Meer Europa

Schlagwort Archiv: Mittelalter

Tag 219 (07.10.2017) / Italien: Pisciotta -> Maratea

Strecke: 77 km (09:30 – 17:00 Uhr)

Unendlich liebevolle Wirtsfrau, die Burghotelbesitzerin. Zimmer bis ins letzte Detail geschmackvoll komponiert. Man spürte die (gewaltige) Investition und die Besessenheit, eine ästhetische Welt zu bauen. Gelungen! Frühstück auf der Burgsommerterrasse auch detailversessen.
Schöner Abschied von Pisciotta.

Sweet one-day-home

Schuss runter ins Tal. 10, 15 Minuten. Serpentinengeschlängel.
Dann ein wenig eben und schließlich ab ins Küstengebirge.
Junge, Junge, mir wurde bang.
Brutaler Abwind – will sagen: Gegenwind.
Musste mehrmals anhalten, um nicht vom Sattel geweht zu werden.
Dann bauten sich Bergungeheuer vor mir auf.

Wände türmen sich

Nach ein wenig mehr als 2 Wochen Dauerfahrt ließ die Kraft merklich nach. Kaum ein Blick übrig für die wilde Bergwelt.

Aus D kenn ich solche Bergdörfer nicht

Bergpass nach 3 Stunden überwunden und schließlich ellenlange Abfahrt zum Meeresufer.

Danach – natürlich – wieder rauf. Kruzifix wie anders ist die Riviera. Kein Vergleich zur italienischen Flach-Adria. Und “Allergrößten Respekt!” für die italienische Berg-Straßen-Bau-Kunst. Haben die das im vorletzten Jahrhundert mit Hammer, Meißel und Dynamit gelöst?
Chapeau!

Blauexperten sind gefragt: korallenblau? Côte d’Azur Blau?
Oder Blaue Bucht Blau?

Ich hatte die Basilikata erreicht. Maratea war mein Ziel. Mein digitaler Reiseführer schwärmte vom Flair des Berg-Dörfchens.
In Wahrheit aber war es ein gottverlassenes Nest, das sich in seinen Rändern selbst zum Verkauf anbot. Leere, halbzerfallene Häuser, die per großer Tafel einen (finanzstarken) Besitzerwechsel erbaten.

Allerdings: Das kleine Zentrum war fein herausgeputzt. Und heute war Dorffest.
Die Bewohner spielten Mittelalter. Überwiegend für sich selbst. Sympathisch.

Der singende Schäfer-Intellektuelle.

Nicht mundfaul

Der handtrommelnde Innen-Architekt

Nicht handfaul

Der ungewöhnliche Quetschkommoden-Abiturient.

Blickfaul

Die authentische Hausfrau.

Niemals faul

Der gespielte Schäfer.

Oder echt?

Heile Dorfwelt.

Fauler Sonntag

Auf dass es außerhalb der Saison nicht ausstirbt.

Leergefegt

Tag 192 (18.04.2017) / Spanien: Palomás -> Collioure (Frankreich)

Strecke: 114 km (10:15 – 20:45 Uhr)

Vielleicht wollte sich Spanien zum Abschied noch einmal von seiner sympathischen Seite zeigen. Ich rollte Richtung Frankreich, etwas von der Küste versetzt. Es begann mit einen sehr schönen Feldweg.

Flachweg

Ich kreuzte Bäche …

Bachweg

… und ließ mittelalterliche Dörfchen links liegen.

Burgweg

Bog auch mal ab. Und tauchte ein.

Marktplatzweg

Am frühen Nachmittag trank ich einen Wein in der einzigen Bar eines Dorfes. Als ich zahlen wollte, konnte ich mein Portemonnaie nicht aus der Gesäßtasche ziehen, der Reißverschluss klemmte. Ich bekam ihn auch mit Gewalt nicht auf. Die Wirtin bemerkte es, und machte sich resolut an meinem Hintern zu schaffen. Sie bekam den Geldbeutel irgendwann frei. Und sie gab mir noch einen spanisches Sprichwort mit auf den Weg: “Más vale maña que fuerza!” (Mit Geschicklichkeit kommst Du weiter als mit Kraft.)

Kurz: Im Hinterland war Spanien ganz Provinz. Unverstellt. Angenehm.

Sogar die Küstenbebauung nahm leicht ab.

Kieselweg

Dann aber schien es, als stemmte sich das Land dagegen, dass ich es verließ. Steil ging es bergauf. Dazu jazzte ein frontaler Wind, der schon Sturm war. Zigmal musste ich vom Rad, um nicht umgeblasen zu werden.

Ich nahm mir die Atempause, um  kurz  Bilanz zu ziehen nach etwas mehr als 2.000 Kilometern spanischer Küste, die ich rauf und runter gefahren war. Auch wenn am Schluss mein Aufmerksamkeitsmuskel fast vollständig zugemacht hatte. Auch wenn ich immer mehr Wut angesammelt hatte auf das architektonische Desaster der Mittelmeerküste: Ich liebte dieses Land. In jeder Bar wurde ich gut empfangen, in (fast) jedem Restaurant gab es hervorragendes Essen, an jeder Hotelrezeption wurde ich interessiert befragt. Großzügigkeit war überall zu spüren.  

Eine letzter Blick zurück – auf Portbou – und auf Spanien.

Steilweg

Nach dem Pass öffnete sich Frankreich vor mir.
Mit verlassenen ehemaligen Zollhäuschen.

Ach wie schön grenzenlos ist Europa

Und mit einem Wahlplakat von Marine Le Pen. Die Europahasserin und -zerstörerin wirbt für sich als neue Präsidentin der Grande Nation direkt an der Grenze zu Spanien. Am Sonntag sind Wahlen.

Blonde poison

Der Gegenwind steigerte sich fast zum Orkan, aber die Pyrenäenausläufer wurden langsam sanfter. Und: Es fehlten die weißen Pünktchen in den Bergen. Nirgends weißgetünchter Beton wie an der spanischen Küste.
Eine Augenweide.

Vive ...!

Mit Anbruch der Dunkelheit in Collioure eingefahren.

Unterkunft: Hotel Le Frégate. Sehr schön gelegen (Hafennähe). Sehr angenehmer Empfang. Fahrrad in Empfangshalle abgestellt. 65 Euro (ohne Frühstück).

Tag 143 (13.09.2016) / Litauen: Jurbarkas -> Kaunas

Strecke: 107 km (09:30 – 17:30)

Warum Gold so wertvoll ist, muss mit der Sonne zusammenhängen.
Es war Gold, das mich weckte und dem Tag schon herrgottsfrüh puren Glanz verlieh.
Nichts konnte heute mehr schief gehen.
Die Memel hatte in der Nacht Wälder und Hügel geflutet und goldgelackt.
Das war der Moment, als ich schlaftrunken aus dem Hotelfenster sah.

Gülden

Bis ich mir den Schlafsand aus den Augen gerieben und mich mit kaltem Wasser im Gesicht wirklich wachgemacht hatte, war der schöne Spuk schon wieder vorbei. Der Tag hatte sich farblich wieder eingepegelt.

Eingeblaut

Es folge ein zweiter Nemunas-Tag (= Memel-Tag).

Lange begleite ein Fahrradweg den Fluss sehr eng.

Flussbegleiter

Still, fast unbewegt das Wasser.

Dominantblau

Entlang des Ufers Bauernhäuser. Obwohl bisweilen ärmlich, immer mit einem blühenden Vorgarten herausgeputzt.

Idyll 1

Nach einer Stunde endete der Fahrradweg. Ich musste wieder die Landstraße nehmen.
Schwerlastverkehr!

Idyll 2

Die Dörfchen schmiegten sich schlank und rücksichtsvoll in die bewaldeten Nemunas-Hänge.

Idyll 3

Manche mit stattlichen Kirchen …

Idyll 4
Idyll 5
Monument 1

… oder  mit einer Holzkirche im baltischen Stil …

Monument 2

… manche mit einer Burganlage …

Monument 3
Monument 4

… oder mit einer botanischen Seltenheit: einer neun-stämmigen Linde.

Big Monument 1
Big Monument 2

Relativ früh in Kaunas eingefahren.
Herrliche Stadt – mit einem mittelalterlichen Kern.

Mit Gold bezahlen

Noch abends war es lau, die Sonne hatte wie am Morgen schon einen goldenen Anfall.
Die Straßencafés sammelten all den Goldstaub ein, der auf der Straße schimmerte, und schlossen spät.

Unterkunft in Kaunas: “Hotel Kaunas City”. In der langgezogenen Fußgängerzone. Modern gestaltet. Gut. Hilfsbereite Rezeptionisten. (30 Euro ohne Frühstück.) Fahrrad in einer Abstellkammer untergebracht.

Tag 130 (31.08.2016) / Estland: Tallinn

Habe die Fünfte Etappe mit einem Ruhetag begonnen. Bin in Tallinn/Estland gelandet.

Die Turmreiche

Im Weltkulturerbe und an der östlichen Flanke der NATO.
Ich tauchte ins Mittelalter.

Das Mittelalter war jung und hübsch.

Ich flanierte durch Pariser Straßen (Montmartre) …

Fehlt nur die Baskenmütze
Vergeigt

…und sonnte mich in Sowjet-Nostalgie…

Eigentlich mehr Spott als Nostalgie
Aparte Sowjetzeit
Finger weg vom Wodka
Junger Breschnew?

Aufregend die Stadt. Nicht nur weil überall gebaut wird und einem die Ohren ob des Bagger- und Planierraupenlärms wehtun. Außerhalb der Altstadt wachsen in Industriebrachen alternative Kulturen. Wie in jeder europäischen Stadt.

Alternativ

Tallinn am äußersten Rand der EU – aber auch mitten dabei. Das Wohlstandsgefälle nehme ich nur auf Märkten war. Es gibt alles, aber sie scheinen leicht ärmlich, dennoch (oder vielleicht deshalb) sind sie ungemein pittoresk.

Obst- und Gemüseland
Auch Bauern starren auf Smartphones

Die Ostsee wie ein Planschbecken für Kreuzfahrtschiffe. Die Saison noch nicht vorbei.

Ein Kreuz mit diesen Monster-Schiffen

Die Schiffsungetüme spucken tausendfach Touristenklone aus, die Tallinns Altstadt fast unbegehbar machen.
Jedes Grüppchen hat eine eigene Nummer.

Durchnummeriert

Eigentlich unmöglich eine leere Straße zu durchlaufen. (Höchstens zur Mittagszeit – wenn alle verpflegt werden in Restaurants, in denen Kellner wie Minnesänger zwischendurch zur Laute greifen.)

Abgelegen

Alt ist die Stadt – aber sie verjüngt sich. Um den Stadtkern bastelt sie neue urbane Zentren – nicht immer wohnlich, aber ambitioniert.

Kolossal

Lastwagen über Lastwagen donnern in Baustellen.
Manche mit den schönsten LKW-Nixen der Ostsee.

Aufgetaucht

Morgen beginnt dann die Tour. Sie wird mich (hoffentlich) durch das Baltikum und Ostpolen bis in die Ukraine führen.

Tag 103 (10.11.2015) / Frankreich: Le Tréport -> Boulogne-sur-Mer

Strecke: 104 km (09:30 – 17:10)

Novembergrau setzte sich durch. Schon der Morgen zeigte die ganze Tagesrichtung an: keine Sonne, schwere Wolken, Null Sicht. Es kam mir zupass. Mein Tagesziel: weit kommen.

Treport=3 Häfen?

Le Tréport über die Brücke zum Nachbarort verlassen.
Im schmucken Badestädtchen Mers-les-Bains kurz Kaffee getrunken (Café allongé) und dann los.

Puppenstube

Nichts gesehen, nichts erlebt, selten angehalten. Nur einmal, um meine Mittagsstärkung einzunehmen (1 Glas Sauvignon).

Der Abend kam und war wie der Morgen: grau.

Normannischer Friedhof mit Kirche, Burg und Gräbern

Rechtzeitig Boulogne-sur-Mer erreicht. Wieder war ich überrascht wie schön (mittelalterlich) der Stadtkern (Festung) ist. Ein paar belebte Weinkneipen. Massenweise Briten unterwegs. Sie kommen in Scharen. Die Insel liegt ja auch in Spuckentfernung – und von Boulognes großem Hafen gehen Fähren ab.

Unterkunft in Boulogne: “Hotel Les Gens De Mer”. Zentrumsnah. Hotelblock. Etwas runtergekommen, aber sauber. Höflicher und flotter Empfang. (42,50 Euro ohne Frühstück.) Fahrrad in Kammer abgestellt.

Tag 99 (6.11.2015) / Frankreich: Carentan -> Bayeux

Strecke: 48 km (09:15 – 13:00)

Regentag. Superwindtag. Böen, die mich fast vom Fahrrad warfen.
Nur selten klarte es etwas auf. Nur einmal, als es ein bisschen trockener wurde, zückte ich mein Foto.

Ich fuhr durch Bauernland. Ohne das ich jeh einen Bauern zu sehen bekam. Die gehen bei Wind und Wetter wohl auch nicht raus.

Ob's hier europäische Subventionen gibt?

Völlig durchweicht gab ich nach 3 Stunden Druckwasserbespaßung auf und sucht mir in Bayeux ein Hotel.

Ich hatte Glück. Ich hatte dieses Städtchen im Reiseführer überlesen. Sehr sehr sehr schön. Mit einer der schönsten Kathedralen, die ich je besucht habe.

Alle Kraft zum Himmel hoch
Alle Kraft im Stein

Langsam werd’ ich zum Kirchgänger. Immerhin wird man dort nicht nass.

Klasse Ort. Mit vielen kleinen Bars, Weinprobierstuben und Restaurants. Ich bekam den Tag auch so rum – ohne Fahrradfahren.

Besuchte ein beeindruckendes Museum. 70 Meter gestickter Stoff – über tausend Jahre alt – erzählt in Leinen-Bildern die Geschichte der Eroberung Englands durch die Normannen. Weltkulturerbe.

Alle Kraft voraus

Feine Arbeit.

Alle Kraft zum Töten

Zum ersten Mal viele Touristen gesehen, Keine Binnenfranzosen, extrem viele US-Bürger. Verbinden wohl D-Day-Tourismus mit französischer Küche. Am Abend fiel mir auf, dass morgen mein hundertster Tag der Europa-Umrundung beginnen würde. HUNDERT TAGE!

Ich genehmigte mir ein feines Mal auf das Jubiläum.

(Und hatte keine Ahnung wie viel weitere hundert Tage noch folgen würden, bis ich diesen Kontinent umrundet haben würde.)

Jubel

Vorspeise: “L’assiette de coquillages et crevettes” (huitres, bulots, birgoneaux, crevettes) / (Meeresfrüchte)
Hauptgericht: “Pavé de noix de veau campagnard et sauveurs d’automne aux bais rouges” (Rindersteak)
Und als Nachspeise einen exzellenten normannischen Apfelkuchen mit Vanilleeis und Karamellcreme.

Unterkunft in Bayeux: “Hotel Reine Mathilde”. Gegenüber Kathedrale. Sehr hilfsbereiter Empfang. Sprach etwas Englisch. Hotel hatte Bar/Brasserie. Angenehm. (60 Euro ohne Frühstück.) Fahrrad in Garage untergestellt. Kostete 5 Euro extra.

Tag 90 (28.10.2015) / Frankreich: Guissény -> Morlaix

Strecke: 82 km (09:30 – 18:30)

Gestern Abend noch im Regen angekommen, heute Morgen vorsichtiger Sonnenschein. Aber kalt.

Lieblingsblume

An meiner Unterkunft blühten noch die Hortensien.
Vor bald 30 Jahren war ich schon einmal in der Bretagne gewesen. Drei Dinge gibt es, die mir für immer haften geblieben sind:
1) Die Granithäuser und Granitkirchen
2) Die sagenhafte Küste Côte de Granit Rose und
3) Die Hortensien.

So gesehen hat sich in den letzten 3 Jahrzehnten nichts verändert. Selbst die Hortensien blühten noch mir zuliebe (wobei sie fast überall eigentlich nur noch als vertrocknetes Herbstkraut herumhingen).

Die Dörfer, noch die kleinsten, mit steil in den Himmel ragenden Granit-Kirchtürmen (siehe 1)!)

Gottes erhobener Finger

Um die Mittagszeit die Dünen von Keremma erreicht. Ein Naturschutzpark.

Weite Sicht

So weit der Blick reichte: Meeresboden.

Jede Weite hat einen Horizont

Nur ein Boot hatte es nicht mehr rechtzeitig hinausgeschafft.

Gestrandet

Ein paar Familien waren unterwegs, um sich das Mittagessen (Muscheln) auszugraben.

Im Krebsgang

Schließlich zog auch ich mich von der Küste zurück, fuhr landeinwärts. Ich wollte mir einige der berühmten Calvaires anschauen. Massive Kalvarienberge aus Granit (siehe 2)!).

Das Dörfchen Bodilis machte den Anfang.

Mächtiger Granit, Allmächtiger Gott

In der Kirche grandiose Schnitzereien. Vierhundert, fünfhundert Jahre alte Gottesfurcht.

Ohnmächtiger Gott

Ein paar Kilometer weiter meine Lieblingskirche: Lampaul-Guimiliau!
Ich, der ich überhaupt kein Kirchgänger bin, stehe andächtig vor solchen Monumenten.

What a church!

Wie vor dem herzzerreißenden hölzernen Triumphbalken. So wird er zumindest genannt.

Warum die Kreuzigung Jesu ein Triumph ist? (Ich hab’ mich das gefragt: Triumph über den Schmerz? Über die Ängstlichkeit ? Über die Vergänglichkeit? Darüber dem menschlichen Klein-Klein-Spiel entkommen zu sein? Wieder Gott sein zu dürfen?)

Im Gebälk

Die Handwerksmeister des ausgehenden Mittelalters waren jedenfalls Könner.

Feinste Handwerkskunst

Wieder eine Viertelstunde weiter: das Dörfchen Guimiliau.

Kaff

Nix Besonderes: Wäre da nicht wieder ein monumentaler Kalvarienberg.

Magisch?
Umfriedet. Befriedet?
Es gibt mehr als einen?

Hier haben sich besonders die Steinmetze ausgetobt.

Bibelszenen als steinerne Telenovela. Mit klaren Rollenverteilungen.

Realistisch ?
Krawallbrüder?

Es begann zu regnen und ich beeilte mich noch einigermaßen trocken Saint Thégonnec zu erreichen. Mit dem bekanntesten aller Kalvarienberge.

In der Dorfeinfahrt wies mir ein Regenbogen den Weg.

Regenbogengirlande überm Dorf

(Kann man eigentlich auch inmitten eines Regenbogens stehen? Kann sich das Licht nicht auch unmittelbar vor einem in den Tropfen brechen? Muss das Ding sich immer in der Unendlichkeit herumschleichen?)

Ich wollte, ich hätte mehr Regenbögen zu sehen bekommen. Denn ab jetzt wurde es duster und der Himmel leerte seinen Dreck über mir aus.
Ich fuhr stoisch durch das Nass, durch das sehr interessant wirkende Städtchen Morlaix, bis zu meinem im voraus gebuchten Hotel (es gab kein anderes!) weit außerhalb der Stadt. Grauenhaftes Ding.
Wobei: In dem ebenfalls fürchterlich aussehenden Restaurant habe ich köstlich gegessen.
Und danach mich mit zwei Russen ein wenig unterhalten, die auf dem nahegelegenen kleinen Regionalflughafen als Miet-Kapitäne arbeiteten.
Nette Kerle.

Unterkunft bei Morlaix: L’Albatros. Geschäftshotel. Extrem unpersönlich. Dazu noch altbacken eingerichtet. Auch das Restaurant wie eine Kantine. Allerdings mit einem sehr guten Koch. (69 Euro ohne Frühstück.) Fahrrad in Abstellkammer untergebracht.

Tag 87 (25.10.2015) / Frankreich: Concarneau -> Morgat

Strecke: 86 km (08:45 – 17:45)

Am Morgen eine Überraschung erlebt. Noch gestern nacht hatte ich mich gewundert, warum Concarneau so einen klingenden touristischen Namen hatte. Ich wähnte mich bei der Restaurantsuche in historischen Gemäuern und fand sie ziemlich gewöhnlich. Ziemlich daneben. Ich weiß nicht, ob ich einfach zu müde gewesen bin, aber ich hatte die historische Altstadt schlicht übersehen. Sie lag auf einer kleinen ummauerten Insel, die nur über einen Brücke zu erreichen war.
Wie eben so üblich – im Mittelalter. Ich hatte das Mittelalter übersehen!

Dicke Nummer

Morgens um halb neun hatte ich dafür das ganze Altertum für mich.
Absolut niemand unterwegs. Absolut alles geschlossen.

Dünne Luft

Aufweck-Kaffee gab es nur in der Neustadt. Einen trank ich in Concarneau, den nächsten in der Stadt Quimper.

Zwillingstürme

In der Bretagne ist überall Mittelalter.

Knie nieder und tue Buße
Leuchtender Pfad
Abgekanzelt

Welch ein Städtchen: Locranon!

Die Sünden hinter dicken Mauern versteckt

Granit ist ein religiöser Stein! So profan auch bäuerliche und bürgerliche Granithäuser sind, mich befallen merkwürdig religiöse Gefühle. Auch hier. In diesen jahrhundertealten Bürgertumsgassen. Granit!

Ich sag's doch: Granit!

Auch auf der Weiterreise.
Granit-Kleinode an jeder Ecke.

Kreuze ….

On the right side of the world

Kirchen …

Normale Dorfkirche, nichts Besonderes

Ich wurde langsam kirre.
Gottseidank (!) hat mich die Küste wieder geerdet.

Ich war auf der Halbinsel Crozon angekommen.

Highlander! (Dabei war er nur ein frierender Surfer.)

Es kann nicht nur einen geben!
Eben !
Rot hat gewonnen

Wären doch alle Sonntagnachmittage so schön.

Sunday afternoon

Ich will ja nicht verheimlichen, dass es ein verdammt anstrengender Tag war. An der bretonischen Klippen-Küste entlang zu fahren heißt: 80 Meter im Schuss runter, 80 Meter im Ersten Gang hochhecheln. Manchmal musste ich absteigen.

Aber oft genug stieg ich ab, um diese irre Landschaft auf mein digitales Zelluloid zu bannen.

Cliffhanger

Dabei konnte ich mich selten für EINE Perspektive entscheiden.

Version 1
Version 2
Version 3

Am Abend (todmüde) ein fantastisches Restaurant gefunden.

Was für ein klasse Tag!

Unterkunft in Morgat: Hotel de la Baie. Sehr engagierte Empfangsdame. Redete nur französisch – sprach aber langsam und erklärte alles, bis ich es verstanden hatte. Brachte mit mir zusammen das Fahrrad ums Eck in die Hotelgarage. 63,50 Euro (ohne Frühstück).

Tag 84 (22.10.2015) / Frankreich: Vannes -> Quiberon

Strecke: 56 km (10:00 – 16:30)

Hatte am Morgen etwas Kopfweh vom gestrigen Abend. Die Bedienung hatte mir ohne nachzufragen einen Rum eingeschenkt. Das Restaurant, in dem ich gewesen war, ist offensichtlich auf karibischen Rum spezialisiert. Aus Martinique und Guadalupe. Alte französische Kolonialinseln.
Schwarz – bedeutete – glaubt man den Rum-Etiketten, mit denen im Lokal geworben wird – vor allem nackt und barbusig und dem Weißen Patron stets zu Diensten.
Auch das eine Art Kolonialgeschichte zu bewahren.

Barbusiger Rum

Ich schaute mir noch die Altstadt Vannes an. Mittelalterliches Flair. Häuser so krumm, dass der schiefe Turm von Pisa dagegen kerzengerade wirkt.

Krumm und schief

Einladendende Winkel gibt es in den meisten französischen Kleinstädten.

Geschmackvoll eingerichtete Läden, Cafés, die Wert auf Qualität und Stil legen.

Manchmal kann ich nicht widerstehen und nahm, nachdem ich Quiberon verlassen hatte und zwei Stunden geradelt war,

An "Buin" bin ich vorbeigeradelt

Platz im Garten eines Bistros in Auray.

Ein Gourmet stand hinter der Theke, hatte allerlei Schmackhaftes anzubieten.

Auch schön gelegen

Mir war aber – obwohl die Versuchung groß war – noch nicht nach Essen. Ich begnügte mich mit einem Sancerre als kleine Stärkung.

Schön gesessen

Kein Wind, kaum Steigungen. Welch leichtes Fahren heute.
Der einzige Wermutstropfen.
Diesiges Wetter. Den ganzen Tag.

Recht bald Carnac erreicht.

Hinkelsteinparadies.

Ich war im Herz der Bretagne angekommen.

Hinkel 1
Hinkel 2
Hinkel & Elster

Danach noch bis Quiberon geradelt. Auch das ging schnell.

Quiberon liegt fantastisch an der Spitze der gleichnamigen Halbinsel. War sehr voll. Fast nur französische Großfamilien. Entsprechend das Angebot an der Uferpromenade und auf der Hafenmeile: Crêpes, Sandwiches, Moules & Frites, Pizza.

War recht schwer, etwas Anständiges zum Essen zu finden.

Unterkunft in Quiberon: Hotel Des Druides. Bekam Zimmer mit großem Balkon und Blick aufs Meer: schön. Winterbetrieb. Ziemlich leer. Fahrrad im Hinterhof an Baum gekettet. 56 Euro (ohne Frühstück).

Tag 80 (18.10.2015) / Frankreich: Pausentag in La Rochelle

Ganz früh Sonntags sind kaum menschen unterwegs.
Nochmal richtig:
Ganz früh sonntags sind kaum Menschen unterwegs.
Irgendwas falsch?
Egal: Die Stadt ist morgens um 9 nur für mich da.

Tricolore weht immer nach links

La Rochelle: Eine Freundin hat hier studiert. Sie hat mir aber nie verraten, wie schön es in diesem Mittelalteruniversum ist.

Der größte Pool Frankreichs

Auch Sonntag hatte der Zentrale Markt geöffnet.

Jeden Tag Markt

Ein Überangebot von allem, das mich überforderte.

Fishermen's guests

Ich wollte eigentlich

Variation in Rot-rosa

nur ein Baguette

Variation in Käsblass

und einen Käse kaufen.

Variation in Steinpilzbraun

Aber von allem gab es Tausend Variationen. Hab einfach blind wohin gezeigt und gekauft.
Und danach mich wieder in der Stadt verloren.

Motopsycho!

Jetzt endlich pulsierende Gassen.

Hot spirit

Nette Jungs,

Cool spirit

die mit Elan um die Mittagszeit die Morgeneinkäufe erledigen.

Very cool spirit

Und Gelassenheit noch am Abend.

Lange Beine

C’est La Rochelle.
And I like it.

Am Abend in ein marokkanisches Restaurant gegangen. Am Nachbartisch verpissten sie sich vor Lachen, als ich dem netten Patron auf seine Frage, welches Desert ich wünsche, sagte: Der Rotwein vor mir ist mein Desert.

Bohème, Bohème

Eine der Frauen bewegte sich – behauptete sie – in 7 Sprachen. Ich unterhielt mich auf Englisch mit ihr. Darüber hinaus kannte sie sich in Französisch, Arabisch, Jamaican-Pitois, einem afrikanischen Dialekt, Spanisch und … hab ich vergessen … aus.

Nette Gesellschaft. Schöner Abend.