Meer Europa

Schlagwort Archiv: Lagune

Tag 258 (10.04.2018) / Rumänien: Jurilovka -> Murighiol

Strecke: 63 km (09:00 – 14:30 Uhr)

Ich bremste mich selbst ab. Statt schneller Strecken, vergnügte ich mich mit langsamen Dorfdurchfahrten. Weit wollte ich nicht kommen, höchstens ankommen. Irgendwann.

Jurilovka präsentierte mir am Morgen seine schönsten Straßenrand-Häuser mit Frühlicht.

Sinn für Farbe

Ich hätte eigentlich jedes Haus fotografieren können.

Sinn für alte Farben

Beschränkte mich aber auf 3 nebeneinander liegende Anwesen.

Sinn für verblassende Farbe
Frohsinn durch Farbe

Die Landschaft wellig – mit lang langen Alleen.

Licht am Ende des Tunnels

Ich dachte, je näher ich dem Donaudelta komme, umso flacher die Strecke. Weit gefehlt.
Fast mittelgebirgsmäßige Anstiege. (In Wahrheit nicht mehr als jeweils 100 Höhenmeter – aber subjektiv ging’s steil hoch.)

Und Abfahrten natürlich, die mich immer wieder zum Anhalten zwangen. Zu schöne Aussichten.

Wohin führt die Straße?

Im nächsten Dorf ein Bauernmuseum.

Time I remember

Ein typischer Bauernhof aus dem Jahr 1900, liebevoll restauriert und konserviert.

On top
Grounded

Ob noch jemand im Dorf diese Webkunst beherrscht?

Einladend

Feine Stoffe und Teppiche.

Stilleben mit Puppen
Welche Schätze wurden darin aufbewahrt?
Kann das noch jemand im Dorf?
Zu welchem Anlass trug Frau solche Schlappen?

Arm war der Besitzer dieser Kutsche sicher nicht.

Für die Sonntagsfahrer

Das Dorf selbst alles andere als museal. Viel Leben auf der Straße. Frauen mit Kopftüchern, Einkäufe erledigend. Alte Männer wild gestikulierend im Schatten. Und vor vielen Häusern saßen Paare einträchtig auf der Bank vor ihrem Haus und schauten interessiert dem Treiben zu.

Sehr lebendig

Wieder raus aus dem Dorf und weiter. Immer wieder kleine Lagunen.

Wassersatt, natursatt
Froschsicht

Ich hatte das Delta erreicht. Murighiol. Ein kleines Fischernest, das noch ziemlich eingemottet wirkte. Ich erlebte aber einen Glückstag. Ich fand eine Unterkunft mit einem Besitzer, der mir versprach, mich morgen mit seinem Boot den ganzen Tag durchs Delta zu kutschieren.
“You are a lucky guy” – sagte er mir. Woher er das wußte?

Unterkunft in Murighiol: Casa Badea. Mitten im Dorf. Sehr sympathische Privatunterkunft. (3, 4 Zimmer). Schöner Garten mit Terrasse. Super Besitzer, der auch Ausflüge im Delta selbst organisiert und durchführt. (Er hat dafür ein Boot, das ein halbes Dutzend Gäste transportieren kann.) 30 Euro (ohne Frühstück).

Tag 245 (28.03.2018) / Griechenland: Xanthi -> Komotini

Strecke: 57 km (10:15 – 15:15 Uhr)

Regen war angesagt, Starkregen kam. Die ganze Fahrt über. Die Lagune des Nestos-Nationalparks: unansehnlich.

Gewässert

Ich genervt. Ich hatte vor der Reise vergessen, meine Regenkleidung zu imprägnieren. Ich spürte, wie die Nässe langsam in mich einsickerte. Ich fror. 8 Grad Außentemperatur. Wie viel es bei mir drinnen waren?

Himmel hilf

Erst als ich schon eine Weile in Komotini war, brach etwas Sonne durchs Grau.

In der Stadt gibt es unverkennbar eine muslimische Minderheit: Türken, Pomaken.

Auf dem Marktplatz nervten 2 gutgelaunte Roma-Jungs die zahlreichen Stadtköter. Ließen sich durch Gebell und Gekeife nicht einschüchtern, wo mir schon längst das Herz in die Hose gerutscht wäre.

Unterkunft: Hotel Olympos. Stadtzentrum. Netter Empfang durch Deutsch sprechenden Griechen. 50 Euro (ohne Frühstück). Fahrrad in Büroraum abgestellt.

Tag 239 (22.03.2018) / Griechenland: Neos Marmaras -> Sarti

Strecke: 56 km (09:00 – 17:15 Uhr)

Kaum war ich aufgebrochen, bremste mich eine “Raupen-Kette” ab. Diese Prozessionsraupen sollen beim Anfassen heftige Allergieschübe auslösen. Also unternahm ich keinen Rettungsversuch, um die Tierchen vor dem Überfahrenwerden zu retten.
Warum sie sich aufreihen, sich aneinander ketten und damit verletzbarer machen, verstehe ich allerdings nicht.

Raupen-S-Bahn

Die Straße führte mich steil nach oben, dann verließ ich den Asphalt und stürzte mich wieder nach unten …

Wellenreiten (trocken)

… Strandtag!

Schon nach einer halben Stunde kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Robinson Crusoe Strand

Ich bewegte mich in einer Wunderwelt.

Robinson Crusoe hat eine große Auswahl

Eine Bucht reihte sich an die andere. Nirgends auch nur ein Mensch, ein domestiziertes Tier, eine Bewegung zu sehen.
„Paradies“ schoss es in mich: „Paradies“.

Trotz milchiger Sicht packte ich meinen Fotoapparat erst gar nicht mehr ein. Wie muss das erst bei klarem Sonnenschein und feinem Schattenwurf – früh am Morgen oder spät am Abend – wirken! Ist das Paradies immer fern?
No! no! no!

Dschungelstrand

Ich folgte einer Schotterpiste, die mich durch einsamste Landschaften lotste.

Küstenschotterpiste

Ich kam kaum zum Atmen, nicht wenn ich nach unten blickte, nach vorn, um mich herum.

Standfest
Auch standfest

Völlig unverständlich, dass hier Besucher erst ab Juni kommen – und dann auch noch alle auf einmal.

Grandiose Westküste der Halbinsel Sithonia.

Einfach schön

Es hörte überhaupt nicht auf.

Einfach wunderschön

Dem Strand vorgelagerte Lagunen.

Frühlingsbote

Der Ginster lies die ersten Blüten ausbrechen und lockte Kleinvieh an.

Frühlingsbote 2

Die Sicht immer diesiger, trotzdem …

Feinsandig

… ich frohlockte laut – und kam kaum voran. Hielt mehr, als ich fuhr. Urplötzlich schlug aber das Wetter um. Schon in diesem staunenswerten Naturhafen kam eisiger Wind auf, heftige Böen peitschten auf mich ein. Ein Sturm baute sich auf.

Es klärt sich was

Ich war inzwischen wieder auf der (kaum befahrenen) Autostraße und kämpfte mich an der Südspitze Sithonias einen Pass hoch. Fror auf einmal. Musste mehrmals absteigen, um nicht vom Rad geweht zu werden.

Unten warfen sich die Wellen mit Macht an die Küste, so als wollten sie die übermächtigen Berge angreifen und langsam schwächen.

Küsten-Tosen
Als würde gerade die Welt erschaffen

Nach steiler halbstündiger Abfahrt, vorbei an riesigen Schafsweiden und Ziegenställen, stellte ich im Ferienort Kalamitsi mein Fahrrad kurz ab, suchte nach einem offenen Café oder einer Taverne. Fehlanzeige, Nichts, rein gar nichts hatte in diesem so schön gelegenen Kaff offen, nicht einmal ein winziger Supermarkt.

Ich hatte unterwegs schon mit meiner HotelApp versucht, eine Unterkunft vorzuorganisieren. Fehlanzeige. 100 Kilometer Küstenstrecke ohne eine einzige offene Pension. Absolute Nebensaison. Inexistentes Gebiet!

Angelehnt

Ich brauchte noch einmal fast zwei Stunden, um den Wind zu besiegen und um zu meinem eigentlichen Ziel zu kommen: das Küstenstädtchen Sarti. Ich vertraute darauf, mir dort ein Privatzimmer organisieren zu können.

Wellenangriff

Ich wurde nicht enttäuscht.
Es wurde ein interessanter Abend.

Auch Sarti war zunächst einmal wie ausgestorben, so gut wie nichts war offen.

Erstes Glück: Ich sah Bewegung in einem Café. Ich ging entschlossen auf die Tür zu und schon kam mir eine ältere Frau entgegen und fragte im besten Deutsch, ob ich ein Zimmer suche.
Sie war vor einer Stunde zusammen mit ihrem Sohn aus Thessaloniki gekommen, um ab jetzt bis November ihre kleine Pension in Sarti zu betreiben. Ich war der erste Saisongast.
Sie fegte schnell noch den Raum aus, organisierte Bettwäsche und voilà: Ich war untergekommen.
Die Pensionsbesitzerin hatte 15 Jahre eine Kneipe in Solingen betrieben und hatte sich dann entschlossen, in der alten Heimat wieder etwas aufzubauen. Nach einer halben Stunde kannte ich ihre komplette Familiengeschichte.

Zweites Glück: Ich fand am Abend eine offene Taverne. Die einzige, wie mir der Wirt versicherte.
Er rief seine Mutter von irgendwoher, dass sie mir ein Abendessen zubereite (aus Tiefkühlfrost).

Ich war auch lange alleiniger Gast, bis sich auf einmal ein großgewachsener Freund des Wirtes dazu gesellte.

Er kam rein mit Wollmütze und in Fischer-Tracht: Langer grüner Parker und weite grüne Hose aus Ölhaut. Eine imposante, stolze Figur mit einem grauweißen Moustaki-Wuschelbart, wie ihn viele orthodoxe Priester tragen.
Er erzählte von der Fischerei, die er vor einigen Jahren aufgegeben habe. Davon, dass die Ägäis überfischt sei, kaum ein Fischer mehr nachhaltig arbeite und er selbst keinen Spaß mehr an seinem Beruf habe. Jetzt sei er 60 Jahre und es sei genug.

In schlechtem Englisch verständigten wir uns.

Ich reizte ihn ein wenig von „früher“ zu erzählen und er schwärmte davon, wie er “früher” Touristinnen für jeweils eine Saison kennengelernt habe: Däninnen, Deutsche, Französinnen. Ich nannte ihn einen Beachboy und er musste lachen.

Zu später Stunde verriet ich ihm den eigentlichen Grund, warum ich auf meiner Reise unbedingt in Sarti Zwischenstation machen wollte: Nostalgie.

Ich war vor genau 42 Jahren schon einmal an diesem Ort gewesen. Hatte 1 Woche lang an einem Strand nahe des Dorfes (in einem Bundeswehrschlafsack) geschlafen.
Von hier aus wollte ich mit einem Boot dann in die Mönchsrepublik Athos übersetzen. Die Einreise-Papiere hatte ich schon zusammen. Ich bekam aber plötzlich hohes Fieber, konnte den festgesetzten Termin nicht einhalten und hatte es so nicht mehr auf diese nur von Männern bevölkerte und bewirtschaftete Halbinsel geschafft.
Was – so scherzte ich – vielleicht ein Glück war. Jemand hätte mir nämlich damals erzählt, dass einige Mönche gar nicht so “keusch” leben würden, sondern ziemlich heftig hinter jungen Männern (Touristen) her gewesen seien. (Ich drückte es etwas drastischer aus.)
Ab diesem Moment gefror das Gespräch.
Der Seemann wurde mürrisch, war sichtlich angeknockt.

Ich sah meinen Fehler und versuchte das Gespräch wieder auf andere Themen zu lenken.
Der Seemann schimpfte auf Griechisch, dann redete er auf mich ein, dass Athos eine großartige Republik sei – mit großartigen und gebildeten Mönchen. Dass ich gut täte, doch noch einmal dorthin zu gehen, um zu sehen, welche spirituelle Erfahrungen dort aus dem mönchischen Leben erwüchsen.

Ich ahnte, dass er oft dort verweilte, vielleicht regelmässig seine österlichen Exerzitien absolvierte, vielleicht mit Gedanken spielte, ganz dort zu leben.

Nach und nach vertieften wir uns dann aber auch wieder in andere Sujets, unterhielten uns über Mikis Theodorakis (überragend) und Georges Moustaki (schräger Romantiker), Demis Roussos (schrille Stimme), über die alten Zeiten.
Der Wirt beteiligte sich jetzt ebenfalls und servierte seinen Spezialschnaps (doppelt destillierten Ouzo).
Als ich mich verabschiedete, lagen wir uns alle Drei in den Armen und versprachen, uns wieder zu sehen.

Unterkunft: Pension Petris. Schön strandnah. Meerblick. Neu eingerichtet. 30 Euro (ohne Frühstück)

Tag 237 (20.03.2018) / Griechenland: Thessaloniki -> Nea Moudania

Strecke: 84 km (09:00 – 17:00 Uhr)

Der City-Bike-Laden hatte die neu Felge aus Patras kommen lassen und alles wieder sauber montiert.
Das Fahrrad lief wie geschmiert, auch wenn es erstmal – Fotomotiv! – vor der Kulisse “Mittelmeer mit verschneitem Olymp” stillstand.

Ab jetzt durchhalten, bitte!

Die Strecke nach Chalkidiki anstrengend, aber nicht zu schwer. Und wichtiger: Nach einem Regentag hatte die Sonne sich wieder die Vorherrschaft erkämpft. Sie tauchte die Mini-Lagunen, die dem Meerufer vorgelagert waren, in ein schönes Kodachrome-Braun.

Spiegelwolken
Twins

Die Strände leer und unaufgeräumt.

Noch seetüchtig?

So wie die Ortschaften, die gespenstisch leer waren, vergilbt, vergessen, verblasst.

Ruckelpiste

Wie anders müssen sie in in einem Monat wirken, wenn (spätestens) mit dem orthodoxen Ostern die Saison beginnt.

Schließlich Nea Moudania erreicht. Kleinstädtchen. Einer Ministeilküste (à la Rügen) vorgelagert.

Caspar David war nicht hier


Leider kam ich einen Tick zu spät. Die Sonne hatte schnell keine Energie mehr und strahlte die porösen Felsen nicht mehr farbkräftig an. Ich hatte keine Chance, eine Foto-geeignete (=fotogene) Stelle zu finden.

Das Städtchen mit einer imposanten Kirche.

Gedrängt

Ansonsten: Gähnende Leere. Ich hatte Schwierigkeiten ein offenes Restaurant zu finden. In einer Taverne sah ich Menschen, viele. Ich trat ein, der junge schon reichlich betrunkene Wirt kam auf mich zu, ich bat um einen Tisch – und bedeutete mir, dass der Laden schon seit 1 Stunde geschlossen sei. Er feierte offensichtlich mit seinen Gästen, die geblieben waren, ein kräftiges Besäufnis. Er lud mich kurzerhand auf einen Wein ein. Umarmte mich herzhaft. Er wollte wissen, was mich hierher verschlagen hätte. Ich erzählte ihm (auf Englisch) von meiner Europaumrundung. Der Wirt war völlig begeistert, rief (beinahe) jeden Gast zu sich, damit er mir die Hand schüttelte. Für einige Minuten war ich der Mittelpunkt der Gesellschaft, jeder wollte irgendetwas von mir wissen. (Und ich hatte Hunger!) Bis schließlich ein Deutsch sprechender Gast kam und laut erzählte, dass erst letztes Jahr ein anderer (deutscher) Radfahrer aus Kasachstan angereist und hier eingekehrt sei. Damit war die Luft aus meiner Geschichte raus, ein neuer Held gefunden, und die Gesellschaft wandte sich wieder ihrer eigentlichen Tätigkeit zu, sich weiter zu besaufen.
Ich ergriff die Gelegenheit, mich zu verabschieden (unter vielem Herzdrücken und der Versicherung, bald wieder zu kommen) und suchte mir ein Esslokal.

An diesem Abend wurde ich noch oft “willkommen” geheißen. Der Bartender einer (fast völlig leeren) Kneipe weihte mich in sein Schicksal ein. Er war ausgebildeter Förster, fand aber in Griechenland keinen Job. Also arbeitete er als Barkeeper. Er wiederholte die Geschichte, die ich mittlerweile so oft auf meiner Reise gehört habe: Die griechische Regierung – gleich welche, auch die aktuelle – tue nichts, um die Infrastruktur zu verbessern, um Jobs für ausgebildete junge Menschen zu schaffen. Alle strömten in die Touristik-Branche, die aber nur ein paar Monate im Jahr boome. Ansonsten nichts.

Ich ging (spät) reichlich wortbetäubt in mein Hotel.

Unterkunft: Hotel Cavo D’Oro”. Am Hafen. Ein klein wenig heruntergekommen. Aber freundlicher Empfang. 35 Euro (ohne Frühstück). Fahrrad in Büroraum untergestellt.

Tag 195 (21.04.2017) / Frankreich: Gruissan -> Saintes-Maries-de-la-Mer

Strecke: 159 km (09:00 – 20:45 Uhr)

Heute war eine Kopie von gestern.

Abschied

Nicht die Küste war interessant. Ausschließlich das Hinterland. Schnell lag Gruissan hinter mir und die Weinlanschaft des Languedoc vor mir.

Das Weinjahr beginnt

Einige meiner roten Lieblingsweine kommen von hier. Viele davon sind biologisch erzeugt.
Keine Herbizide, um das Unkraut zu beseitigen. Hand- und Maschinenarbeit sind nötig, um den Boden zu bereiten.
So wie hier mit diesem eigentümlichen Getüm, das laut knatternd jätete. Château d’Anglès.

Klapperkiste

Die Schlösser der Weingüter nicht ganz so herausgeputzt und herrschaftlich wie die im Bordeaux.
Château la Négly.

Weinschloss

Kurz nur zweigte ich Richtung Küste ab.

A la plage

Aber die Retortensiedlungen – in denen Häuser, Boote und Yachten sich stapelten –

Stapelboote

trieben mich wieder ins Hinterland.

Schleusengefangen

Erneut folgte ich Kanälen

Kanalweg

und wilden Wegen.

Kanalrot
Kanallila mit kanalgelb

Ganz selten eine Siedlung.

Kanalblau

Kilometerlang ging es auf schmalen, sehr schmalen Streifen durch die Lagunen.

Kanalvoll

Ein Hochgenuß. Ich vergaß die Zeit und spürte die Entfernung nicht mehr. Ich radelte und radelte. Und erreichte nach fast 160 Kilometern schließlich die Camargue.

Sonnenpferd

Saintes-Maries-de-la-Mer empfing mich freundlich.

Unterkunft: Hotel “Le Mirage”. Familiengeführt. Außerordentlich sympathisch. Einfache Zimmer. Völlig okay. (64 Euro mit Frühstück).

Tag 194 (20.04.2017) / Frankreich: Collioure -> Gruissan

Strecke: 93 km (10:00 – 18:00 Uhr)

Die Pyrenäenspitzen noch mit einer Schneehaube, während im Tal die Weinblüte begann. Ich durchfuhr die berühmten Hanglagen des Banyuls. (Mir zu süß, auch wenn es ein Desertwein ist. Vielleicht ist es der Hauch von Rosinengeschmack, der mich schreckt.)

Weinschnee

Kaum in der Ebene angekommen, ging meinem Hinterrad die Luft aus. Ich hatte doppeltes Glück. Zum einen lag Argelès-sur-Mer nur einen Kilometer weg – und ein Fahrradladen hatte dort am frühen Morgen bereits geöffnet. Schneller Service. Ein ziemlicher fieser Dorn hatte sich in den Reifen gebohrt und den Schlauch gepiekst.
Zum zweiten: Ich besaß keinen Ersatzschlauch mehr. (Unterwegs aufgebraucht.) Ich konnte heute wieder Vorrat kaufen.

Skelett

Die Küstenlinie: Sand, Sand, Sand. Langgezogene Strände. Ab und zu Retortensiedlungen. Wer nicht gerne surft, für den ist die Ecke uninteressant.

Higher than the sky

Die eigentliche Attraktion war das Hinterland: Eine bezaubernde Lagunenlandschaft. Mit altertümlichen Fischerkaten.

Nicht für die Ewigkeit

Und herrlichen Seen.

Zeitlos

Auch mal steppenartiges, fast schon wüstenhaft trockenes Flachland.

Platt

Ich folgte überwiegend langgezogenen Kanälen. Oder Seitenkanälen. Oder Verbindungskanälen. Bald blickte ich nicht mehr durch. Manchmal glaubte ich, über offene See zu fahren. Auf einer schmalen Sandpiste, die auf das Wasser gelegt wurde. Wer die Kanäle gegraben hat, wie alt die Anlagen waren, ich wusste es schlicht nicht. Der “Canal du Midi” ist ja schon im 17. Jahrhundert von Tausenden Arbeitern ausgeschaufelt worden. Waren all die anderen Wasserstraßen genauso alt? Ich hatte Stoff zum Nachlesen.

Auf manchen Kanälen schipperten ein paar wenige Touristen. (Meist parkten sie irgendwo im Schatten und ließen es sich an Bord mit Wein und Baguette gutgehen.)

Kanal voll

Eher selten waren Fischerhäuser.

Kanal gar nicht voll

Wirtschaftswege begleiteten die Kanäle. Gut befahrbare Schotterpisten oder Sandwege.

Kanal leer
Immer grad aus

Der Tag wurde zum Genuß. Er machte mir richtig Spaß. Ich wollte, dass der Abend sich heute verspätete.

Dürre, wo Wasser ist

Relativ früh erreichte ich Gruissan. Eine von Süßwasser umflossene Trutzburg. Das Mittelmeer nur einen Steinwurf weit weg.

Wasserdorf

Entspannte Atmosphäre im Dorfkern.

Querschnitt
Noch ein Querschnitt

Die schönen Straßen noch nicht überlaufen. (Während auf der anderen Seite – am Yachthafen – es bereits ziemlich rummelte.)

Hochschnitt
Fast quadratisch

Ich genoß den milden Frühlings-Abend.

Unterkunft: Hotel “Le Mirage” am Yachthafen. Gesichtsloser Klotz. Fahrrad in Garage untergestellt. 70 Euro (ohne Frühstück).

Tag 167 (24.03.2017) / Portugal: Lagos > Tavira

Strecke: 124 km (08:45 – 18:15 Uhr)

Das Tagesziel war, so nah wie möglich an die portugiesisch/spanische Grenze zu kommen. Regen und Kälte waren vohergesagt, doch die Sonne brach immer wieder die Wolken auseinander

Um die Mittagszeit genehmigte ich mir ein Bier auf dem Zentralen Platz in Albufeira.

Algarve - Herz

Vielleicht war ich zu feige, dieses Foto zu schießen: Ein Paar lief an mir vorbei. ER oben ohne, SIE im Bikini. Bei 13 Grad und reichlich kaltem Wind. Beide hatten nicht das geringste Problem, ihre üppigen Speckfalten zu zeigen. Engländer. Biergesichter, gerötete Augen. Er: Glatze. Sie: Halbglatze auf der einen Seite, auf der anderen rotgesträhntes Haar. Stolze Prolls. Und davon gab es reichlich in Albufeira an der Felsenalgarve. Sie stolzierten rum, als sei Hochsommer, während ich mir fröstelnd meine Kapuze überzog. Ich schoss es nicht, das Foto. Und fragte mich noch nach Stunden, warum nicht? Weil man Hässliches nicht zeigt ? Aber war es überhaupt hässlich? Die, die mit wenig Geld den maximalen Suff in der Sonne haben wollen:  Sind die hässlich? Ist das verkehrt? Ist es ein ästhetisches Problem (also eher eine Mittel-/Unterschicht Differenz)?  Mir fiel auf die Schnelle keine Antwort ein – auch das irritierte mich.

In den verwinkelten Gassen, prießen fast alle Lokale Partys an.

Algarve - Party

Unverkennbar war ich in einer Hochburg für englische Touristen gelandet.

Albufeira lag schön in Felsklippen hinein gebaut.

Algarve - Fassade

Ganz offensichtlich war das Städtchen zweigeteilt. Ein wenig Exklusiv-Tourismus (Oberstadt)…

Algarve - Illusion

… und ziemlich viel Billig-Tourismus (Unterstadt).

Algarve - Beton

Ich machte mich davon. Musste in einiger Distanz zur Küste radeln. Das Hinterland der Algarve völlig zersiedelt. Langweilig.

Algarve - Hinterland

Interessanter wurde es erst wieder entlang der so benamsten Sand-Algarve. Riesige Lagunen, riesige Obstplantagen, kleine Städte, an denen die Touristenströme vorbeizogen. Ich stärkte mich kurz in Olhāo. Ein großer Fischereihafen. Viele Fischkonserven-Fabriken.

Einsames Bike in Olhāo

Die Ortschaften, die ich querte/längste: geprägt von alten Männern. Frauen sah ich seltener – und nie beschürzte Frauen wie auf meinen ersten Portugal-Reisen vor bald 30 Jahren.

Ganz zum Schluss erwischte mich noch ein heftiger Regenguss. (Drei Tage Regen waren prognostiziert). Ziemlich nass erreicht ich Tavira. Endstation für heute. Selbst im Trüben sah ich, dass es ein außerordentlich schöner Ort war. Ich hoffte darauf, dass morgen die Sonne mir ein paar fotografische Minuten schenken würde.

Tag 118 (08.04.2016) / Italien: Campomarino -> Peschici

Strecke: 98 km. (09:30 – 18:30)

Das Ziel der letzten Tage war: dem grauen und nebligen Norditalien entkommen. Es bestand Aussicht auf Erfolg.
300 Kilometer war ich die letzten 3 Tage geradelt, immer gen Süden. Jetzt erreichte ich die Einfahrt zum Gargano. Dem italienischen Sporn.
Empfangen wurde ich dort von einer überlebensgroßen Figur des Padre Pio: der Nationalheilige des Südens.

Zerrupfter Heiliger

Er war noch in Grau gehüllt, aber am Horizont blitzten schon ein paar Lichter.
Die Sonne zerstach die Wolkendecke und ließ ahnen, in welch prächtige Landschaft ich hineinfuhr.

Gehöft am Meer

Der Beginn des Gargano war von zwei Lagunen geprägt, in denen Fischerboote auf ihren Einsatz warteten.

Comes a time
Flottenstrategie 1
Flottenstrategie 2

Schließlich verließ ich das Flache. Und es wurde anstrengend. Schnell (oder auch nicht) gewann ich an Höhe.

Die Küste wurde aufregend. Die Sonne kämpfte noch mit ihrem Versprechen, mich mit Licht zu versorgen.

Wald, Wiese, Meer

Rodi Garganico, ein kleines wildes Städtchen, lag noch im Tiefschlaf. Es war mir fast unmöglich meinen Nachmittagswein zu organisieren. Ein Ort für schönere Tage! Irgendwann mal wieder.

Schließlich aus der Ferne meine Ziel fixiert: Peschici. Stadt auf den Klippen.

Wald, Klippe, Stadt
Wald, Klippe, Stadt, Meer

Traumhaft schön. Eine Altstadt zum verlieben. Auch wenn ich nur kurz das Vergnügen hatte, durch die engen Gassen zu schlendern.

Der Himmel öffnete sämtliche Schleusen und ließ Regen niederprasseln, der jeden anständigen Menschen (und auch die Nichtanständigen) nach Innen trieb. Ich freute mich. Die Luft würde morgen klarer sein. Der Frühling würde beginnen!

Unterkunft in Peschici: “B&B Albergo Celestina”. Altstadteingang. Ist eigentlich ein großes Restaurant. Vermietet aber auf B&B Basis auch einige Zimmer. Sehr geräumig. Balkone. Teilweise Blick aufs Meer. Restaurant auf Großbetrieb eingestellt. Trotzdem gemütlich. Große Terrasse mit Meersicht! (50 Euro mit Frühstück.) Fahrrad in Innenhof abgestellt.

Tag 109 (30.03.2016) / Italien: Mestre -> Porto Tolle

Strecke: 98 km. (08:30 – 16:00)

Die Kanäle laufen schnurstracks. Manche über 50, 60 Kilometer. Keine Biegung, keine Kurve. Direkt in den Horizont.

Die meiste Zeit fuhr ich auf der lärmigen Landstraße, manchmal auf dem Damm selbst. Die vielen versteckten Erdlöcher bremsten mich jedoch gewaltig.

Dammlich geht’s zum Horizont

So wählte ich also wieder Asphalt.

Gut ausgebaut das Straßennetz. Die Züge fahren überpünktlich (das konnte ich in Venedig feststellen). Busse gibt es zuhauf und verbinden noch die kleinsten Ortschaften untereinander.
Das Einzige, was bisher nicht in Italien funktioniert: Die Straßenpfosten halten nichts aus.
Einer brach unter der Last meines abgestellten Fahrrads regelrecht ab.

Ausgebremst

Anyway. Ich schoß mein Selfie.

Spieglein Spieglein an der Straß’ ...

Nach zwei Stunden die Provinz Venezia verlassen und die Po-Ebene erreicht. Brettflach. Kanäle, Flussarme, Felder, Moore. Ab und zu ein Gehöft oder eine Winzsiedlung.

Einöd mit Zweibaum

Jetzt bin ich schon 3 Tage unterwegs und habe immer noch nicht dass offene Meer zu sehen bekommen.
Lagunen, Flüsse, Bäche, Binnenseen. Viel Wasser.

Ausgebootet

Immer wieder Fliegenschwärme, die über mich herfielen. Oder waren es Mücken? Winzkäfer? Stachen jedenfalls nicht.
Die Landschaft eintönig, mit nur wenig Farbkraft. Nur ab und zu lauschige Winkel.

Kreuchtierparadies

Eigentlich wirkte vieles verlassen oder zumindest eher ärmlich. Doch dann immer wieder kleine Feudalgrundstücke mit ansehnlichen Bauernhäusern.

Sogar das Wasser schimmert klar

Die Fischerbehausungen dagegen eher ärmlich. Die Bootsschuppen aus Wellblech. Improvisierte Kleinsthäfen.

Sogar das Wasser dümpelt faulig
Armut ist pittoresker als Reichtum

Ein altes Fischerpaar näherte sich.

Immer zu zweit!
Eine Hand hilft der anderen

Der Fang: Krebse satt und dazwischen/darunter/darüber: ein Aal.

Hölleneimer
Sic!

Kaum war der Fang entladen, stiefelte das Fischerpaar über die Straße die nächste Böschung runter, bestieg ein Kleinstboot und kontrollierte geduldig die ausgelegten Reusen im nächsten Gewässer.

Warum finden Krebse und Aale nicht mehr aus der Reuse raus?

Lange dachte ich, während ich weiterfuhr, ich würde mich einem Leuchtturm nähern. Doch als ich davor stand, entpuppte sich der Turm als ein Taubenhaus(?).

Taubenschornstein

Merkwürdige Dinge gab es in der Po-Ebene. Auch museumsreife Traktoren, deren Motoren liefen, ohne dass sich ein Fahrer in der Nähe befand. Irgendetwas wurde gepumpt. Es erschloss sich mir aber nicht, was!

Pumpstation

Einige Kilometer vor meinem Tagesziel kam mir ein Fahrradwanderer entgegen, der sich offensichtlich verirrt hatte. Ein 76jähriger Schweizer, der in der Poebene Vögel spotten wollte und in genau das gleiche Dorf zu radeln gedachte wie ich auch. Nur: Er fuhr in die entgegengesetzte Richtung. Es kostete mich einige Minuten, ihm klar zu machen, dass er sich irrte. Er sagte, er habe schon 60 Kilometer auf dem Buckel. Ich lotste ihn (mein HandyNavi überzeugte ihn!) auf den richtigen Weg.

Good country for old man

Wir fuhren Seit an Seit weiter. Baten unterwegs eine Dame am Wegrand, ein Foto von uns beiden Italienbummlern zu schießen. Es gelang ihr nur mit Mühe, uns unsere Beine nicht vollständig abzuschneiden. Auch nachschärfen (am Abend) konnte das Foto nicht wirklich retten.

Peter & Stefan

Unterwegs erzählte mir “Peter”, so hatte er sich mir vorgestellt, dass er vor kurzem von seinen Ärzten MS diagnostiziert bekommen habe. Jetzt wolle er noch so lange Fahrrad fahrend die Welt erleben wie er noch strampeln/gehen könne. Er hatte kein Hotel vorbestellt, nichts. Mit 76!
Ich führte ihn zu meiner Unterkunft, die ich schon am Morgen per Internet gebucht hatte. Und dachte: Wow!

This is the end

In Porto Tolle, dem Zentrum der Po-Ebene, nahmen wir noch zusammen das Abendbrot ein. Peter erzählte von einem langen Leben. Good man!

Unterkunft in Porto Tolle: “Hotel Italia”. An der Hauptstraße gelegen. Modern. Zweckmäßig. Sehr netter Empfang. (45 Euro mit Frühstück.) Fahrrad in Garage abgestellt.

Tag 106 (27.03.2016) / Italien: Udine -> Portogruaro

Strecke: 52 km. (10:45 – 15:00)

Jetzt ist Italien dran: Die nächsten 4 Wochen geht’s die Adria runter.
Die erste Etappe völlig flach: von Udine nach Portogruaro. Ideal zum Einradeln.

Aufs Wasser gebaut

Das historische Städtchen war einst über Kanäle mit der Lagunenstadt Venedig verbunden.

Von Wasser eingerahmt

Auffallend viele kleine Männer an diesem Oster-Nachmittag unterwegs. Bonsai-Italiener mit Halbglatze, geschwellter Brust, Napoleon-Gang und einem Berlusconi-Grinsen.
Als ich einen fotografieren wollte, fiel mein Standard-Objektiv von meiner Kamera und zerschellte auf dem Steinboden. Ich hätte schreien und heulen können. Die nächsten 4 Wochen keine Weitwinkelaufnahmen mehr! Muss mit einem Teleobjektiv und einer leistungsschwachen Kompaktkamera auskommen.

Die lange Tüte funktioniert immerhin. Auch wenn ich spöttische Blicke erntete.

Black is the new color

Mit Sonnenuntergang belebte sich das Städtchen und die jungen Männer wuchsen wieder zur Normalgröße und meine Laune auf Urlaubsniveau.

Tore öffnen Welten

Unterkunft in Portogruaro: “Hotel Spessotto”. Zentrum. Schön gelegen. Alte Villa im venezianischen Jugendstil. Geschmackvoll eingerichtet. (57 Euro mit Frühstück.) Fahrrad in Hinterhof angekettet.