Meer Europa

Schlagwort Archiv: Grenze

Tag 304 (03.07.2019) / Norwegen: Karigasniemi -> Lakselv

Strecke: 93 km (09:00 – 18:30 Uhr)

 

Da ich von den absurd hohen Preisen in Norwegen für Wein, Bier & Co. gelesen hatte, hatte ich mir am Vorabend in Karigasniemi schnell noch im staatlichen Alko-Shop 2 Flaschen französischen Rotwein und 2 Dosen finnisches Bier besorgt und bin am Morgen schließlich schwer beladen über die Grenze. (Dort wurden Grenzgänger tatsächlich stichprobenartig nach Alkohol durchsucht.)

Bin gespannt

Es ging gleich ordentlich rauf und runter – und ich musste für meinen Weintransport ordentlich büßen. Die Finnmark (so heißt die Region in Norwegen, die ich durchfuhr) war fast noch einsamer als die letzte Strecke in Finnland. Auf fast 40 Kilometern sah ich kein einziges Haus, keine Einsiedelei, nichts. Aber trotz starken Regens konnte ich erkennen, dass ich durch ein Waldparadies fuhr. Irrsinnig schön.

Und das im Herbst oder im Indian Summer ...

Im Paradies gibt es aber immer auch einen Vorplatz für die Hölle. Die brachte die deutsche Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg. Ein Erinnerungspfad (den ich wegen des Starkregens nicht beging) legte mitten in der Wildnis Zeugnis davon ab.

Etwa auf halber Strecke zickte mein Fahrrad. Irgendetwas lief unrund. Ich fixierte Hinter- und Vorderrad neu. Aber das Vorderrad schleifte immer wieder an den Bremsbelägen. Es schien, als hätten die hydraulischen Bremsen auch Öl verloren. Sie griffen nicht mehr hart genug.

Trotzdem kam ich einigermaßen sicher in Lakselv an. Ein sehr funktionaler Ort. Schon bei der Runterfahrt sah ich im Hintergrund den Fjord: Das Nordmeer lag grau unter den dunklen Wolken.

Rutschbahn

Tag 273 (24.9.2018)/ Deutschland: Leer -> Ribe (Dänemark)

Strecke: 80 km (09:15 – 16:30 Uhr)

Flach, klar! Und dennoch meist im 2. Kriechgang. Keine Chance gegen den Sturm, der aus Nordwest blies. Also von vorne.
Die Wolken trieben über mich hinweg so schnell wie Vogelschwärme.
Durch die Lücken lugte manchmal die Minuten-Sonne mit unwirklichem Gewitterlicht hervor.
Kurz vor der dänischen Grenze etwa.

Kirchweg

Ich hatte erwartet, dass es an dem Übergang Kontrollen gibt. Aber die dänischen Rechtspopulisten kriegen wohl nichts hin. Nicht mal Passkontrollen. Gottseidank. Schengen überlebt.

Grenzweg

Kurz nach der Grenze: Platzregen mit Sturm. Die Wassertropfen peitschten mir waagrecht in Gesicht und machten Musik.
Und urplötzlich wieder Sommer-Simulation.

Einfahrt ins Dörfchen Møgeltønder.

Dorfweg

Mein Reiseführer behauptete, ich stünde jetzt in der schönsten Dorfstraße Dänemarks. Na ja.
Wenngleich …

Schönster Weg

Ich kämpfte den ganzen Tag gegen Regen, Hagel und Gegensturm.
Zückte die Kamera nur, wenn die Sonne kurz gegen das Dunkle siegte.

Die Wattenmeerküste toll. Außer Schafen keinem Lebewesen begegnet.

Wiesenweg

Dänen sah ich in ihrem eigenen Land nicht.
Bis auf einen.

Guckweg

Er verschwand schnell wieder, bevor ich etwas fragen konnte.

Endeweg

Ich hatte von Ribe gelesen, die älteste Stadt Dänemarks (?) und eine der schönsten an der Nordseeküste.

Nasser Weg

Als ich reinfuhr, hatte ein Wie-aus-Kübeln-Regen die Straßen gereinigt und alles Leben hinter dicke Mauern getrieben.

Ich war (fast) allein in der Stadt.

Gegenlichtfarben

Erst abends sah ich leibhaftige Dänen – im Restaurant.
Konnte mich aber nicht um sie kümmern, ich hatte genug zu tun, mich an die irren Preise zu gewöhnen.

Unterkunft: Danhostel. Ich hatte mich bei der Buchung vertan und übersehen, dass es eine Jugendherberge war. Von der Rezeptionistin wurde ich gefragt, ob ich Bettwäsche dabei hatte. Nein. Ich musste mir also welche kaufen. Die Unterkunft so teuer wie ein Komfort-Hotel in Deutschland. Mein lieber Däne. Aber sonst: richtig gutes Hostel. Ich kam sogar noch nach 22 Uhr rein. Schlief in einem schmalen Etagebett.

 

 

 

Tag 271 (22.9.2018)/ Niederlande: Groningen -> Leer (D)

Strecke: 74 km (11:15 – 15:45 Uhr)

Gemütliches Flachradeln Richtung deutscher Grenze.

Windgeschützt

En miniature rauschte an mir noch einmal das typisch Niederländische vorbei: Grachten, gut ausgebaute Fahrradwege, Familienhäuser im Backstein-Lego-Stil, freundlich “Moin” rufende Menschen und Angler an den vielen Kanälen. Manche mussten noch nicht mal ihr Grundstück verlassen, um einen frischen Morgenfisch zu fangen.

Skulpturenpark
Auch eine Skulptur?

Recht schnell kam ich zur Grenze: ein Kanälchen. Hüben: NL Drüben: D
Wie schön, dass es in Europa immer noch möglich ist, Grenzen ohne Kontrollen zu passieren. Vielleicht siegt ja doch noch die Vernunft.

Grenzgang

An der kleinen Brücke war eine Gedenktafel angebracht. Ich lernte, dass ab 1933 niederländische Kommunisten deutschen Juden, Gewerkschaftlern, Kommunisten und Sozialdemokraten hier zur Flucht aus Hitlerdeutschland verhalfen. Durch den Grenzkanal.

Rote Hilfe

Bald das friesische Städtchen Leer erreicht. Hübsch.

Unterkunft: Hotel Ostfriesenhof. (75 Euro mit Frühstück.) Fahrrad außen angekettet.

Tag 266 (17.9.2018)/ Belgien: Oostende -> Zoutelande (Niederlande)

Strecke: 71 km (09:30 – 17:45 Uhr)

Wie freute ich mich auf mein Glas Mittagswein. Ich wollte schnell in meinen Rhythmus finden und tat alles dafür.

Treibmittel

Der erste Tag der neunten Etappe: spätsommerlich heiß.
Meine Richtung: Von Oostende nach Norden.
Das Ziel: Kopenhagen. Vielleicht sogar Schweden.
Vier Nordsee-Wochen habe ich diesmal Zeit.

Belgien war schnell durchflogen.

Können Bojen fliegen?

Die Küste zugebaut, entweder mit gesichtslosen Appartment-Hochhäusern …

Atlantikwall

oder mit Strand-Umkleidekabinen.

Atlantikwall 2

Die Strände breit und feinsandig und wenn ein wenig belebt – dann von Selfie-Prinzesinnen.

Schon nach 40 Kilometern führte ein holpriger Fahrradweg über die Grenze …

Schleichweg

… ins Königreich der Niederlande.

Windflüsterer

Die Dörfer sympathisch aufgeräumt. Fast puppenstubenmäßig.

Provinzidyll

Der Atlantik schläfrig. Nur ein bisschen aufgewühlt durch ein rasendes Lotsen-Boot, das an unserer Fähre angeberisch vorbeirauschte. Auf der Fähre nach Vlissingen fast ausschließlich einheimische Radler.

Mit Wucht

Vlisssingen: im Kern schön altertümlich, in Meernähe mondän.

Herbststrand
Wohnturm

Hinter 30 bis 40 Meter hohen Dünen kuschelten sich Dörfer.

Geschützt

Auf der meerzugewandten Seite der Dünen: horizontlange Strände.

Bestrahlt

Für die Nebensaison noch erstaunlich belebt.

Besonnt

Kilometerlang reihten sich Strandkabine an Strandkabine.

Gereiht
Bebohlt

Bei Sonnenuntergang muss man sich entscheiden: unten im Rot oder oben im Gelbgrau.

Bevölkert

Unterkunft in Zoutelande: Hotel Het Verschil. Ortsmitte. Hotel hat auch ein sehr gutes Restaurant. Nettes, zuvorkommendes Personal. Kleines Zimmer. 65 Euro (mit Frühstück). Fahrrad in Hinterhof angekettet.

Tag 262 (14.04.2018) / Rumänien: Galati -> Cahul (Moldawien)

Strecke: 67 km (10:30 – 16:30 Uhr)

Am frühen Morgen noch einmal eine Bestandsaufnahme meines Fahrrads vorgenommen: Gepäckträger gebrochen, Lichtkabel zerrissen, Schutzblech hinten teilweise lose und schlackert, Ketten-Schutzblech gebrochen und abgerissen. Kette lahmt, Schaltung tut nicht mehr richtig, Bremsen ziehen kaum noch, Vorderrad quietscht. Reifen ohne Profil. Ich machte mir ernsthaft Sorgen um meinen Gefährten und hatte Zweifel, ob er die letzten paar Tage bis zum meinem Ziel noch durchhalten würde. Sah nach starker Entkräftung aus.

Geknickt

Um 9 Uhr in Galati eine offene Fahrradwerkstatt gefunden. Der Mechaniker war skeptisch, ob er mir wenigstens den Gepäckträger würde reparieren können. Einen neuen hatte er nicht. Er kramte in der Abstellkammer herum und fand einen alten gebrauchten.

Geschickt

Aus zwei mach eins: Nach einer halben Stunde konnte er das Ding fixieren. Als ich zahlen wollte, meinte er: “Kostet nichts!” Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Aber beharrte darauf: Er habe mir doch nur einen gebrauchten Gepäckträger geben können. Der habe ihn ja auch nichts gekostet. Ich drückte ihm 5 Euro in die Hand. Es war ihm peinlich.

Zurück zum Hotel, mein Zeugs gesattelt, um halb elf los und in einer Stunde zur Grenze nach Moldawien.

Die Grenzformalitäten waren (obwohl EU Außengrenze) sehr schnell erledigt.

Im moldawischen Grenz-Dorf wurde ich von einem seltsamen Dreigestirn empfangen:

Unvermittelt

Sozialistischer Russenstern, skeptische Jungfrau Maria und extravaganter Jesus.

Jesus in blue

Die Strecke nach Cahul verlief mehr oder weniger parallel zum Grenzfluss Pruth, einem Nebenfluss der Donau.

Parallel

Moldawien schien dünn besiedelt. Auf jedenfall kaum zersiedelt. Entweder Landschaft oder kompaktes Dorf.

Chaos ist höchstens oben

Von der Ferne schienen die Dörfer leicht gräulich.

Bei der nachträglichen Bearbeitung der Fotos zeigen sich aber doch satte Farben
Dominierendes Ocker-Gelb

Aus der Nähe war es eine jedenfalls stets ein Farbenpracht.

Farb-fühlig
Farb-fühlig 2

Ähnlich schon wie auf der rumänischen Seite. Überhaupt schien man sich hier entlang der Grenze ziemlich nah.
Wobei: In Moldawien tendierten manche Häuser-Verzierungen ins ziemlich Kitschige.

Kitsch as kitsch can …

Autos waren kaum zu sehen, nicht geparkt, nicht unterwegs auf der Straße.

No traffic jam

Relativ früh in Cahul angekommen. Einem sehr sympathischen Kleinstädtchen.
Der zentrale Platz: mit einer Universität bestückt.

Bildungsnah

Später las ich, dass Cahul eines der wenigen moldawischen Städtchen war, das wuchs, statt seine junge Bevölkerung ins Ausland zu verlieren.

Ohne Kommentar

Unterkunft: Hotel Azalia. Stadtmitte. Plattenbau, aber kürzlich renoviert. Netter Empfang. Zimmer groß, mit alten Möbeln bestückt. Eigener Wohnzimmerbereich. Fahrrad in Hof angekettet. 32 Euro (mit Frühstück).

Tag 260 (12.04.2018) / Rumänien: Murighiol -> Tulcea

Strecke: 38 km (09:00 – 12:00 Uhr)

Mein Wirt und Bootsführer von gestern hatte mir mitgegeben: Murighiol sei zu 65 Prozent ukrainisch. Er vergaß nicht dazu zu sagen: “Schwierige Menschen”. Was immer das auch zu bedeuten hatte: Es war Grenzgebiet. Dutzendmal haben die Herrscher/Besatzer in den letzten Jahrhunderten gewechselt. Wessen Heimat das genau ist? Wohl die von allen.

Der schönste Dachschmuck jedenfalls ukrainisch. Ca. 1900.

Handwerkskunst 1
Handwerkskunst 2

Ich war noch betäubt vom gestrigen Tag und radelte eher gemächlich. Mein Tagesziel nicht weit entfernt.

Die Donau (genauer ein Donau-Arm) wirkte aus der Ferne verwunschen. Ab und zu ein Ausflugsboot.

Wasserkunst 1

Die Dörfer aus der Ferne interessanter als aus der Nähe.

Wasserkunst 2

Wobei …

Planungskunst

Die Landstraße kaum befahren.

Wegekunst

Der Frühling und das Wachstum ließen noch auf sich warten.

Landwirtschaftskunst

Die Sonne kam aber raus und kräftigte die Farben.

Ich kam sehr früh nach Tulcea. Und fühlte mich kurz wie – in der Karibik? In New Orleans? In Suriname?

Farbkunst

Ich war aber in Rumänien. Schönes Land.

Unterkunft: Hotel Delta. Moderne Vier-Sterne-Unterkunft am Hafen. Rezeption zuvorkommend, hilfsbereit. Große Zimmer. Fahrrad in Abstellkammer untergebracht. 52 Euro (mit Frühstück).

Tag 248 (31.03.2018) / Griechenland: Soufli -> Swilengrad (Bulgarien)

Strecke: 105 km (09:30 – 17:30 Uhr)

Für den langen Weg, der vor mir lag, kam ich ein wenig spät aus der schönen Unterkunft in Soufli weg.

Prächtig

Ich hatte zwischenzeitlich eine Entscheidung getroffen:
Ich werde meine Etappe nicht mit einem Abstecher in die Türkei fortsetzen. Es wäre eigentlich der direkte Weg zur Schwarzmeerküste gewesen.
Zwei Gründe waren ausschlaggebend:
Erstens: Ich hätte bei der Einreise verschweigen müssen, dass ich Journalist bin. Mein Beruf ist aber ein ehrenwerter Beruf. Nur um mir Ärger mit einem totalitären Erdogan-Regime zu ersparen, wollte ich mich nicht verleugnen.
Zweitens: Genau an der Grenze, die ich auf griechischer Seite gerade entlang fahre, gibt es in den letzten Wochen heftige Spannungen zwischen den (NATO!)-Nachbarländern. Zwei griechische Soldaten, die anscheinend irrtümlich auf türkisches Gebiet geraten waren, wurden verhaftet. Ein deutsches TV-Team, das im Grenzgebiet unterwegs war, wurde von griechischen Sicherheitskräften kurzzeitig festgesetzt. Die Nervosität war spürbar, die griechischen Militär- und Grenzschutz-Patrouillen bereits gestern auf der Route deutlich sichtbar.
Letztendlich ist mir das Risiko, beim Grenzübertritt in Schwierigkeiten zu geraten, zu groß.

Ich fuhr also auf griechischer Seite entlang dem Fluss, der mächtig über die Ufer getreten war …

Fluss mit Untiefen

… und der alles in einem Riesensee verschluckte: Hütten, Felder, Straßen, Strommasten.

Fluss-See

Auf der Höhe des Dörfchens Lavara gesellte sich plötzlich ein Radfahrer zu mir.
Es stellte sich heraus, dass er ein deutscher Rentner war, der seit 10 Jahren hier am Evros seinen Ruhestand verbrachte.
Ich fragte ihn eine wenig aus und er antwortete bereitwillig.
Es sei eine Tragödie, was hier passiere – und Europa schaue leider weg. Immer wieder würden Flüchtlinge im Fluss ertrinken. Erst vor ein paar Wochen etwa 10 Menschen – in einer Nacht!
Der Fluss sei unberechenbar, entwickle starke Wirbel. Boote würden kentern. Nicht mal geübte Schwimmer könnten dem Sog entkommen.
Das Problem sei: Sowohl auf türkischer wie auf griechischer Seite würde viel Geld mit Menschenschmuggel verdient.
Auf Nachfrage betonte er: “Ja, auch auf griechischer Seite! Mein halbes Dorf lebt vom Schmuggel.”
Schon seit Jahrzehnten sei der Evros eine Schmugglergegend. Das Preisgefälle zwischen den Nachbarländern sei enorm, da rentiere es sich, illegal Waren aller Art aus der Türkei nach Griechenland zu schmuggeln. Auch Drogen. Und mittlerweile eben auch Menschen.
Der Rentner redete sich in Rage: Hier würden Menschen verrecken und die Deutschen zu Hause führten Gespensterdebatten über “Heimat”. Mit Zornesröte im Gesicht verabschiedete er sich und strampelte Richtung Berge weiter.

Ich begleitete noch eine Weile den Evros, bog dann (kurz vor dem türkischen Edirne) Richtung Bulgarien ab.

Leicht wellige Gegend, immer wieder mir eingesprengten kleinen Baumwollfeldern.

Zart

“Baum-Wolle”. Schönes deutsches Kombi-Wort. 

Zottelig

Nach 1.250 Kilometern (in knapp 3 Wochen) ging nun die Griechenlandreise zu Ende.

Bulgarien lag vor mir. Die Passformalitäten an der Grenze (kein Schengenraum!) waren schnell erledigt, Swilengrad, das erste bulgarische Städtchen, über eine Stein-Brücke aus dem 16.Jahrhundert schnell erreicht.

Historisch

Dutzende Spiel-Casinos und Hotels prägten die kleine Innenstadt, die gesichtlsos, etwas kalt und noch ziemlich gestrig wirkte.

Unterkunft: Hotel George. Stadtzentrum. Hatte viel ex-sozialistischen Charme. Die Verständigung war reichlich schwierig, klappte aber. 29 Euro (mit Frühstück).

Tag 247 (30.03.2018) / Griechenland: Alexandroupolis -> Soufli

Strecke: 66 km (11:00 – 16:30 Uhr)

Wahnsinnsschmerzen: Als ich aufstehen wollte, ging nichts. Hexenschuss, eingeklemmter Ischias-Nerv? Ich hatte Tränen in den Augen.
Ich verdächtigte das extrem weich-labbrige Hotelbett. Aber egal. Eigentlich wollte ich um 8:30 Uhr losfahren. Brauchte aber eineinhalb Stunden, allein um in die Senkrechte zu kommen. Dann nur unter Höllenqualen meine Sachen gepackt.
Ich war kurz davor, einen Arzt zu rufen.

Irgendwie quälte ich mich zur Rezeption, um zu zahlen, danach mein Fahrrad zu satteln und dann den Versuch zu wagen, weiter zu fahren.

Es tat weh, aber je mehr ich (vorsichtig) fuhr, umso mehr entspannte sich irgendein Muskel, und … es ging (nicht gut, aber erträglich).

Wieder ein milchiger Tag. Schon seit Wochen versaute mir das Wetter (fotografisch) die Bildideen – (aber nicht die Laune).
Schwer, gegen null Kontraste, null Schatten, null Tiefe, null Farben anzufotografieren.
Ich tat’s halt doch.

Das Evros-Delta ziemlich geflutet.

Suchbild: Wo ist der Zipp?

Das Mittelmeer schon seit 1 Stunde nicht mehr zu sehen. Ich hatte vergessen, mich zu verabschieden! I’ll come back.

Mehr oder weniger folgte ich dem Grenzfluss zur Türkei – Evros (griechisch). Außengrenze der EU. Der wasserreiche Fluss auch hier – Dank heftiger Regenfälle – weit über die Ufer geflutet. Wie es trotzdem Flüchtlinge schaffen, hier (mit Hilfe von Schleusern) über die Grenze in die EU zu kommen? Wie viele sterben dabei?

Gesumpft

Wellige, mal bergige Landschaft.

Gut gebellt

Schließlich im Kleinstädtchen Soufli angekommen. Null Touristen (wenn man mich ausnimmt). Wenig los. Aber sehr entspannt und sympathisch.

Durchblick

Nach einem Aufwärmbier ging ich in ein Seidenmuseum. Soufli ist bekannt für die Arbeit mit Seidenkokons …

Snack?

… von Seidenraupen auf Maulbeerbäumen … Und das Ganze wird dann halb maschinell verarbeitet …

Maschinenzeitalter

… wie genau das geschieht hab’ ich trotz Erklärvideos nicht wirklich verstanden.

Schöne historische Fotos.

Wie in Legebatterien

Wunderschöne Fäden, aus denen wunderschöne Stoffe entstehen.

Seidig

Das Städtchen ohne gutes Restaurant. (Wahrscheinlich öffnen die besseren erst ab Mai.) Ich ging in einen griechischen Schnellimbiss, dröhnte mich mit Hähnchenspießen, saulauter Schlagermusik und ein paar Bieren schmerzfrei.

Unterkunft: Hotel Koukoli, Dorfmitte. Wunderschöner historischer Steinbau. Sehr sehr geschmackvoll eingerichtet. Herrlich oldfashioned Personal. 35 Euro (mit Frühstück). Fahrrad in Hof angekettet.

Tag 168 (25.3.2017) / Portugal: Tavira -> Huelva (Spanien)

Strecke: 73 km (09:30 – 17:30 Uhr)

Plus eine Fährstrecke Portugal-Spanien über den Grenzfluss.

Grenzenlos schön! Tavira. Wenige Kilometer von der Grenze zu Spanien entfernt.

Charmant

Die Wettergöttin hatte mein Flehen als hinreichend devot akzeptiert und mir eine halbe Stunde Sonnenschein geschenkt.

Viertel nach Sieben durch das Städtchen gehechtet und fotografiert. Die Uhr lief.

Hellwach
Schön

Hinreißend schön.

Bei der Stadtausfahrt eine mobile Roma-Famile überholt.

Gemütlich

Nach der halben Stunde: wieder Regen! Bis zur Grenze.
Konnte mich grad so auf die Fähre retten. Klatschnass.

Länderhopping

Irre, dass es erst ein paar Jahre her ist, dass hier zwischen Portugal und Spanien ein einigermassen einfacher “Transit” stattfindet. Beide mögen sich offenbar nicht wirklich. Offene und leicht passierbare Grenzen sehen anders aus.

Auf der anderen, der spanischen Seite, lockte die Sonne.

Bienvenido

Aber nur kurz. Noch wusste ich nicht, welchen Wetterteufel ich in Spanien umschmeicheln musste. Ich fuhr viel durch Wald und Sumpf.

SandSumpfWeg

Und der Regen kam immer wieder.

Ich fuhr ziemlich versaut in Huelva rein.

Unterkunft: Hotel “Costa de la luz” in der Altstadt. Eher billige Absteige. Aber sehr freundlicher Service. (Fahrrad in Abstellraum gestellt.) 28 Euro ohne Frühstück.

Tag 167 (24.03.2017) / Portugal: Lagos > Tavira

Strecke: 124 km (08:45 – 18:15 Uhr)

Das Tagesziel war, so nah wie möglich an die portugiesisch/spanische Grenze zu kommen. Regen und Kälte waren vohergesagt, doch die Sonne brach immer wieder die Wolken auseinander

Um die Mittagszeit genehmigte ich mir ein Bier auf dem Zentralen Platz in Albufeira.

Algarve - Herz

Vielleicht war ich zu feige, dieses Foto zu schießen: Ein Paar lief an mir vorbei. ER oben ohne, SIE im Bikini. Bei 13 Grad und reichlich kaltem Wind. Beide hatten nicht das geringste Problem, ihre üppigen Speckfalten zu zeigen. Engländer. Biergesichter, gerötete Augen. Er: Glatze. Sie: Halbglatze auf der einen Seite, auf der anderen rotgesträhntes Haar. Stolze Prolls. Und davon gab es reichlich in Albufeira an der Felsenalgarve. Sie stolzierten rum, als sei Hochsommer, während ich mir fröstelnd meine Kapuze überzog. Ich schoss es nicht, das Foto. Und fragte mich noch nach Stunden, warum nicht? Weil man Hässliches nicht zeigt ? Aber war es überhaupt hässlich? Die, die mit wenig Geld den maximalen Suff in der Sonne haben wollen:  Sind die hässlich? Ist das verkehrt? Ist es ein ästhetisches Problem (also eher eine Mittel-/Unterschicht Differenz)?  Mir fiel auf die Schnelle keine Antwort ein – auch das irritierte mich.

In den verwinkelten Gassen, prießen fast alle Lokale Partys an.

Algarve - Party

Unverkennbar war ich in einer Hochburg für englische Touristen gelandet.

Albufeira lag schön in Felsklippen hinein gebaut.

Algarve - Fassade

Ganz offensichtlich war das Städtchen zweigeteilt. Ein wenig Exklusiv-Tourismus (Oberstadt)…

Algarve - Illusion

… und ziemlich viel Billig-Tourismus (Unterstadt).

Algarve - Beton

Ich machte mich davon. Musste in einiger Distanz zur Küste radeln. Das Hinterland der Algarve völlig zersiedelt. Langweilig.

Algarve - Hinterland

Interessanter wurde es erst wieder entlang der so benamsten Sand-Algarve. Riesige Lagunen, riesige Obstplantagen, kleine Städte, an denen die Touristenströme vorbeizogen. Ich stärkte mich kurz in Olhāo. Ein großer Fischereihafen. Viele Fischkonserven-Fabriken.

Einsames Bike in Olhāo

Die Ortschaften, die ich querte/längste: geprägt von alten Männern. Frauen sah ich seltener – und nie beschürzte Frauen wie auf meinen ersten Portugal-Reisen vor bald 30 Jahren.

Ganz zum Schluss erwischte mich noch ein heftiger Regenguss. (Drei Tage Regen waren prognostiziert). Ziemlich nass erreicht ich Tavira. Endstation für heute. Selbst im Trüben sah ich, dass es ein außerordentlich schöner Ort war. Ich hoffte darauf, dass morgen die Sonne mir ein paar fotografische Minuten schenken würde.