Tag 307 (06.07.2019) / Norwegen: Honningsvag -> Nordkap
Strecke: 53 km (hin und zurück) (09:30 – 15:30 Uhr)
Yeah! Ich hab’s geschafft! Ich hab’s Nordkap erreicht.
Wobei: Ich hatte erhebliche Zweifel gehabt, ob mein Fahrrad das noch schaffen würde. In Stuttgart hatte ich es Tage vor der Tour noch einmal überholen lassen, war aber dort bereits gewarnt worden, dass Kette, Schaltung und diverses andere Zeug möglicherweise nicht mehr den Strapazen standhalten würden.
Und es sieht in der Tat nicht gut aus. Der Wehwehchen-Katalog meines Rennpferdes ist beachtlich: Bremsen ausgeleiert (und Öl verloren), Kette springt wild auf den Blättern herum, 1. Gang geht nicht mehr (obwohl ich an der Schaltung rumgeschraubt habe) und Vorderrad eiert und schleift am rechten Bremsbelag. Weit und breit keine Fahrradwerkstatt in Sicht.
Also hatte ich überhaupt keine andere Optionen als aufgeben (kurz vor dem Ziel) oder irgendwie durch.
Ich wählte die Variante zwei. Ließ sämtliches Gepäck (sogar das Werkzeug und sogar meine schwere Kamera) im Zimmer und begann – so “erleichtert”, aber doch bang – das Unternehmen.
Gleich hinter dem Campingplatz ging es auf 3 Kilometern heftig steil nach oben. 9 Prozent. Ich hatte mir vorgenommen, zur Not zu schieben, aber: Ohne das ganze Gepäck hatte ich überschüssige Kraft, sogar im 2. Gang den Anstieg auf 350 Meter zu meistern.
Schon zu Beginn der Tour – im Tal, über dem Campingplatz – lagen dunkle Wolken auf der Welt.
Sie regneten sich Gottseidank nicht ab. Wasser schoss nur aus den Felsen.
Immer noch lag Schnee am Wegrand.
Die Wolken ruhten sich auf der Straße aus. Es wurde kalt.
Die Sicht zunehmend schlechter. Als ich nach zweieinhalb Stunden Schufterei das Nordkap erreichte, konnte ich kaum die Hand vor meinen Augen sehen.
Ich zog meine nassen Sachen aus, hing sie zum Abtropfen über mein Fahrrad.
Lief vor zum Wahrzeichens des Nordkaps, schaute kurz in die Tiefe, in der nichts außer Wolken zu sehen waren …
… und setzte mich ins Café des riesigen Touristenzentrums, kaufte mir ein Glas Sauvignon Blanc und eine belgische Waffel und dankte meinem Fahrrad, das es all diesen Unsinn mit mir gemeinsam geschafft hat.