Meer Europa

Schlagwort Archiv: Weltkulturerbe

Tag 291 (20.06.2019) / Finnland: Uusikaupunki -> Pori

Strecke: 86 km (09:00 – 16:15 Uhr)

 

Mit großer Vorfreude radelte ich zunächst nach Pyhäranta. Laut Reiseführer sollte sich dort eine uralte hölzerne Opferkirche befinden – mit sensationeller Innenbemalung. Ich fand das Kleinod nicht, nur einen Steinkoloss, düster über der Ostsee thronend.

Machtdemonstration

Die Innenausstattung protestantisch nüchtern.

Akkurat

Ich zweifelte an mir, bis ich merkte, dass ich den Namen falsch gelesen hatte. Die Opferkirche befand sich in Pyhämaa. Etwa 20 Kilometer entfernt von hier. Wieder einmal hatten mich diese (ähnlich klingenden) finnischen Namen ausgetrickst.

Ich strampelte weiter der Ostseeküste entlang, bekam das Meer aber nur sehr selten zu sehen. Meist blockte Wald die freie Sicht. Ich fuhr ein zwei Stichstraßen zum Wasser. Finnische Idylle pur. In jedem Winkel eine Holzhütte.

Geheimzugang

Vor jeder Hütte ein Anlegesteg für kleine Boote.

Aufgeräumt

Mittlerweile war das Gelände flach – mit nur kleinen Wellen. Ich kam zügig voran. Oft begleitet von herrlich blühenden Wegrändern, meist Lupinen, die Birken- und Nadelwälder einsäumten.

Aufgeblüht
Aufgeblüht 2

Schließlich einen längeren Spaziergang in Rauma gemacht. Ein UNESCO- Weltkulturerbe-Städtchen.

Mit einem bestens erhaltenen Stadtkern aus Holz.

Aufrecht

Schön und überraschend schön leer.

Am Nachmittag dann noch kurz in Schwierigkeiten gekommen. Die Pisten durch den Wald waren extrem grobschotterig. Ich fuhr fast wie auf Treibsand, sank ein. Musste heftig in die Pedale.

Abgebremst

Querte eine Hängebrücke.

Help me make it through

Und landete bald wieder auf geteerter Landstraße, die durch typische, friedlich schlummernde finnische Dörfer führte.

Dorf ohne Mensch

Pori, eine Industriestadt mit 80.000 Menschen, in der ich am Abend Unterkunft fand, verströmte Beton-Charme. Zum ersten Mal sah ich in dem wohlhabenden skandinavischen Land offene Armut und Gruppen von ziemlich abgerissen gekleideten Menschen.

Tag 251 (03.04.2018) / Bulgarien: Pause in Nessebar

Hotelzimmerblick:

From my window

Viel gab es heut nicht zu tun. Ich schaute auf meinem Frühmorgenspaziergang ein paar jungen Kraftprotzen zu, wie sie ins eiskalte Wasser stiegen, knöcheltief nur (Außentemperatur 8 Gad!), staunte, wie sie sich dann mit geweihtem Meerwasser besprengten und danach schwitzend mit allerlei Bleisäcken, Gewichten und akrobatischen Übungen ihre Muskeln trainierten. Offenbar bereiteten sie ihre Körper auf die nahe Touristensaison vor.

Anbeter

Ich bat einen, mir seine tätowierte Brust zu präsentieren. Für die Selfiegeneration kein Problem. Ist für sie wohl auch Weltkulturerbe.

Noch Platz frei

Ich lief einmal links um die Halbinsel rum und danach rechts rum.

Blaue Kurve

Ich war sehr wohlwollend gestimmt. Guckte und guckte.

Nach oben gebaut

Aber außerhalb der Saison machte das trotzdem keinen besonderen Eindruck.
Keine der vielen Attraktion sperrte die Tür für mich auf.
Nicht Kirche, nicht antiker Platz – nirgends eine offenes Tor und ein Kartenabreißer.

Echt antik
Abgerundet

Wunderte mich, was die vielen an Bäume gepinnte Zettel wohl für einen Hintergrund hatten. Totenklage? Ich hatte niemand zur Seite, der mir das hätte erklären können/wollen.

Verzettelt

Ask the cat? No answer!
Lazy afternoon.

Versonnen

Ich fuhr für eine Weile mein Fahrrad aus, ohne alles Reisegepäck – und staunte, wie schnell ich (ohne Zusatzgewicht) voran kam. In Nullkommanix zum gegenüberliegenden “Sonnenstrand”. Bulgarische Partyzone schlechthin. Wenn sie denn mal begänne (Juni?).

Touristenfischer

Jetzt: Tote Hose wär noch untertrieben. Schmuddelig wirkten der leere Strand, schmuddelig die leeren Hotelarreale.

Traumstrand iss woanders

Als ich am frühen Abend nach Nessebar zurückkehrte: eine kleine Überraschung. Statt 2 bis 3 offene Lokale wie gestern, hatten plötzlich ein halbes Dutzend auf. Cafés stuhlten aus, Andenkenläden rollten ihre Tandstaffellagen nach draußen.
Wer hatte das Zeichen gegeben, dass ab morgen die Saison beginnt?

Tag 250 (02.04.2018) / Bulgarien: Burgas -> Nessebar

Strecke: 37 km (12:00 – 15:15 Uhr)

Burgas gestern nur in der Nacht gesehen. Nur aus einer Perspektive: todmüde, aber zufrieden, sogar stolz, dass ich es gestern in der Dunkelheit noch bisher geschafft hatte.

Der Morgen glänzte mit schönem Licht. Überblick aus meinen Hotel-Fenster.

Fensterblick

Die Stadt küsste sich wach.
Ich schob mein gesatteltes Rad durch die Fussgängerzone.
Staunte über die kreativen Stadt-Park-Bank-Ideen.

Künstler am Werk

Bedauerte fast, dass ich nicht noch blieb. Schöne Straßenzüge. Schräge junge Stadttypen.

Bewegte mich Richtung Stadt-Strand

Sand Strand Meer

Wusste nicht, ob es sich hier – schon am Stadtrand – um einen Zweiten-Weltkriegs-Bunker oder um einen Kalter-Krieg-Bunker handelte.

Sinnvolle Konversion

Der gestrige Marathon-Tag wirkte noch nach. Ich fuhr langsam. Blickte kurz zurück auf Burgas.

Salz Meer

Und beeilte mich nicht sehr, ins nahe gelegene Nessebar zu kommen. Weltkulturerbe: Thrakisch, byzantinisch, osmanisch, Wohn-Häuser aus der  Zeit der “bulgarischen Wiedergeburt”.  Alles schön dicht beisammen  auf einer kleinen felsigen Halbinsel. Im Sommer (laut Reiseführer) sowas wie ein One-Million-Tourist-Village. Jetzt leer und so gut wie alles geschlossen.

Old woman walking

War mir egal. Ich quartierte mich für zwei Nächte ein.

Unterkunft: Hotel St. Stefan. Altstadt. Schönes historisches Gebäude. Zimmer mit Meersicht und Möwen auf dem Balkon. 58 Euro (ohne Frühstück). Fahrrad in Abstellkammer untergebracht.

Tag 218 (06.10.2017) / Italien: Paestum -> Pisciotta

Strecke: 71 km (11:00 – 18:00 Uhr)

Früh gefrühstückt und gleich um’s Eck in den Archäologischen Park marschiert.
War an diesem Morgen tatsächlich der Erste, der das Heiligtum betrat.
Ich war, ähnlich wie ich in eine Kirche eintrete, voller “Andacht”.

(Weiß nicht, wie oft ich das schon niedergeschrieben habe: Aber der Unterschied zwischen der Begrüßung in einer katholischen Kirche (“Tue Buße”) und einem griechischen Tempel (“Du bist willkommen”) ist mehr als eine enorme kulturelle Differenz. Schade dass sich die westliche Welt am Katholischen/Christlichen statt am Hellenischen orientiert .

Athena gewidmet

Ich fühlte mich willkommen!

Sogar Johann Wolfgang hat sich in der Halle schon rumgetrieben

Riesige Anlage. Mit 3 gut erhaltenen fast monumentalen Tempeln. Weltkulturerbe.
Langsam trudelten auch weitere Götter- und Göttinnenanbeter ein.

Was hätte sich Johann Wolfgang zu dieser fotografierenden Göttin notiert?

Wie können Steine, die (architektonisch gesehen) mehr als 2 1/2 Jahrtausende sich nicht mehr verrückt haben, eine solch “heilige” Wirkung entfalten?
Wie können sie erzählen?
Wie können sie mein Herz erreichen?

Neptun gewidmet

Da ich wieder einmal zu wenig wusste, nahm ich mir vor, Zuhause meine griechischen Geschichtsbücher zu wälzen.

Kraftstrotzend

Wikipedia nutzte hier gar nichts.

Wohl konstruiert

Langsam trudelte ich zu meinem Hotel zurück, checkte aus …

Italienisches Idyll (oder doch griechisches?)

… sattelte mein Stahlpferd und ritt weiter gen Süden.

Sand-Riviera

Die Riviera … immer weiter …
Verdammt, war das anstrengend.

Fels-Riviera

Die Straßen wurden enger, steiler.

Asphalt-Riviera

Ich hatte im Internet von einem schönen Bergdorf gelesen, mit einem Hotel, dessen Zimmer fantastische Ausblicke auf die Steilküste und das Meer eröffnen sollten. Ich wollte dort hin, buchte gegen Mittag über eine App das letzte frei verfügbare Zimmer. Und bekam gleich eine email: Die Straße zum Dorf sei von Norden aus gesperrt und offiziell nicht befahrbar. Also genau dort, wo ich mich gerade fluchend bewegte.
Aber, fügte der Absender hinzu, das mache nichts: Man können sie trotzdem auf eigene Gefahr befahren. Die Polizei kontrolliere im Übrigen auch nicht wirklich.
Ich musste herzhaft lachen: Aufforderung zum Rechtsbruch auf Italienisch.
Und es funktionierte.
Brutal der Aufstieg.
Dann das Schild: “Jeder Durchgangs-Verkehr total untersagt”.
Schließlich eine weitere Warnung: “Bitte mit Vorsicht fahren.”
Keine Polizei weit und breit.
Ich sowieso der Einzige unterwegs.
Mit leicht mulmigen Gefühlen.

No traffic allowed (Oder doch?)

Es ging steil hoch.
Es war einsam.

Steil-Küste

Und nach der nächsten Biegung war auch der Ort zu sehen: Pisciotta. In der beginnenden Dämmerung wirkte das Bergkaff fast abweisend.

Grimmig?

Das höchste Gebäude – (ehemalige Burg?) – mein vorbestelltes Hotel.

For me
Auch der Blick: For me

Ich wurde superfreundlich empfangen. Bekam ein wunderschönes Zimmer. Und draußen braute sich etwas zusammen.

My (current) home

Hatte eine überwältigende Aussicht. Der Himmel verdunkelte sich binnen Minuten, ein rotes Unwetter zog auf.

My (current) view
Satte Farben

Und ich habe zum wiederholten Mal gelernt: Italien kann ich eigentlich nur lieben.

My (current) terrace

Yeah!

Tag 217 (05.10.2017) / Italien: Sorrento -> Paestum

Strecke: 96 km (09:00 – 17:30 Uhr)

Amalfi-Küste.
Wie das im Ohr nachhallt: A m a l f i
Wie das riecht: zitronig, orangig, olivig.
Wie sich das anfühlt: steil, azurblau, weißestes Weiß.

Und dann liegt da ’ne Leich aufm Pflaster.

Schöne Leich

Kaum hatte ich die supersteile Kleinstraße (mehr schiebend als fahrend) von Sorrento endlich gepackt – und schnaufte (besser japste) auf der Passhöhe tief durch, fand ich die tote Leich.
Vor der Eingangstür eines Modegeschäftes, das gerade aufmachte. Ich weiß nicht, ob das ein Werbegag war oder einfach eine noch nicht weggeschaffte Schaufenster-Requisite. Jugendfrei war es sicher nicht.

Dann wieder rasend nach unten:
Die Aussichten spektakulär.

Wie kann man so eine Küste besiedeln?

Häuserkaskaden in den Felsen.

Als es noch keinen Tourismus gab … von was lebten die Menschen dort?

Ein Dorf, ein Blick – schöner als … schön ist gar nicht mehr steigerungsfähig.

Was ist bewundernswerter: Die Terrassen- oder die Baukunst?

Atemberaubende Menschen-Nester mit Pool – in die Felsen hineingetrimmt.

Was sind die Matala-Höhlen dagegen?

Nur unten – in den Dörfern, den Plätzen, den engen Straßen -Überfüllungsalarm.
Spektakulär, wer und was sich sogar in der Nebensaison dort alles tummelte.

Wohl behütete Gruppen

Ursprünglich hatte ich versucht, mir in einem der attraktiven Orte der Amalfiküste ein Zimmer zu reservieren. Bei Preisen ab 200 Euro (pro Nacht) nahm ich schnell Abschied von der Idee. Und jetzt freute ich mich sogar über meine Entscheidung. Ich hätte das nicht ausgehalten.

Ich fuhr weiter – langsam.
Ich wollte alles sehen.

Jedes Eck …

Ist er nun auch schief? Ein bisschen?

jeden Winkel …

selbst Burgen, die als Restaurantkulissen dienten.

Ritterglück

Good bye Amalfiküste.
Ich radelte einfach weiter bis es dunkel wurde.
Und fand ein wunderschönes (bezahlbares) Hotel in der Ebene.
Direkt gegenüber einem Weltkulturerbe: einem der besterhaltenen griechischen Tempel – und das auf römischem Territorium.

Abendglück

Tag 209 (27.09.2017) / Italien: Vernazza -> Corniglia (und zurück)

Wieder ein Pausentag.
Wieder – weil es zu schön war. Weil es unmöglich war, nur vorbeizufahren.

Am Morgen trieb ich mich am Hafen von Vernazza rum. Bis die ersten Fähren Heerscharen von Chinesen und Franzosen in die Gassen entluden.
Ich lief dann verzweifelt weg – hoch.
Selbst Laufen kostet in Ligurien. 7 Euro um den Küstenwanderweg zu betreten. Und sogar dort war ich nicht vor Chinesen und Franzosen sicher. Völkerwanderung. Alle mir dicht auf den Fersen oder eine Schuhsohle vor mir. Puuuh!

Unten – am Hafen – dockte derweil auch noch ein Raumschiff an und entliess Aber-Hunderte Aliens. In 10 Minuten Abständen. Ich floh immer höher hinauf. Auf den mühsamen Wanderweg nach Corniglia entlang der Steilküste. Aber dort waren sie auch schon. Grinsten und rempelten mich an – als sei ich selbst einer von ihnen. Sie taten mir aber nichts.

Angedockt

Ich war erleichtert.
Ich beeilte mich, nach Corniglia zu kommen.

Kamm-Dorf

Schmal und manchmal anstrengend der Fußpfad. Zu Beginn – in Ortsnähe- noch ab und zu ein Lastentransportierer. Mit Raupe auf den engen Treppen.

Findig

Später nur noch Selfiestinnen unterwegs.

Wunderschöne Dörfer. Corniglia – hoch überm Wasser – wie ein Menschenhorst. Weltkulturerbe. Natürlich. Man sieht es auf den ersten Blick.

Dem Himmel nah

Schön herausgeputzte Geschäfte und Menschen.

Zitro-Orangen
Vom Stamm der Tätowierten

Und Straßen-Musik, Musik, Musik.

Serge der Italiener

Mein Lieblingsinstrumentalist spielte richtig gut. Albeñiz, bisschen Schlager, bisschen Jazz und viel Flamenco. Extrem sicher und fingerfertig.

Zufällig saß ich am Abend neben ihm (ihn hatte es auch nach Vernazza in eine Bar verschlagen) und betrachtete interessiert seine Hände. Die Fingerkuppen der linken Hand – als wären sie im ewigen Eis erfroren. Fast schon schwarz. Allerdickste Hornhaut.
Die Fingernägel der rechten Hand lang und länger – und schneeweiß – fast wie lackiert.

Ich war zufrieden mit dem Tag.

Tag 160 (30.09.2016) / Rumänien: Suceava -> Iași

Dunkelkammer

Bevor ich Suceava verließ, warf ich noch schnell einen Blick in die Klosterkirche. Ebenfalls Weltkulturerbe.
Viele Gläubige, die werktags früh den Männerstimmen lauschten. Im völligen Dunkel. Schöne Gesänge wieder.

Gotteskammer

Ich nahm Richtung auf die moldawische Grenze. Wollte unbedingt Iași erreichen. Ca. 140 Kilometer entfernt. Letzte rumänische Stadt vor der EU-Grenze.

Strecke: 141 km (09:00 – 19:45)

Anfangs tief es glatt. Leere Landschaften, leere Straßen.

Road to where?

Bis wieder die Lastwagen kamen. Sie machten mir schon seit Tagen das Fahrradfahren zur Hölle.
Mehrmals haben sie mich in den Graben gehupt. Ohne den geringsten Bremsversuch rasen sie (andere Laster überholend) mir auf meiner schmalen Spur entgegen. Oft blieb nur ein panisches Ausweichmanöver: Ab in den Schotter am Straßenrand – oder gleich ins Gras. Mehrmals war ich in Gefahr. Niemals durfte ich unaufmerksam sein. Manchmal kamen sie von hinten und von vorn. Gleichzeitig hupend. Nie bremsend.
Ich war selbst überrascht, welche Gewaltphantasien ich in mir zur absoluten Filmreife entwickelte. (Altersfreigabe nicht unter 30 Jahren!). Auf jedem Martial-Arts Festival würde ich mit meinen Lastwagenfahrerfolterdrehbüchern die Goldene Peitsche oder zumindest das Silberne Schlachtmesser gewinnen.

Ich beruhigte mich im Lauf des Tages wieder. Die Landschaft beruhigte sich mit mir.

Steppenfluss

Entweder alle Felder bestellt …

Durchgepflügt
Fruchtbare Steppe

… oder Kodachrome-Landschaften. Fast amerikanisch.

Grünbraunblau

Steppe. Mit Ranch. Fehlen nur noch die Indianer.

Goldig

Zwei Stunden vor Iași wurde die Straße vierspurig. Autobahnähnlich. Der Verkehr nahm zu. Stockte nur, wenn mal wieder eine Herde Kühe die Spuren querte.

Goldener Kuhdreck

Tief im Dunkeln die Stadt erreicht. Völlig erschöpft.

Fliegenschirme

Die Stadt von Studenten bevölkert.

In der Nacht Irrsinns Krämpfe bekommen. Die Wadenmuskeln machten zu. Gleich drauf auch noch die Muskeln im Spann. Wie wild zuckten sie und verkürzten sich. Ich hätte vor Schmerzen schreien können, hatte viel Mühe die Krämpfe unter Kontrolle zu bekommen.
Irgendwann ließen sie mich in Ruhe.

Unterkunft in Iași: “Traian Grand Hotel”. Im Stadtzentrum. Von Eiffel entworfenes Hotel. Viel klassischer Charme. Sehr große Zimmer. (59 Euro mit gutem Frühstück). Fahrrad in Wäschekammer untergebracht.

Tag 159 (29.09.2016) / Rumänien: Putna -> Suceava

Strecke: 77 km  (11:00 – 17:45)

Schon als ich frühmorgens den Klostergarten betrat, hörte ich ihre Gesänge.

Kleinmonumental

Keine Mauer, kein Dach konnten ihre Stimmen dämpfen. Ihr Gott sollte sie ja hören.

Der Vater war ein Zimmermann

Der Eintritt in die Betkirche noch lichtdurchflutet.

Draußen ist trotzdem schon weit weg

Die Arbeitsklamotten fein säuberlich aufgehängt.

Geordnet

Tief drinnen: Dunkelheit. Bis zum Altar waren es mehrere Durchgänge, die das Kircheninnerere immer mehr einschwärzten.
Ganz vorne sangen Mönche liturgische Lieder. In ihrem pechschwarzen Habit waren sie kaum auszumachen. Nur ihre polyphonen Stimmen zeugten von Leben in der Kirche. Seit Stunden schon priesen sie den Herrn.
Wunderschöne Gesänge, die auch im Hörer ein Trance-Begehren auslösen.

Manche Mönche auf den Boden geworfen.

Beuget die Knie

Das Kloster Putna ist rumänisch-orthodox. Es gehört wie einige weitere Klöster und Kirchen der Region zum UNESCO Weltkulturerbe. Moldauklöster. Südliche Bukowina. Karpatenvorland. Tief religiöse Gegend.

Viele Ikonen nicht mit goldenem, sondern silbernem Hintergrund.
(Hier erschloss sich mir plötzlich auch die profane Welt der silbernen Dächer und Firste vieler Bauernhöfe. Dies war ganz offensichtlich eine religiöse Referenz!)

Geblendet

Nach Ende der Liturgie blieben einige Mönche nahe der Sakristei, um die Bibel zu studieren. Ein Buch, das sie längst auswendig kannten.

Reinigt Eure Seelen, Herzen und ich weiß nicht was noch

Ich unterhielt mich im Klostergarten mit einem 60jährigen Mönch, der ein exzellentes Englisch sprach. Lange hatte er in den USA gelebt. Vor 3 Jahren fühlte er sich zum religiösen Leben hingezogen und kam zurück in sein Heimatland. Wurde im Kloster Putna aufgenommen.
Als Grund nannte er die kaputte Welt, die von undurchsichtigen Mächten kontrolliert würde. Er breitete mir seine Theorien aus (Verschwörungstheorien) vom Zusammenbruch der Bankenwelt, vom Nine-Eleven Attentat bis zur Katastrophe im Nahen Osten. Die USA schienen für ihn der neue Satan zu sein.
Ich versuchte nicht zu diskutieren, hörte stumm zu.

Auch draußen gab es kleine Pforten. Sie führten in die bäuerliche Welt, die nicht weniger geordnet schien.

Bauernpforte 1

Pagodendächer?

Bauernpforte 1

Abgeschlossene Einheiten. Sehr proper, sehr sauber, sehr aufgeräumt.

Bauernpforte 3

Der rußende Außenherd mitten im Hof.

Um das Feuer gebaut

In manchen Höfen war Leben. Überwiegend die Alten arbeiteten dort.

Hellwach

Mir war bisher entgangen, dass ich mich in einem Mais-Land befand. Die Ernte wurde gerade eingebracht.

Vertieft

Der Herr im Hof versuchte mir offensichtlich zu erklären – nachdem ich mich als Deutscher zu erkennen gegeben hatte -, dass nicht weit weg ebenfalls ein Deutscher leben würde. Bessarabiendeutscher? Einer der wenigen, der nicht ausgewandert war? Ich versuchte Näheres zu erfahren. Aber so weit glückten unsere Verständigungsversuche nicht. (Rumänisch hat ein paar Brocken, die nach Spanisch klingen – aber es reichte dann doch nicht!). Außerdem kam gleich Maisnachschub. Die Herrschaften mussten weitermachen!

Immer weiter
Immer näher
So stimmt's
Sie hatten schon ausgeladen

Ich zog weiter ins nächste Dorf. Prächtige Höfe auch hier. Und eine prächtige Holzkirche dazu.

Mann o Mann, jetzt wurd' es langsam überwältigend

Glück führte mich zum Kirchen-Zerberus. In Steinwurfentfernung.

Butzenhof

Ich klopfte an der Pforte. Ein älterer Herr erschien, wusste, was auf ihn zukam. Schloss noch sorgfältig die Haustür.

Sehr geordnet

Kam dann umstandslos und mit wissendem Blick.

Guten Tag!

Führte mich zur Kirche.

Gepflegter Weg


Ein gemütlicher Herr, den aber jeder Schritt schmerzte. Schlurfend bewältigte er die hundert Meter bis zur Kirchenpforte.

Schnaufend zog er einen gewaltigen Schlüssel hervor.
Und schloss mir sein Himmel-Reich auf.

Sein war das Reich. Und er setze sich gleich – müde, beinahe schon verausgabt,

Beeindruckend (bis auf den plastikgrünen Teppichboden)

Ich aber spürte, wie ich fast nichts mehr aufnehmen konnte.

4 Wochen war ich jetzt unterwegs, 6 Länder hatte ich bisher gequert, 6 Sprachen nicht verstanden und mich doch irgendwie verständigt. Umwerfende Gastfreundschaft auch hier in Rumänien. Und immer noch kam jeden Tag ein neues Natur-, Kultur, oder Menschen-Wunder dazu.
Jetzt schnaufte ich – und nicht der Alte Herr.

Zum ersten Mal auf dieser Reise hatte ich den Wunsch, dass sie zu Ende ginge. Bald.
Fehlen noch zwei, maximal 3 Tage.

Die Landschaft hier in Rumänien erinnerte mich ein wenig an das Alpenvorland.

Ohne Alpenglühen

Riesige abgeerntete Maisfelder, durch die Hirten nomadengleich ihre Schafherden trieben.

In the heat of the day

Kurz vor Ankunft in Suceava noch eine weitere „UNESCO“-Kirche besucht.

UNESCO beschützt

Die ehemalige Betkirche eines Nonnenklosters.

Ausgemalt

Mit langsam verblassenden Außenfresken.

Unterkunft in Suceava: “Hotel Continental”. Im Stadtzentrum. Großer Block. Geschäftshotel. Sehr modern. Großzügige Zimmer. (27,90 Euro mit Frühstück). Fahrrad in Foyer untergebracht.

Tag 152 (22.09.2016) / Polen: Chełm -> Zamość

Strecke: 59 km  (09:00 – 13:30)

Google-Alleswisser-Map-Fahrradangabe. Ich bin auf dieser Strecke von 58,5 Kilometer heute zwischen 177 Meter Meereshöhe und 303 Meter oszilliert. 379 Meter hoch und 344 Meter runter insgesamt. So weit die nüchternen Fakten über meine Tour.

In Wahrheit hab ich mir die Seele aus dem Leib gestrampelt, tausendfach geflucht und bin zweimal abgestiegen, weil die Steigungen deutlich über 10 Prozent hatten. Und aus den prognostizierten 3 Stunden wurden 4 1/2. Was weiß Google eigentlich über den menschlichen Faktor? Über mein Herz, mein Alter, meine Lunge? Über meinen Zielalkohol-Konsum?
Wieso versagt sein Algorithmus so deutlich? Ist Google überhaupt Wer? Oder nur Was? Irgendwas.

Never ending road

Die Straße führte quer zu vielen Bergrücken – also mit Schwung runter und mit Krämpfen hoch.

Aber, ich wurde entschädigt.

Grandiose Renaissance-Stadt! Zamość.

Erhaben

Meine letzte Station in Polen.

Farbintensiv

In vollen Zügen genossen.

Gespiegelt und geachst

Die Altstadt (Unesco Weltkulturerbe) kaum breiter als 400 Meter und ebenso lang.
Rasch durchlaufen. Wunderschön.

Mediterran

“Padua des Nordens” nennt man das Ensemble.

Unterkunft in Zamość: “Góscinec Kanclerz”. In unmittelbarer Nachbarschaft zur Altstadt. Schön gelegen. Von einer Polin geführt, die lange in Wien lebte. Wenige Zimmer, aber alle sehr eigen und geschmackvoll gestaltet. (32 Euro mit Frühstück). Extrem zuvorkommender Service. Und sehr gutes Restaurant. Fahrrad im Keller untergebracht.

Tag 130 (31.08.2016) / Estland: Tallinn

Habe die Fünfte Etappe mit einem Ruhetag begonnen. Bin in Tallinn/Estland gelandet.

Die Turmreiche

Im Weltkulturerbe und an der östlichen Flanke der NATO.
Ich tauchte ins Mittelalter.

Das Mittelalter war jung und hübsch.

Ich flanierte durch Pariser Straßen (Montmartre) …

Fehlt nur die Baskenmütze
Vergeigt

…und sonnte mich in Sowjet-Nostalgie…

Eigentlich mehr Spott als Nostalgie
Aparte Sowjetzeit
Finger weg vom Wodka
Junger Breschnew?

Aufregend die Stadt. Nicht nur weil überall gebaut wird und einem die Ohren ob des Bagger- und Planierraupenlärms wehtun. Außerhalb der Altstadt wachsen in Industriebrachen alternative Kulturen. Wie in jeder europäischen Stadt.

Alternativ

Tallinn am äußersten Rand der EU – aber auch mitten dabei. Das Wohlstandsgefälle nehme ich nur auf Märkten war. Es gibt alles, aber sie scheinen leicht ärmlich, dennoch (oder vielleicht deshalb) sind sie ungemein pittoresk.

Obst- und Gemüseland
Auch Bauern starren auf Smartphones

Die Ostsee wie ein Planschbecken für Kreuzfahrtschiffe. Die Saison noch nicht vorbei.

Ein Kreuz mit diesen Monster-Schiffen

Die Schiffsungetüme spucken tausendfach Touristenklone aus, die Tallinns Altstadt fast unbegehbar machen.
Jedes Grüppchen hat eine eigene Nummer.

Durchnummeriert

Eigentlich unmöglich eine leere Straße zu durchlaufen. (Höchstens zur Mittagszeit – wenn alle verpflegt werden in Restaurants, in denen Kellner wie Minnesänger zwischendurch zur Laute greifen.)

Abgelegen

Alt ist die Stadt – aber sie verjüngt sich. Um den Stadtkern bastelt sie neue urbane Zentren – nicht immer wohnlich, aber ambitioniert.

Kolossal

Lastwagen über Lastwagen donnern in Baustellen.
Manche mit den schönsten LKW-Nixen der Ostsee.

Aufgetaucht

Morgen beginnt dann die Tour. Sie wird mich (hoffentlich) durch das Baltikum und Ostpolen bis in die Ukraine führen.