Meer Europa

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Tag 312 (11.07.2019) / Norwegen: Gratangen -> Tysfjord

Strecke: 126 km  (09:30 – 21:45 Uhr)

Kurzer Aufwachblick aus dem Fenster: Der Fjord war noch da.

Schönes Aufwachen

Nach dem Frühstück ging ich zur Küche. Ich wollte mich vom Koch verabschieden, mit dem ich mich gestern bis spät in die Nacht verquasselt hatte, und mich für seine Gastfreundschaft bedanken. Er kam mir zuvor, drückte mir lange die Hand und sagte, ich hätte ihm gestern viel positive Energie gegeben. Es sei an ihm zu danken.

Ich war perplex und fuhr demütig in den neuen Tag hinein.

Er begann mit Zauberbildern.

Verweile!

Ich jagte die noch fast autofreie Straße runter zum Fjord.

Zieh weiter!

Querte danach Täler, Brücken …

Hüpf rüber!

… übte den Vogelblick,

Bleib doch!

… erreichte gegen Mittag die (unansehnliche) Stadt Narvik. Orientierte mich.

Stärkte mich mit einem Beef-Wrap und einem kühlen Blonden.

Und hoppte bald per Brückenhub auf die nächste Halb-Insel.

Auch hier zeigte mir die Vogelperspektive, welch irrsinnig schöne, zerklüftete Welten die Eiszeitgletscher auf ihrem Rückzug nach Norden hinterlassen hatten. Wahre Erdkünstler.

Wie oft hab' ich schon 'Traumland' geschrieben?

Plötzlich tauchten am Wegrand drei junge Wanderinnen auf.

Darauf muss man erstmal kommen

Ich hatte auf meiner Skandinavien-Umrundung schon ziemlich viel gesehen:

  • Einen Italiener mit roten Rastalocken, der mit dem Rennrad von Rom ans Nordkapp unterwegs war. (Er behauptete, jeden Tag 200 Kilometer zu fahren. Er hatte fast kein Gepäck dabei und schlief meist im Wald. Mir war rätselhaft, von was er sich ernährte, woher er das Trinkwasser besorgte.)
  • Ein Paar, das auf Tretrollern über die Straßen huschte, das schwere Gepäck auf den Rücken geschnallt.
  • Eine Ehepaar, das mit überdachten Fahrrad-Anhängern ihre beiden laut jammernden Bälge durch die Landschaft nach Norden zog.

Aber drei junge Frauen mit Lastenhund?

Wir grüßten uns fröhlich. Hallo, woher kommst Du, wohin geht Ihr? Der aufrichtig freundliche und froh stimmende Wanderer-Small Talk. Und tschüss. Ich wünsch Dir viel Glück. Passt auf Euch auf.

Ich musste wenig später Berge überwinden, um an mein Ziel zu kommen.

Ist das norwegisches Biedermeier?

Kurz vor 9 erreichte ich schließlich den Fährhafen Skarberget. Dort endete die Hauptstraße (E6) Richtung Süden. Autos mussten über das Meer geschafft werden (so spät waren nur noch wenige unterwegs). Fußgänger und Fahrradfahrer (ich war der einzige) durften umsonst die halbstündige Überfahrt genießen.

Am Horizont glitzerte, wie eine mattkühl angestrahlte Wand, die Traumlandschaft der Lofoten. Auf dieser Reise würde ich sie nicht näher sehen.

Kurz vor 22 Uhr kam ich an dem mittags bereits vorgebuchten Hotel an. Das Restaurant war schon lange geschlossen, die Bar aber noch offen.

Ruhewoche Ginostra/Stromboli (12.-17.10.2017)

Der reiche Poet

Zimmer mit Aussicht …

… und Schreibtisch

Poetenausstattung

Im Laptop der neueste Band Elena Ferrantes (“Die Geschichte der getrennten Wege”). Im Kühlschrank immer ein gut gekühlter Tropfen.

Angelehnt

Der Blick frei – frei aufs Meer. Auf die anderen Liparischen Inseln am nahen Horizont.

Zickzack

Jeden Tag des gleiche Tragflügelboot, aber das Meer mit Chamäleonfarben.

Füße gut gekühlt

Ginostra: Im Winter leben hier am Fuße des Vulkans Stromboli 30 Menschen. Im Sommer kommen manchmal 500 Touristen an einem Tag. Jetzt, in der Nebensaison, war der Ort fast leer.

Vielzack

Vor 40 Jahren war ich das erste Mal hier. Dann noch zweimal im Abstand von jeweils rund 10 Jahren.
Damals gab es noch keine Schnellboote, die hier anlandeten. Nur eine große Fähre, die weit außerhalb hielt. Fischerboote nahmen mich noch vor 20 Jahren draußen auf und brachten mich an die Steilküste, an der es nur einen Kleinsthafen (für 1 Fischerboot!) gab.
Mittlerweile ragt ein befestigter und robuster Landungssteg in die See.

Etagenbau

Aber noch immer ist der Esel das einzige Transportmittel in Ginostra. Es mühen steile Treppen vom Hafen hoch zum Dorf.

Zieh-Esel

Manche Gesichter erinnere ich noch. Wenn ich auch schnell beschloss, keine Einheimische zu fotografieren. Sie werden im Vierteljahresrhythmus von Fotografen regelrecht belagert.
Seit etwa 12 Jahren fließen Strom und  Wasser im Dorf. (Gab es vorher tatsächlich nicht!)
Strom: Dank einer Solaranlage in einer Bergmulde (versteckt).
Wasser: Dank großer Wassertank-Schiffe aus Neapel. (Früher so gut wie nur Zisternen-Wasser.)
Die Toiletten sind jetzt innerhalb der Häuser. (Früher Plumpsklos draußen.)

Und trotz unübersehbarer Modernisierung: Viel hat sich in Ginostra trotz Landungssteg, Strom und fließend Wasser nicht geändert.
Kein Internet. Keine Bank, kein Geldautomat, kein öffentliches Gebäude. Eine leerstehende Kirche, 2 kleine Läden, 1 offenes Restaurant (bis Ende Oktober).

Kein Auto, kein Fahrrad, keine Vespa.
Nur steile Wege ..

Scharfer Blick

… samt wunderschöner Häuser im traditionellen Stil.

Geschliffene Hauskanten & Goldrand am Horizont

Tagsüber das Licht grell. Nur kräftige Farben können Paroli bieten.

Lieblingsblau
Götterthron
Farbenmut
Farbenmut 2
Selbst das Weiß ist kräftig, fast massiv

Einst war der Ort ein Himmelsgeschenk. Zumindest was die Natur anbelangt. Die Vulkanerde fruchtbar. Der Wein, der auf kunstvoll angelegte Terrassen wuchs, berühmt.

Stachelig

Obst und Gemüse im Überfluss.

Dickhäutig

Bis ein heftiger Vulkanausbruch in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts fast alles zerstörte: Gärten, Häuser. Ginostra erholte sich nie wieder richtig. Verarmte.
Auf dem Friedhof, der über dem Dorf thront,

Am Fuße der Zeder

ist die Armut in den Gesichtern der Verstorbenen zurückgeblieben. Ausdrucksstarke Gesichter. Die Gedenktafeln erzählten mir, dass fast alle Toten Fischer, Bauern, Bäuerinnen, Mägde waren. Einige wenige: Lehrer, Bürgermeister, Postbeamte.

Erst in den 70er Jahren brachten erste Touristen ein bisschen Wohlstand für die wenigen dagebliebenen Familien. Auch wenn die Anreise für die Abenteurer beschwerlich war. Sie lebten damals in Ginostra so wie ich auch heute: Den Tag verbummeln. Ein bisschen Spazierengehen. Das Meer bestaunen.

Archaeopterix

Den Lauf der Sonne verfolgen.

Sonnenblume

Kurz vor Sunset zur Sciara wandern – der Lava-Rutsche des Vulkans. Eine Viertel Stunde von Ginostra entfernt.

Er spuckt

Mit etwas Glück …

Komm mir nicht zu nah!

… das Feuerwerk bestaunen, das der Vulkan in schöner Regelmäßigkeit veranstaltet.
Zuhören wie die Lavabrocken und Steine über die Feuerrutsche ins Meer donnern.

1000 Wunderkerzen

Ich hatte dieses Mal beschlossen, nicht zum Gipfel hoch zu wandern und dort zu übernachten. Ich hatte den Vulkan schon drei Mal bestiegen.

Lieblingsberg

Ich wollte nur faul sein. Nichts tun. Lesen, trinken, lesen, trinken. Den Tag vergehen lassen. Er tat es auch ohne meinen guten Vorsatz.

Tag 214 (02.10.2017) / Italien: Anzio -> Sperlonga

Strecke: 83 km (09:30 – 17:00 Uhr)

Langlang der Morgen.
Lang entlang der See.
Außerordentlich schöne Dünenstrände.

Aufgereiht

Zum ersten Mal Wasserkontakt. Kann’s selbst kaum glauben. (Fahre das Mittelmeer entlang, ohne reinzuspringen.)

Ungeschönt

Blaublau die Radwege.

Alongside

Dann stoppte ich. Sah eine merkwürdiges Trauerarrangement.

Ich verstand nichts (will sagen kein Italienisch). Es handelte sich offenbar um Trauerschmuck für im Einsatz umgekommene italienische Soldaten. Wo? Afrika? Syrien?
Wer schmückte? Staat? Militär? Bevölkerung?
Waren die Toten (wenn es sich darum handelte) von hier?
Haben also Freunde das arrangiert?
Mannomann – warum bleib ich so (sprach)dumm!

Was?

Mein Fahrrad bockte plötzlich. Quietschte. Ich sah nach. Die Befestigung des vorderen Schutzbleches hatte sich gelöst und schwingte (schwang?) frei.
Mir fehlten Schrauben und Muttern, also schnürte ich das Gestänge mit einem groben Seil (das ich Gott sei Dank mit mir führte) zusammen. Es hielt fürs Erste.

Getackert

Abseits der Küste – Landwirtschaft. Der Boden sah fruchtbar aus (sag ich Bauer!).

Gefurcht

Irgendwann abgekämpft nach Sperlonga reingeradelt. Reizvoll und herbstleer. Luft war raus dem Ort.

Gebräunt

Hoch in die Altstadt gestiefelt und doch immer nach unten geblickt.

Geordnet

Extrem enge Gassen. Extrem schöner Ort.

Gegoldet

Aber die Schönheit der verstohlenen Plätzchen, Winkel, Ecken – sie ließen sich mit meinen fotografischen Mitteln nicht abbilden.

Nicht mal die kleinen offenen wunderschön verkitschten und doch innigen Kapellen.

Gerosat

Kurz vor Sonnenuntergang wieder runter zum Strand gestiefelt. Der Horizont blühte rot. Und obwohl ich extremer Sonnenuntergangs-Allergiker bin, konnte ich nicht anders – ich musste den Auslöser lösen.

Gesonnt

Tag 180 (06.04.2017) / Spanien: Almería -> San José

Strecke: 51 km (10:00 – 16:00 Uhr)

Das Kap “Cabo de Gata” war der Horizont, den ich heute erreichen wollte. Nicht sonderlich weit weg von Almería.

Fern so nah

Langgezogene Sandgeröllstrände auf dem Weg dorthin.

Fern so nass

Bevölkert von einigen Fischern, die in der Nacht Fangglück hatten.
20 Kilogramm wog dieses Prachtexemplar eines “Pargo” (Rotbrasse), der vom Fänger früh am Morgen geputzt wurde. Noch schwerere Exemplare habe er im Kühlhaus gelagert, erklärte er mir stolz.

Fisch gewässert
Fisch geweidet

Fast schon amerikanisch weit die Landschaft. Nur dünn besiedelt.

Take care!

Die kargen Wiesen leuchteten blumenrot. Das Küstengebirge türmte sich mächtig auf.

Red Sea

Die Straße zunächst noch asphaltiert. Aber schon mit Riesen-Schlaglöchern.

Von nun geht's bergauf

Das Meer unter mir gurgelte zwischen spektakulären Felsen.

Steinernes Meer

Dann verwandelte sich der Weg in eine Schotterpiste, die für Autos gesperrt war. Sie war für mich allein gemacht. Immer steiler ging es nach oben. Bis nach einer Biegung sich eine bizarre Welt öffnete. Ich hatte den Horizont erreicht und er malte mir eine Mondlandschaft.

Vulkankraft

Erloschene Vulkane, der höchste knapp 500 Meter hoch.

Vulkanfarben

Manche ascheschwarz.

Vulkanschwarz

Zwischen den Bergkegeln hübsche Badebuchten, in denen offene Steinmäuler sich den Rachen mit Salzwasser spülten.

Steinmaul

Wieder unten, im Tal, zeigte mir eine alte Windmühle den Weg ins schöne Städtchen San José.

Windmühlmalerei

Endpunkt der bisher schönsten spanischen Küstenstrecke auf dieser Tour.

Hitzeresistent
Hitzesüchtig


Ich war beseelt.

Unterkunft: Hotel “Doña Pakyta”. Extrem schön gelegen. Außergewöhnlich große Zimmer mit Meerblick. Riesenbad. Fahrrad in Kammer abgestellt. 62 Euro (mit Frühstück).

Tag 129 (19.04.2016) / Italien: Marina di Gioiosa Ionico -> Reggio di Calabria

Etappenziel Reggio di Calabria gegen 15:30 Uhr erreicht!
Nach rund 2.160 Kilometer italienischer Küstenfahrt in dreieinhalb Wochen.

Als erstes geduscht und zum Friseur gegangen, um mir die dichte Wolle scheren zu lassen. Mein Kauderwelsch reichte nicht, um dem jungen Meister klar zu machen, was genau ich wollte. Ich verließ den Salon mit einer Fußballerfrisur. Das scheint hier Standardschnitt zu sein.
Ich will gar nicht in den Spiegel schauen.

Der letzte Etappentag war beschwingt verlaufen.

Das Hochgebirge Aspromonte hatte ein paar Ausläufer bis ans Meer geschickt.

Es wurde hügelig. Dörfer kamen nur noch selten.

Bahnlinie und Straße verliefen nahezu parallel sehr dicht am Wasser.

Irgendwann den südlichsten Punkt (Festland-)Italiens passiert.

Und endlich tauchte am Horizont Sizilien auf.

Ich wurde von heftigen Winden begrüßt. Die Straße von Messina aufgewühlt ob meiner Ankunft.

Schon bei der Einfahrt machte Reggio einen sehr schönen Eindruck.

Ich wollte jetzt so schnell wie möglich vom Rad und, mit einem Glas Wein in der Hand, auf die Stadt schauen.

Tages-Strecke: 109 km (09:00 – 15:30)

Unterkunft in Reggio: “Hotel Una Dimora di Charme”. Liebevoll ausgestattete Villa im Zentrum. Jedes Zimmer anders. Empfang herzlich und hilfsbereit. (45 Euro mit Frühstück.) Fahrrad in Zimmer untergebracht.

(Nachtrag vom 22.4.:
Am Tag nach dem Etappenende fuhr ich mit dem Zug von Reggio nach Neapel. Um von dort aus zurück zu fliegen.
Es war etwas schwierig, das Fahrrad mitzunehmen. Die Auskunft in Reggio hatte mich völlig falsch informiert. Keine anvisierte Abfahrtszeit stimmte. Letztlich aber regelte sich alles. In Regionalzügen kann man (fast) immer sein Fahrrad mitnehmen. Fahrrad-Ticket kostet ca. 3 Euro. Ich musste zwar dreimal umsteigen. Die Fahrt zog sich und dauerte insgesamt 7 Stunden. Aber die Schaffner waren sehr behilflich.
In Neapel: Schönes (und etwas teueres) Hotel: San Pietro, in Nähe des Hauptbahnhofes. Ruhige Insel in ziemlich aufregender und chaotischer Stadt.)

Tag 126 (16.04.2016) / Italien: Lido di Policoro -> Cirò Marina

Strecke: 146 km (09:30 – 20:00)

Lido di Policoro war wirklich keinen Besuch wert. Ein Retortenort, zu dieser Jahreszeit völlig unbehaust. Ich wüsste keinen Grund, das Nest noch einmal zu besuchen.

Keine Westernkulisse

Und trotzdem war an diesem Platz über Nacht ein kleines Wunder geschehen. Die Autobahn (an der ich gestern fast noch gescheitert wäre) blieb zwar Autobahn und für Fahrräder verboten: Aber plötzlich war die Extra-Service-Spur wieder da.
Ich hatte freie Fahrt.
Die erste Stunde des Tages radelte ich fröhlich pfeifend durchs Land. Die Berge rückten immer näher an die Küste heran.

Palmenberge

Und in den Bergen lagen auch die interessanteren Orte.

"Rocca Imperiale" nennt sich wenig unbescheiden dieser Ort

Ich nutzte die freie Fahrtmöglichkeit und machte Kilometer. Fast die gesamte Strecke reihten sich an der Küste kleine Retorten-Städtchen aneinander. Badeinseln im Sommer. Die restliche Zeit eingemotteter Beton.

Ich hielt nur an, wenn es wirklich etwas Interessantes zu sehen gab (und das geschah nicht oft).

Ein Juwel dieses mittelalterliche Kastell auf einer Miniklippe am Capo Spulico.

Dominante Bäume
Wußte nicht, ob ich den Horizont oder die Senkrechte als stürzende Linie legen sollte

Es war bereits dunkel, als ich Cirò Marina erreichte.

Fast alle Siedlungen entlang der Küste sind Ableger eines Dorfes, das in den Bergen liegt.
Cirò ist ein bekannter Weinort in den Bergen. Weit unten hat er ein “Strand-Gebiet”, das nennt sich dann Cirò Marina.
Das hatte wenigstens so etwas wie einen eigenen Kern – und erkennbar auch Leben außerhalb der Saison.
Zudem gab es einen Ableger eines Weingutes.
Ich testete ausführlich dessen süffigen Säfte.

Unterkunft in Cirò Marina : “Hotel Miramare”. Moderner Einheitsbau. Große Zimmer. War praktisch völlig leer. (51 Euro mit Frühstück.)  Fahrrad in Kammer untergebracht.

Tag 118 (08.04.2016) / Italien: Campomarino -> Peschici

Strecke: 98 km. (09:30 – 18:30)

Das Ziel der letzten Tage war: dem grauen und nebligen Norditalien entkommen. Es bestand Aussicht auf Erfolg.
300 Kilometer war ich die letzten 3 Tage geradelt, immer gen Süden. Jetzt erreichte ich die Einfahrt zum Gargano. Dem italienischen Sporn.
Empfangen wurde ich dort von einer überlebensgroßen Figur des Padre Pio: der Nationalheilige des Südens.

Zerrupfter Heiliger

Er war noch in Grau gehüllt, aber am Horizont blitzten schon ein paar Lichter.
Die Sonne zerstach die Wolkendecke und ließ ahnen, in welch prächtige Landschaft ich hineinfuhr.

Gehöft am Meer

Der Beginn des Gargano war von zwei Lagunen geprägt, in denen Fischerboote auf ihren Einsatz warteten.

Comes a time
Flottenstrategie 1
Flottenstrategie 2

Schließlich verließ ich das Flache. Und es wurde anstrengend. Schnell (oder auch nicht) gewann ich an Höhe.

Die Küste wurde aufregend. Die Sonne kämpfte noch mit ihrem Versprechen, mich mit Licht zu versorgen.

Wald, Wiese, Meer

Rodi Garganico, ein kleines wildes Städtchen, lag noch im Tiefschlaf. Es war mir fast unmöglich meinen Nachmittagswein zu organisieren. Ein Ort für schönere Tage! Irgendwann mal wieder.

Schließlich aus der Ferne meine Ziel fixiert: Peschici. Stadt auf den Klippen.

Wald, Klippe, Stadt
Wald, Klippe, Stadt, Meer

Traumhaft schön. Eine Altstadt zum verlieben. Auch wenn ich nur kurz das Vergnügen hatte, durch die engen Gassen zu schlendern.

Der Himmel öffnete sämtliche Schleusen und ließ Regen niederprasseln, der jeden anständigen Menschen (und auch die Nichtanständigen) nach Innen trieb. Ich freute mich. Die Luft würde morgen klarer sein. Der Frühling würde beginnen!

Unterkunft in Peschici: “B&B Albergo Celestina”. Altstadteingang. Ist eigentlich ein großes Restaurant. Vermietet aber auf B&B Basis auch einige Zimmer. Sehr geräumig. Balkone. Teilweise Blick aufs Meer. Restaurant auf Großbetrieb eingestellt. Trotzdem gemütlich. Große Terrasse mit Meersicht! (50 Euro mit Frühstück.) Fahrrad in Innenhof abgestellt.

Tag 109 (30.03.2016) / Italien: Mestre -> Porto Tolle

Strecke: 98 km. (08:30 – 16:00)

Die Kanäle laufen schnurstracks. Manche über 50, 60 Kilometer. Keine Biegung, keine Kurve. Direkt in den Horizont.

Die meiste Zeit fuhr ich auf der lärmigen Landstraße, manchmal auf dem Damm selbst. Die vielen versteckten Erdlöcher bremsten mich jedoch gewaltig.

Dammlich geht’s zum Horizont

So wählte ich also wieder Asphalt.

Gut ausgebaut das Straßennetz. Die Züge fahren überpünktlich (das konnte ich in Venedig feststellen). Busse gibt es zuhauf und verbinden noch die kleinsten Ortschaften untereinander.
Das Einzige, was bisher nicht in Italien funktioniert: Die Straßenpfosten halten nichts aus.
Einer brach unter der Last meines abgestellten Fahrrads regelrecht ab.

Ausgebremst

Anyway. Ich schoß mein Selfie.

Spieglein Spieglein an der Straß’ ...

Nach zwei Stunden die Provinz Venezia verlassen und die Po-Ebene erreicht. Brettflach. Kanäle, Flussarme, Felder, Moore. Ab und zu ein Gehöft oder eine Winzsiedlung.

Einöd mit Zweibaum

Jetzt bin ich schon 3 Tage unterwegs und habe immer noch nicht dass offene Meer zu sehen bekommen.
Lagunen, Flüsse, Bäche, Binnenseen. Viel Wasser.

Ausgebootet

Immer wieder Fliegenschwärme, die über mich herfielen. Oder waren es Mücken? Winzkäfer? Stachen jedenfalls nicht.
Die Landschaft eintönig, mit nur wenig Farbkraft. Nur ab und zu lauschige Winkel.

Kreuchtierparadies

Eigentlich wirkte vieles verlassen oder zumindest eher ärmlich. Doch dann immer wieder kleine Feudalgrundstücke mit ansehnlichen Bauernhäusern.

Sogar das Wasser schimmert klar

Die Fischerbehausungen dagegen eher ärmlich. Die Bootsschuppen aus Wellblech. Improvisierte Kleinsthäfen.

Sogar das Wasser dümpelt faulig
Armut ist pittoresker als Reichtum

Ein altes Fischerpaar näherte sich.

Immer zu zweit!
Eine Hand hilft der anderen

Der Fang: Krebse satt und dazwischen/darunter/darüber: ein Aal.

Hölleneimer
Sic!

Kaum war der Fang entladen, stiefelte das Fischerpaar über die Straße die nächste Böschung runter, bestieg ein Kleinstboot und kontrollierte geduldig die ausgelegten Reusen im nächsten Gewässer.

Warum finden Krebse und Aale nicht mehr aus der Reuse raus?

Lange dachte ich, während ich weiterfuhr, ich würde mich einem Leuchtturm nähern. Doch als ich davor stand, entpuppte sich der Turm als ein Taubenhaus(?).

Taubenschornstein

Merkwürdige Dinge gab es in der Po-Ebene. Auch museumsreife Traktoren, deren Motoren liefen, ohne dass sich ein Fahrer in der Nähe befand. Irgendetwas wurde gepumpt. Es erschloss sich mir aber nicht, was!

Pumpstation

Einige Kilometer vor meinem Tagesziel kam mir ein Fahrradwanderer entgegen, der sich offensichtlich verirrt hatte. Ein 76jähriger Schweizer, der in der Poebene Vögel spotten wollte und in genau das gleiche Dorf zu radeln gedachte wie ich auch. Nur: Er fuhr in die entgegengesetzte Richtung. Es kostete mich einige Minuten, ihm klar zu machen, dass er sich irrte. Er sagte, er habe schon 60 Kilometer auf dem Buckel. Ich lotste ihn (mein HandyNavi überzeugte ihn!) auf den richtigen Weg.

Good country for old man

Wir fuhren Seit an Seit weiter. Baten unterwegs eine Dame am Wegrand, ein Foto von uns beiden Italienbummlern zu schießen. Es gelang ihr nur mit Mühe, uns unsere Beine nicht vollständig abzuschneiden. Auch nachschärfen (am Abend) konnte das Foto nicht wirklich retten.

Peter & Stefan

Unterwegs erzählte mir “Peter”, so hatte er sich mir vorgestellt, dass er vor kurzem von seinen Ärzten MS diagnostiziert bekommen habe. Jetzt wolle er noch so lange Fahrrad fahrend die Welt erleben wie er noch strampeln/gehen könne. Er hatte kein Hotel vorbestellt, nichts. Mit 76!
Ich führte ihn zu meiner Unterkunft, die ich schon am Morgen per Internet gebucht hatte. Und dachte: Wow!

This is the end

In Porto Tolle, dem Zentrum der Po-Ebene, nahmen wir noch zusammen das Abendbrot ein. Peter erzählte von einem langen Leben. Good man!

Unterkunft in Porto Tolle: “Hotel Italia”. An der Hauptstraße gelegen. Modern. Zweckmäßig. Sehr netter Empfang. (45 Euro mit Frühstück.) Fahrrad in Garage abgestellt.

Tag 61 (16.04.2015) / Griechenland: Patras > Pyrgos

Strecke: 106 km. (10:00 – 18:15)

Schöne Küstenfahrt von Patras nach Westen. Immer wieder Tavernendörfer. Sehen vielversprechend aus. Sind wohl Wochenendziele für hungrige Athener.

Coast line

Schatten gibt es auch.

Single tree line

Und jede Menge Badewannen.

Boat line

Anschließend ging es mehr ins Landesinnere. Meist ca 5 -10 km von der Küste entfernt. Das Land total platt. Sah auch nicht anders aus als Niedersachsen. Wären am Horizont nicht immer diese hohen kargen Berge. Dem Horizont näherte ich mich aber nicht.

Fruchtbare Erde. Kilometerlang nichts anderes als Erdbeerfelder.

Strawberry fields for ever

Die Saison hat begonnen. Europa wird von hier aus mit Süßstoff versorgt.

Noch ist die Sonne nicht so heiß, dass es unerträglich wäre. Zudem wehte ein manchmal sehr böiger und dann auch frischer Wind.

Strawberry line

Frühkartoffeln werden auch bereits geerntet.

Worker & migrants line

Der Frühling hat endlich(!) mit voller Macht Einzug gehalten.
Der Wegrand mit Klatschmohn gesäumt.

Klatsch!

Schönes Bild. Könnte jetzt sagen: Habe das mit Absicht gemacht. Tatsächlich wollte ich aber testen,
ob meine Kamera bei extrem böigen Wind eine Klatschmohnblüte scharf bekommt.
Sie hat es nicht geschafft.
Sie hat den Gouache-Filter genommen und drauflos gemalt.

Farbtemperatur geändert

Ich war in einem guten Trott. Das Flachlandstrampeln fiel mir leicht.
Manchmal versuchte ich, die Flugschatten, die vor mir über den Asphalt wischten, den entsprechenden Vögeln zuzuordnen: Möwe, Taube, Greif, Krähe, Elster oder Singvogel.
Ich lag beinahe zu 100 Prozent daneben.

Auch so vergeht ein Tag.

Ab und zu Winzdörfer.

Aber kein Ort ohne Kirche, ob alt,

Church line

ob neu.

Auch church line

Auch in Griechenland ist das gesellschaftliche Zentrum dort, wo das Gotteshaus steht. Drumherum gibt es die Kneipen.

Ich stärkte mich in einem Café. Mir gegenüber 3 junge schon ziemlich angeschickerte Frauen.

Girl line

Sie hießen die Bedienung, mir ein Glas Wein zu bringen. Danach wollten sie ein wenig mit mir reden.
Ihr Englisch kaum zu verstehen.
Was sie gerade feierten, habe ich nicht herausbekommen.
Die eine kam aus Albanien und war Babysitterin in einer griechischen Familie. Die beiden Freundinnen arbeiteten als Kellnerinnen in anderen Tavernen.
Sie wollten von mir wissen, ob
a) es in Deutschland teuer sei?
b) es Partys gebe?
c) ob ich Merkel gut fände?
d) und ob mir Varoufakis gefiele?
Der hatte es ihnen angetan. “Cool” war das am häufigsten gebrauchte Adjektiv.

Ich verabschiedete mich und machte mich auf den Weg zu meinem Ziel: Pyrgos. Ein Geschäftsstädtchen, das mit seinen Hochhauswüsten so furchtbar daherkam wie viele griechische Städtchen.

Skyscraper line

Das aber einen sehr belebten Kern hatte.
In dem es nicht nur Fleischer gab,

Lamb line

sondern eine Menge “cooler” Bars.

Unterkunft in Pyrgos: Hotel Olympos im Zentrum. (Geschäftshotel. Ohne Charakter. Freundlicher Portier.) 40 Euro ohne Frühstück. Fahrrad im Keller untergebracht.