutzblech über der Kette verloren und noch ein paar andere Wehwehchen am Rad entdeckt. Offensichtlich war es den Belastungen der Tour nicht mehr gewachsen. Ich musste hoffen, die Etappe noch irgendwie zu Ende bringen zu können.)

Ich hatte dennoch Glück im Unglück, dass das Ganze kurz vor der Fähre passiert war. Ich schob das havarierte Gerät bis zum Fluss. Löste das Ticket und setzte über.

So fern, so nah

Auf der anderen Seite der Donau sattelte ich die Gepäcktaschen ab. Lud alles in die Reisetasche um.

Schulterte das gesamte Gepäck, fixierte den Gepäckträger mit 2 Spannseilen, so dass ich wenigstens fahren konnte, und strampelte die letzten 4 Kilometer bis zu meinem Hotel in Galati.

18 Uhr – alle Geschäfte zu – ich musste hoffen, morgen (Samstag) eine offene Werkstatt zu finden.

Der Blick aus meinem Hotelfenster auf das Donauufer gegenüber entschädigte mich ein wenig.

Am andern Ufer
Am andern Ufer 2

Galati interessant, jung, voll. Ich war aber zu müde, um den Trubel zu genießen.

Unterkunft: Hotel Falezza. Toll am Donauufer gelegen. Grandioser Blick auf das Donautal. Modernisierter Plattenbau. Etwas schwierig die Kommunikation mit der Rezeption (kein Englisch). Fahrrad draußen angekettet. 45 Euro (mit Frühstück).

Tag 238 (21.03.2018) / Griechenland: Nea Moudania -> Neos Marmaras

Strecke: 60 km (09:00 – 15:30 Uhr)

3 Finger hat Chalkidiki. Den ersten mit Namen “Kassandra” ließ ich aus. Nahm Kurs auf den zweiten: “Sithonia”.

Es begann flach.

Land-Zünglein

Wurde steiler.

Runterhoch

Die Strände immer schöner.

Strandvorlage
Noch einsam

Das Meer spielte mit menschlichen Vorstellungen, wusch die Steine aus zu erotischen Bilderrätseln.

Steinrätsel
Das Meer als Steinmetz

Die Küste wurden langsam wilder.

So geht Mittelmeer

Die Sandstrände abenteuerlicher.

Umwerfend
EinPaarStrand

Sehr früh mein Ziel erreicht: Neos Marmaras.
Es war unerwartet schwierig, eine offene Pension zu finden. Das Hafenstädtchen wie ausgestorben.

Noch leblos

Und noch aufwändiger war es, mir ein Abendessen zu organisieren. So gut wie alles geschlossen.
Schließlich doch ein Lokal entdeckt.

Lebe-liebevoll

Ich – der einzige Gast. Der Koch und Besitzer des Restaurants: ein alter Mann, mit gegerbtem Gesicht und imposanten Zahnlücken.
Er verschwand eine Viertelstunde in der Küche und zauberte mir eine herrliche Anchovis-Suppe. Als ich später (nach einigen Weißweinen) zahlen wollte, konnte er nicht auf einen 50er Schein herausgeben. Ich zog los, suchte einen Geldautomaten, kehrte mit kleinen Scheinen zurück und machte ihn glücklich.

Unterkunft: Pension: Greek House Hotel. Am Stadtrand. War das einzige Hotel, das offen hatte. Familienbetrieb. Wunderschön eingerichtet. Viel Liebe zum Detail. 25 Euro (ohne Frühstück). Fahrrad im Eingang untergestellt.

Tag 229 (12.03.2018) / Griechenland: Chalkida -> Rovies

Strecke: 90 km (09:00 – 18:30 Uhr)

Ich schrie vor Glück!

650 Meter mich und meinen Drahtesel den Berg hochgewuchtet. Geschwitzt, geflucht, mir geschworen, nie wieder so was zu Beginn einer Etappe zu machen.

Out of the green

Und dann die ellenlange (sprich halbstündige) Abfahrt mit Endorphinantrieb und schon erstaunlich warmem Begleitwind. Ich konnte gar nicht anders als laut vor Glück zu brüllen.

Top to down

Im Tal angekommen, musste ich schnell realisieren, dass es grad so weiter ging. Nicht mehr so steil und hoch wie der erste Berg, aber beständig auf und ab.
Urwüchsig die Insellandschaft. Das Meer von hohen Bergzügen verdeckt.

Green Valley

Erst kurz vor Sonnenuntergang das letzte Hindernis geschafft.

Da unten – irgendwo im Schwarz – würd’ ich die Nacht verbringen. Glücklich.

Darkland

Unterkunft: Ferienwohnung (Apartment) “West” in Rovies mit großem Garten. Schön an kleinem Strand gelegen. Sehr zuvorkommender Besitzer. 35 Euro (mit Frühstück). Fahrrad im großen Zimmer untergebracht.

Tag 149 (19. 09. 2016) / Polen: Pause in Białowieża

Wegen ihm hab ich den Umweg gemacht.

Fine eye art

Mr. Wisent!

Black is beautiful

Ich spielte ein wenig mit ihm, hatte ja sonst nichts zu tun. Freier Tag. Pause.

Ich schau dir in die Augen, ...

Białowieża rühmt sich, den letzten und einzigen Tiefland-Urwald in Europa zu haben.

Führt ins Herz

Weltnaturerbe!

Es gibt aber auch ein Nazi-Erbe. Die braune Flut war auch hierher geschwappt, hatte erst “germanische” Tiere ansiedeln wollen und später einfach alles abgefackelt. Zarenschloss – ganze Dörfer.

Manches wurde wieder aufgebaut.
Parkverwaltung …

Herrscht übers Herz

… und ein Dorf, das es so nie gab (anstelle des gesprengten Dorfes pflanzten hier Privatspender ein Museumsdorf mit Original-Häusern, Original-Windmühlen … aus der näheren Gegend).

Hier schlug mal das Herz
Zentrale Werkstätte
Küche mit Wohnzimmer

Die Ferien waren vorbei. In Białowieża ist wieder grauer Alltag eingekehrt. Das hatte ich ich nicht beachtet. Eigentlich wollte ich einen Führer mieten und mit ihm den “inneren” Kern des Nationalparks erkunden. Mit ein bisschen Glück die letzen frei lebenden Wisente in Europa sehen. Wisent = europäischer Bison.

Ging aber nicht. Ich hätte alles im voraus buchen müssen.
Genauso wie ein Tagesvisum, um über die Grenze nach Weißrussland zu wandern.
Auch das braucht einen Vorlauf.
Der Park reicht weit bis ins Nachbarland hinein.
Was blieb?
Die Gegend rund um den Park erkunden.
Stundenlang durch den Wald geradelt. Der war wild genug und ebenfalls geschützt.

Modriges Herz
Fällt und steht

Und dann in den nahegelegenen Zoo (heisst offiziell “Reservat”) gegangen.
Um all die Tiere aus der Nähe zu sehen, die ich sonst nur mit totalem Glück aus der Ferne hätte entdecken können, als winzige Punkte in der Landschaft.

So aber hatte ich den Wisent-Harem …

Für immer unfrei

… und Mr. Wisent atemnah vor mir.

Bestes Fleisch, das ich je gegessen habe: Bison

Und alles, was ich sonst auch noch mochte …

Hirschgulasch hatte ich gestern
Wildschwein werd' ich heute bestellen
Elch hatte ich letzte Woche: zart!

Tag 148 (18.09.2016) / Polen: Białystok -> Białowieża

Strecke: 83 km (09:30 – 16:00)

Wow! Welch eine Wucht. Etwa 2 Stunden nachdem ich Białystok verlassen hatte, fuhr ich durch ein Dorf names Trześcianka und hielt unverzüglich an.

Wild East

Das nächste schöner als das vorige – oder war vice versa? Ich lief wieder zurück. Konnte meinen Fotoapparat gar nicht absetzen. Bauernhaus an Bauernhaus aus dem 16. Jahrhundert. Alle bewohnt, alle unter Denkmalschutz und gut restauriert.

Konnte mich nicht sattsehen an diesen Holzkonstruktionen. Über 500 Jahre alt.

Ich hatte meine Route zufällig ausgewählt. Hatte nichts über diese Gegend gelesen. Auch andere Straßen führten nach Süden, vielleicht sogar schneller.

Was oder Wer führte mir dann heute Glück zu? Der Zufall?

Ich brütete eine Weile darüber. Und kam zu dem Schluss, dass es eine unsinnige Frage war.

Ich kannte die anderen Optionen nicht. Vielleicht verbargen sich dort noch schönere Welten.
Nur: Warum hab ich mich an der letzten Kreuzung für links statt rechts entschieden?

Ich konnte mich nicht sattsehen an den alten Ornamenten.

Das Dorf war 15hundertnochwas von russischen Siedlern gegründet worden. Schon bald wurde eine Kirche gebaut.
Diese hier – dem Erzengel Michael gewidmet – wurde 1864 gezimmert.

Sakrament

Leider waren die Türen verschlossen. Auch bei der nächsten orthodoxen Kirche, ein paar Weiler weiter.

Ich fuhr weiter Richtung Nationalpark Białowieża – herrliches Grün unterwegs. Der letzte Urwald Europas. Ich war gespannt.

Unterkunft in Białowieża: “Apartamenty Galeria Trunków”. Bin erst erschrocken, als ich sah, dass die Pension Teil einer Tankstelle war. Dann entpuppte sie sich als außerordentlich großräumig, nach hinten rausblickend, still (auch ohne Geruchsbelästigung) und mit einem sehr gut Englisch sprechenden Mann, der äußerst hilfsbereit mir alles erklärte. (30 Euro ohne Frühstück). Fahrrad im Hof untergebracht.

Tag 122 (12.04.2016) / Italien: Brindisi -> Lecce

Strecke: 56 km. (09:30 – 15:30)

Hatte mir (gestern) vorgenommen, mir einen fahrradfreien Nachmittag zu ermöglichen.
War aber zu dabbisch (Pfälzisch!), den kürzesten Weg von Brindisi nach Lecce zu finden. Erst auf der Autobahn gelandet. Schnell wieder runter.
Dann kreuz und quer durch die Landschaft gegurkt. Immerhin war ich allein mit mir unterwegs. Kein Gegenverkehr.

Gerade Linie

Ich schaffte es sogar, eine dicke große schwarze Schlange zu überrollen. Ich merkte es erst, als mein Vorderrad hupfte (Pfälzisch!). Die Schlange erschrak sich noch mehr als ich und schlich sich fix in die Büsche. Sie hatte Glück gehabt. Ich bin ja nicht so schwer wie ein Auto.

Plötzlich Weinbau!
Fleißige Rebenschnitter!

In Reihen

Kam von da der gute Brindisi-Weißwein, den ich gestern Nacht getrunken hatte?

Bald in Flaschen

Interessante Landschaft, leicht hügelig, einen Kilometer Abstand zum Meer. Das konnten gute Tropfen sein, die hier heranwuchsen.

Zwischendurch immer wieder Frühlingsorangerot. Felderweise.

Im Frühlingswind
Im orangenen Frühlingswind

Mein Plan war gewesen: An der Küste langzufahren und dann scharf ins Landesinnere abzubiegen, nach Lecce.
War aber kein guter Plan.
Die Küste verwaist, absolute Geistesdörfer, die darauf warteten, vom Sommer wachgeküßt zu werden.

Leer

Der Umweg hatte sich nicht gelohnt – und ich kam verspätet in Lecce an.

Barockhauptstadt!

Hüterin des Balkons

Selbstverständlich schaute ich mir stundenlang die überladenen Fassaden an. Ich hatte mir gestern schließlich eine Fahrradtherapie verordnet und was sollte ich mit meinem freien Nachmittag anderes tun als Barockornamente anzuschauen. Dafür kommen ja jedes Jahr schließlich Millionen Touristen nach Lecce.

Also tat ich, was alle Männer in Lecce tun: Ich starrte und starrte Barockfassaden an.

Nostalgisch
Drama?

Ich fühlte schnell, dass ich von meiner Sucht geheilt war!

Unterkunft in Lecce: “B&B Idomeneo 63”. Altstadt. Ein wenig verbaut. Zimmer zugestellt. Sehr unpersönlich. (49 Euro mit Frühstück.) Fahrrad in Zimmer untergebracht.

Tag 119 (09.04.2016) / Italien: Peschici – Monte Sant’ Angelo

Strecke: 80 km. (09:15 – 19:30)

Der anstrengendste Tag bisher. Ich ließ mich von der Sonne treiben. Ja! Sie war da – ab und zu. Ich heftete mich an ihre Fersen und fuhr bergauf bergab, um sie nicht zu verlieren. Und es ging immer rauf und runter!

Der Gargano ist wild und rau! Etwas für geübte Beine.

Rauf auf die Bergspitze, runter ins Tal. Zum nächsten Städtchen: Vieste. In Reiseführern viel gepriesen.

Sich selbst ein Denkmal

Mir hatte aber Peschici deutlich besser gefallen. Auch wenn der Strand von Vieste ein herrlicher Sommerstrand war.

Der Strand zur Stadt

Dann wieder hoch. In dichter Folge versprachen kleine und größere Buchten Urlaubsglück.

Noch ohne Klippenspringer
Eingerahmt

Schöner und schöner!

Ein (fast) unsichtbarer Pool auf den Klippen
Privatbucht, herausvergrößert

Illegalerweise dann eine Abkürzung genommen. Obwohl ausdrücklich von dicken Schildern verboten, fuhr ich durch vier aufeinanderfolgende Kilometer lange Auto-Tunnels. Polizei war nicht zu sehen. Der Verkehr eh samstäglich dünn. Ohne diese Schonung hätten meine Beine den letzten Aufstieg nicht geschafft.
Der hatte es in sich.

Olivental

Durch Olivenhaine und -terrassen schlängelte sich über 3 Stunden der Weg von Serpentine zu Serpentine auf fast 800 Meter Höhe.

I ride a bicycle

Ich hatte weiche Knie. Mehrmals stieg ich ab und japste.
Im letzten Abendlicht dann den Monte Sant’Angelo vor Augen.
Ein Dorf mit einem der wichtigsten Heiligtümer der Italiener: Der Grotte, in die sich Erzengel Michael im 5 Jh. zurückgezogen haben soll.

Heiliger Ort

Wunderliches Land Italien:
Engel, die die Backsteinhütte der Gottesmutter Maria aus Nazareth komplett einpacken und in die Berge nach Loreto tragen. (Wissenschaftler sagen, es waren christliche Plünderer und Kreuzritter.)
Der Erzengel Michael, der sich im 5. Jahrhundert in einer Grotte am Monte Sant’ Angelo niederlässt. (Wissenschaftler haben dort noch keinen Erzengel ausgemacht.)
Padre Pio, dessen Wirkungsstätte in Apulien zum wichtigsten Wallfahrtsort der Süditaliener geworden ist. (Wissenschaftler sagen, es handle sich um einen Betrüger, der sich die Wundmale (Christi) an Händen, Füßen und Brust selbst beigebracht habe. Heiliggesprochen wurde er dennoch.)

Wundersames Italien: Fand in der Nacht eine kleine Trattoria, die exquisit eingerichtet war, in der ich aber allein blieb.
Der Wirt/Koch versprach mir das beste Menü, das ich bisher gegessen hätte. Er hatte müde kleingeschlitzte Augen, war aber hellwach, fast überdreht.
Erst wollte er wissen, wie ich zu ihm gefunden hätte.
Zufall.
Dann schimpfte er über die Reiseführer, die ihn immer noch nicht richtig würdigen würden, ihn den besten Koch des Ortes.
Nach dem ersten Gang war er bereits der beste Koch der Region.
Er goss mir von einem köstlichen Wein (Nero di Troia) ein.
Er verwöhnte mich mit “Orecchiete con cime di rape” und mit ausgesprochen guten Ochsenbäckchen.
Am Schluß der Schlacht waren seine Augen noch kleiner (und leicht blutunterlaufen) und seine Zunge immer noch schneller. Inzwischen war er zum besten Koch überhaupt aufgestiegen und feierte dies mit mir mit einem weiteren guten Glas Rotwein.

Unterkunft in Monte Sant’ Angelo: “Hotel Michael”. Altstadt. Genau gegenüber der Grottenkirche. Klasse Haus. Sehr gemütlich eingerichtet. Sehr liebevoll geführt. Wunderschöne Frühstückstrasse auf dem Dach! (55 Euro mit fantastischem Frühstück.) Fahrrad in Hotelflur abgestellt.